Neun intensive Verhandlungsrunden benötigte die große Koalition unter Merkel und Müntefering im Jahr 2006, um sich auf die schrittweise Anhebung des Renteneintritts auf 67 zu verständigen. Rentenreformen waren schon immer politisch stark umstritten, und deshalb fehlte so lange der Mut zur notwendigen Neugestaltung. Am Ende stand die Rebellion der „Jungen Gruppe“ in der Unionsfraktion – getrieben von dem Streben, im nächsten Jahrzehnt eine noch höhere Staatverschuldung zu vermeiden. Aber auch dieser Versuch, mit einer dramatischen Inszenierung die Notbremse zu ziehen, musste scheitern. Einerseits hat er dieser Regierung mehr geschadet als genutzt, zurück bleibt ein angeschlagenes Vertrauen unter den Koalitionspartnern, ein beschädigter Kanzler, eine ebenso beschädigte Arbeitsministerin und eine CDU und eine SPD, die laut ZDF-Politbarometer als die „am meisten zerstrittenen Parteien“ (61 % bzw. 54 % der Befragten) wahrgenommen werden. Wie Dauerstreit über eine Rentenreform ein Land unregierbar macht und politisch extreme Randparteien befördert, können wir in Frankreich beobachten. Vor Nachahmung sei dringend gewarnt.
Andererseits scheint endlich eine Sachdebatte in Gang zu kommen, die sich um eine Lösung der strukturellen Probleme unseres Rentensystems bemüht. Und es mehren sich die Anzeichen, dass andere europäische Rentensysteme unter die Lupe genommen werden, die vielfach effizienter, gerechter und besser sind – insbesondere, was die Höhe der ausgezahlten Renten betrifft. Da liegt Deutschland mit einem Rentenniveau von nur 48 Prozent im EU-Vergleich (27 Staaten) unter den letzten fünf. Unter dem Begriff „Sozialstaat“ verstehen viele Rentner etwas anderes. Schlussendlich wird es darauf ankommen, ob Union und SPD bereit sind, ihre „heiligen Kühe“ zu schlachten. Das bedeutet für die Union die Aufgabe der unterschiedlichen Altersvorsorge-Systeme von Renten, Pensionen und freiberuflichen Altersversorgungswerken (inkl. Altersbezüge von Abgeordneten) hin zu einem einheitlichen Vorsorge-Modell. Niemand kann z.B. erklären, warum sich die Pensionshöhe am letzten Gehalt eines Beamten bemisst; beim Rentner aber am Durchschnittsgehalt der gesamten Arbeitszeit. Solche eklatanten Missverhältnisse sind zu beseitigen. Ebenso muss die SPD ihre Vorbehalte gegen eine spürbar längere Einzahlung ins Rentensystem durch kontinuierliche Anpassung des Eintrittsalters an die steigende Lebenserwartung aufgeben. Dänemark sollte ein Vorbild sein. Und es gehört die Kapitalmarkt-Ergänzungsrente, wie sie in Schweden erfolgreich praktiziert wird, auf den Tisch der Rentenkommission. Es gibt zahlreiche weitere Stellschrauben, um die Altersvorsorge in Deutschland auf tragfähige Füße zu stellen. Die Kommission soll sich jetzt an die Arbeit machen und Politikern wird geraten, sich eine Weile mit Ratschlägen zurückzuhalten.











