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Home Politik

Wo bleiben die Palästinenser? Die Kritik des Michael Barenboim

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
16. August 2024
Zerstörung in Gaza City nach Bombenangriffen Israels Ende Oktober 2023

Palestinians inspect the damage following an Israeli airstrike on the El-Remal aera in Gaza City on October 9, 2023. Israel continued to battle Hamas fighters on October 10 and massed tens of thousands of troops and heavy armour around the Gaza Strip after vowing a massive blow over the Palestinian militants' surprise attack. Photo by Naaman Omar apaimages

Der Krieg in Gaza, begonnen mit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober, all den Toten, den Verschleppten, den Grausamkeiten, begangen an Juden, dann die brutale Reaktion der Israelis, die nahezu komplette Verwüstung des Gaza-Streifens, um die Terrororganisation endgültig auszumerzen,  die Rede ist von einem Genozid der israelischen Armee an den Palästinensern, Arabern, Muslimen mit Zigtausenden von Toten, ein Waffenstillstand oder gar ein Ende ist nicht in Sicht. Eher droht eine Eskalation mit unabsehbaren Folgen für die ganze Region oder mehr noch. Hört das denn nie auf?!Der Hass, das Morden, das Zerstören. Wieder einmal hat sich Michael Barenboim zu Wort gemeldet, der berühmte Sohn des noch berühmteren Vaters Daniel Barenboim. In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ kritisiert Barenboim das Regime Netanjahu. Eines vorweg, was er an anderer Stelle schon mal gesagt hatte: Die Palästinenser können nichts dafür, dass Nazi-Deutschland sechs Millionen Juden ermordet hat.

Michael Barenboim ist ein in Paris geborener Jude, der nach eigenen Worten seit seinem 7.Lebensjahr in Deutschland lebt, er ist ein weltberühmter Geiger,  Professor für Violine und Ensemblespiel an der Barenboim-Said-Akademie, zudem Konzertmeister im West-Eastern Divan Orchestra. Sein Vater Daniel hat die spanische, israelische und palästinensische Staatsangehörigkeit, er ist der einzige Mensch auf der Welt, der gleichzeitig israelischer und palästinensischer Staatsbürger ist. Das von ihm und Edward Said gegründete Orchester des West-Östlichen Divans setzt sich zusammen aus Jugendlichen, die je zur Hälfte aus Israel sowie den palästinensischen Autonomiegebieten, Libanon, Ägypten, Syrien, Jordanien stammen. Daniel Barenboim setzt sich seit Jahren für den Frieden und Ausgleich zwischen Juden und Palästinensern ein. In der Knesset, wo er geehrt wurde mit dem Wolf-Preis für freundschaftliche Beziehungen unter den Völkern, hielt Barenboim den Abgeordneten des Israel-Parlaments Teile der Unabhängigkeitserklärung vor: „Der Staat Israel … wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen“. Dann stellte er die Frage „in tiefer Sorge“, ob die „Besetzung und Kontrolle eines anderen Volkes mit Israels Unabhängigkeitserklärung in Einklang gebracht werden kann.“

Sein Sohn Michael Barenboim hat mehrfach das brutale und unmenschliche Vorgehen der Israelis in Gaza kritisiert. Er tat es vor Monaten in der Bundesspressekonferenz, er tat es in Interviews. Immer wieder forderte er die Menschenrechte für die Palästinenser ein. Dieses Mal hat er eine im Berliner Bundestag gemeinsam von den Fraktionen von Union, SPD, den Grünen und der FDP konzipierte Resolution zum Anlass genommen, Kritik zu üben. Der Bundestag wolle mit dieser Resolution „jüdisches Leben in Deutschland schützen“, schreibt Barenboim in der SZ und ergänzt: „Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.“

Unrecht an Palästinensern

Der Titel der Resolution: „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“. Damit will das deutsche Parlament die Vielfalt jüdischen Lebens anerkennen, sichtbar machen, bewahren und schützen. Dies sei Ausdruck der deutschen Staatsräson. „Inwiefern es aber jüdisches Leben schützen soll, wenn unter Berufung auf jene Staatsräson Begriffe im Zusammenhang mit Israel als antisemitisch bezeichnet werden, die völlig legitim eine unerträgliche Situation beschreiben, ist schwer nachvollziehbar“. Schreibt Barenboim. Besser er beklagt es. Und zitiert aus einem Gutachten vom 19. Juli 2024 des Internationalen Gerichtshofs: Darin werde „die Besetzung von Ost-Jerusalem, der Westbank und Gaza als rechtswidrig  bezeichnet, sie müsse so schnell wie möglich beendet werden, die Siedlungen seien zu räumen, Reparationen an die Palästinenserinnen und Palästinenser zu leisten“. Mehr noch, Israel, schreibt Barenboim, „verstoße auch gegen Artikel, die Rassentrennung und Apartheid“ verböten. Drittstaaten müssten demzufolge jede Unterstützung unterlassen, die die Besatzung fördere. Barenboim kritisiert in dem Zusammenhang die geplante Resolution, weil sie den Verweis auf das Gutachten unter Antisemitismusverdacht stellen könne.

Die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust führt eigentlich zu einem klaren Bekenntnis zu den Menschenrechten und zum Völkerrecht. Im Grundgesetz heißt es, „dem Frieden der Welt“ zu dienen. So klingt Barenboim weiter. Daraus ergibt sich aber nicht, dass Stimmen unterdrückt werden, „die berechtigte Kritik  an einem Staat üben, der seit mehr als einem halben Jahrhundert ein gewaltsames und völkerrechtswidriges Besatzungsregime unterhält und mutmaßlich für einen Völkermord  in Gaza verantwortlich ist“. Dies alles schütze nicht jüdisches Leben, sondern untergrabe jede Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in der Region.

Netanjahu fühlt sich im Krieg sicherer

Barenboim ist nicht der einzige Jude, der Ministerpräsident Netanjahu kritisiert. Es gibt viele Stimmen in Israel, die Netanjahu vorwerfen, nicht an einem Ende des Gaza-Krieges interessiert zu sein, weil er dann befürchten müsse, angeklagt zu werden. Nicht alle Jüdinnen und Juden, betont Barenboim, würden hier geschützt, sondern allein „diejenigen, die die Politik der Regierung Netanjahu unterstützen. Das ist einer Demokratie unwürdig.“

„Die Menschenrechte gelten für alle“, schreibt Barenboim weiter, „außer anscheinend für Palästinenser.“ Um dann fortzufahren, dass die freie Meinungsäußerung ebenso für alle gelte, außer, wenn sie sich für Palästina äußern wollten. Und weil Daniel Barenboim das tut, wird er, wie er schildert, beschimpft als Verräter, „man solle mich nach Gaza schicken.“ Andere beglückwünschten ihn zu seinem Mut, dabei sei es doch selbstverständlich, wenn man auf die Einhaltung der Menschenrechte poche.

Selbst die Freunde Israels begreifen die Politik der Regierung des Landes nicht mehr. Durch die Art der Kriegsführung unter Netanjahu wurden zwar manche Köpfe der Hamas getötet, aber der 7. Oktober mit seinen Verbrechen gerät in Vergessenheit. Auch weil sich Netanjahu im Krieg sicherer fühlt. Ich kann das Kopfschütteln von Daniel Barenboim nachvollziehen.

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