Erneut schwappt eine Empörungswelle über unser Land. Es geht wieder einmal um Ferkeleien in der Fleischindustrie. Zunächst ging es nicht nur jenen, die Tiere zum Fressen gern haben, um das Wohl der Schweine , Hühner, Kühe und Gänse. Bilder, die in den Medien an das Licht der Öffentlichkeit gelangten, zeigten nur zu deutlich, dass in vielen deutschen Ställen von artgerechter Tierhaltung wahrlich nichts zu sehen war. In den Betrieben ging und geht es oft genug um Massenproduktion. Denn nur hohe Lebendgewichte mal Schlachtpreis machen das Einkommen der Erzeuger aus.
Gegen die Geiz ist geil-Mentalität
Insbesondere die großen Anbieter im Einzelhandel betreiben seit langem die Preisdrückerei gegenüber den Viehaltern, um die Verbraucher mit Billigangeboten in die Läden zu locken. Und die Fleischkonsumenten schauen mit hoher Aufmerksamkeit auf die Fleischpreise bei Aldi, Lidl, Netto, Edeka und anderen Supermärkten. Die „Geiz ist geil Mentalität“ dominiert das Verbraucherverhalten, Schnäppchenjagd ist auch beim Einkauf von Fleisch in. Wenn der Braten in der Pfanne schmort oder auf dem Grill liegt, spielen Empörung und Erregung keine Rolle mehr. Im Jahresdurchschnitt verzehrt jeder Bundesbürger etwa 60 Kilogramm Fleisch. Bei diesem Konsum ist zumeist der Gedanke an das Wohl der Schlachttiere endgültig verflogen. Auch die Lieferkette vom Viehwirt über die Schlachtbetriebe und Diskounter bis hin zum Verbraucher wird nur von wenigen nachvollzogen.
Engagement für das Tierwohl
Für die meisten Fleischesser spielt nur eines die wichtigste Rolle, nämlich dass der Braten, die Steaks und die Koteletts sowie anderes reichlich und billig eingekauft werden konnten.
Menschenwohl hat so einfach eindeutigen Vorrang vor Tierwohl. Ohnehin fühlen sich die Verbraucher dafür kaum oder gar nicht zuständig und angesprochen. Wenn überhaupt, dann sollen sich die Bauern, Schlachtereien, Händler und Läden darum kümmern. Solange sich diese Einstellung der Endverbraucher nicht ändert und Masse statt Klasse, zu Niedrigpreisen über die Theken gehen oder aus dem Tiefkühlfach des Supermarkts geholt werden, wird sich kaum etwas ändern. Der Kampf für mehr Tierwohl und artgerechte Tierhaltung, für mehr Qualität statt Quantität und für bessere Arbeitsbedingungen insbesondere in den Großschlachtereien wird deshalb eher zum Kampf gegen Windmühlenflügel.
Menschenwürde auch für Osteuropäer
Die zum Teil katastrophalen Missstände in einigen Schlachtbetrieben sind keineswegs neu. Sie sind in diesen Tagen der Corona-Krise nur allzu deutlich und geradezu erschreckend ans Licht der Öffentlichkeit gelangt. Denn in verschiedenen Schlachthöfen wurde eine erhöhte Zahl von Infektionen der Beschäftigten festgestellt. Menschen aus mittel- und osteuropäischen Ländern wurden auf verschlungenen Wegen über Subunternehmer-Ketten bei den Schlachthofbetreibern in Arbeit gebracht. Von den Unternehmen der Fleischbranche wurden seit langem Beschäftigte über Werkverträge an die Schlachtbänke und Fließbänder für die Entbeinung und Zerlegung gestellt. Den Arbeitnehmern blieben zumeist Niedriglöhne, sie mussten viele Überstunden „kloppen“, wurden kaum sozial abgesichert. Von den rund 130.000 Beschäftigten in der Fleischindustrie erhalten etwa zwei Drittel gerade einmal den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 9,35 €. In den meisten Fällen weisen die Schlachthofbetreiber ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern aus Rumänien, Bulgarien und anderen osteuropäischen Staaten weitestgehend von sich und schieben diese den Subunternehmern zu. Das betrifft insbesondere auch die Unterbringung der Schlachthelfer. Nicht selten müssen diese in ganz miesen Buden hausen, sich wenige Quadratmeter eines Zimmers mit mehreren Mitbewohnern teilen. Es fehlt weitgehend an sanitären Anlagen, die den Mini-Anforderungen an die Hygiene entsprechen.
Harte Kontrollen statt blindem Vertrauen
Für alle Schlachtereien gelten zwar durchaus klare gesetzliche Vorschriften für Betrieb und Beschäftigung. Doch die regionalen und lokalen Behörden führten die Kontrollen nur in wenigen Fällen, zu selten und oft eben unzulänglich durch. Zumeist wurden die Elendsquartiere, in denen die von Subunternehmerbanden untergebrachten Menschen bei hoher Miete nur hausen konnten, gar nicht kontrolliert, da dort die Arbeitsschutzmaßnahmen keine Geltung haben.
Die Corona-Pandemie hat nun Politiker und Verwaltungen aufgeschreckt. Selbst die Bundeskanzlerin und ihr Arbeitsminister erkennen die großen in den Schlachtereien herrschenden Mängel, die miese Behandlung und Unterbringung von Mitarbeitern. Nun darf nicht nur Alarmstimmung herrschen, vielmehr muss umgehend gehandelt werden: Regierung, Parlament und Behörden sind in der Pflicht, die Zustände in den Schlachtereien und deren Umfeld nachhaltig zu verbessern. Die Eigentümer der Betriebe sollten von sich aus sofort für Veränderungen sorgen und für humane Verhältnisse für ihre Mitarbeiter sorgen – im Betrieb und bei der Wohnung. Denn die Würde der Menschen ist unantastbar – ganz gleich ob es Deutsche oder Osteuropäer sind. Mit etwas Scham ist solche Unmenschlichkeit nicht zu heilen.
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