1. Die neue National Security Strategy der USA
Die USA unter der Trump-Administration haben den ersten Akt ihrer sicherheitspolitischen Neuaufstellung am 5. Dezember 2025 öffentlich verkündet. Das Dokument trägt den Titel „National Security Strategy“ (NSS). Im Prozess der Erarbeitung ist noch das Folgedokument, die National Defense Strategy (NDS) der USA. Doch die kommt.
Den Inhalt der ersten, der Sicherheitsstrategie genau zu sezieren, ist überflüssig – sie ist so formuliert, dass man es für ein mit Sprach-KI-fabriziertes und wenig nur redigiertes Dokument halten könnte. Die Grundbotschaften aber sind auch so eindeutig. Sie lauten
- Wir, aus den USA, wünschen, dass Europa so wird wie das Gemeinwesen, zu dem wir die USA gegenwärtig machen: Ein autoritär geführtes Ensemble von Staaten, deren auflebender Nationalismus, verkörpert durch „patriotic European parties“, ermutigt und begrüßt wird. Das ist eine Kriegserklärung an die europäisch ausgerichteten Politiker Europas und insbesondere an die Europäische Union, deren historische Aufgabe es ist, die Konkurrenz von patriotisch denkenden Nationalstaaten zu überwinden.
- Unsere, der USA, Aufgabe in Europa besteht darin zu verhindern, dass die kriegsbereiten Europäer ihr Verhältnis zu Russland zu einem Krieg in einer solchen Dimension ausarten lassen, dass er die strategische Ebene, d.i. das Verhältnis USA-Russland, tangiert.
- Wir, die USA, reklamieren eine ausschließliche Einflusszone, genannt „Western Hemisphere“. Dieser mit diesem Dokument verkündete Anspruch trägt den historisierenden Titel „The Trump Corollary to the Monroe Doctrine“. Angekündigt wird, die amerikanische Vormachtstellung in der westlichen Hemisphäre „wiederherzustellen“. Konkurrenten von außerhalb der Hemisphäre soll verweigert werden, Streitkräfte oder andere bedrohliche Fähigkeiten in dieser exklusiven Einflusszone zu stationieren oder strategisch wichtige Ressourcen zu besitzen bzw. zu kontrollieren. Das Problem ist, dass die ursprüngliche Monroe-Doktrin von 1823 sich unzweideutig auf Amerika in Gänze bezog: den europäischen Kolonialmächten wurde der Zugang zur von ihnen aus gesehen „westlichen Hemisphäre“ verweigert. Auch Roosevelts Bezug auf die Monroe-Doktrin war regional eindeutig. Was Trump aktuell als „westlich“ versteht, ist aber offen – begriffliche Ambiguität ist ein Markenzeichen Trumpscher Machtausübung. So wie sich das Dokument liest, könnte man gut begründen, dass das ressourcen-reiche Grönland unter den Anspruch der Trumpschen Monroe-Doktrin fällt. Aber vielleicht fällt auch ganz Europa darunter – wer weiß. Letzteres wäre dann ein Schutzversprechen gegenüber einem Einflusszonenanspruch Russlands.
Zweifelsfrei richtig und als Richtungsansage glasklar ist hingegen der Satz:
“The days of the United States propping up the entire world order like Atlas are over.“
Doch bei dem dann folgenden Satz wird sich beim europäischen Leser die Stirn in Falten legen:
„We count among our many allies and partners dozens of wealthy, sophisticated nations that must assume primary responsibility for their regions and contribute far more to our collective defense.”
Demnach sind die Europäer doch weiterhin als Alliierte auserkoren, es wird unterstellt, es gebe eine „gemeinsame Sicherheit“, und zu der haben die Europäer deutlich mehr beizutragen als früher – sollen aber ihre Identität als demokratisch liberale Rechtsstaaten aufgeben. Wie soll das zusammenpassen?
Die USA präsentieren ein Angebot nach dem Motto: Wir können zusammenbleiben, wenn Du Dich unterwirfst – das als Scheidungsurkunde zu interpretieren, bleibt Sache der Europäer.
Georgia Meloni und Kaja Kallas haben sich schon entschieden – für sie hat sich mit dem Strategiepapier der USA nichts Wesentliches im Verhältnis zur transatlantischen Führungsmacht geändert. Die drei Affen …
2. Die kommende National Defense Strategy der USA
Doch die Verkündung der Nationalen Sicherheitsstrategie ist nur ein Schritt im Prozess der Scheidung. Es folgt der nächste Schritt, und in dem werden die noch mehrdeutigen Sätze in der Sicherheitsstrategie umgesetzt werden durch zahlenmäßige und deshalb unzweideutige Entscheidungen zur Verteilung US-amerikanischer Truppen in der Welt. Dieses Dokument ist in Arbeit. Erwartet wird ein mehr oder weniger drastischer Rückzug amerikanischer militärischer Fähigkeiten aus Europa. Die Frage, ob es ein General aus Deutschland sein wird, der SACEUR übernimmt, wenn die USA sich zurückziehen, wurde schon US-seits als Luftballon gestartet.
Eine Meldung von Reuters berichtet von einem Treffen in Washington. Eingeladen dazu hatte das Pentagon, das mit Mitarbeitern vertreten war, deren Aufgabe die NATO-Politik ist. Eingeladen waren mehrere Delegationen von Europäern, d.h. es wurde kein NATO-Format gesucht. In diesem niedrigrangigen Treffen haben die USA den Europäern ihren Wunsch mitgeteilt, dass die Europäer den größeren Teil der konventionellen Verteidigungs-Kapazität der NATO, von Aufklärungsmitteln bis Raketen, zu stellen übernehmen – gemeint sind aber sicherlich insbesondere auch Soldaten. Für die Erledigung wurde ein Termin gesetzt: bis 2027. Für den Fall, dass dieser Termin von den Europäern nicht gehalten wird, wurde folgende Ansage gemacht:
„The U.S. officials told their counterparts that if Europe does not meet the 2027 deadline, the U.S. may stop participating in some NATO defense coordination mechanisms“.
Verteidigungsminister Hegseth hat diese Forderung in einer längeren Rede zur Sicherheitsstrategie wie folgt unterstrichen:
“Allies are not children. We can and should expect them to do their part.”
Die Europäer werden somit aufgefordert, „erwachsen“ zu werden. Wenn die Ansage von Meloni und Kallas Bestand haben soll, muss nun in Hardware geliefert werden – oder man bricht den m.E. aussichtslosen Versuch, die USA mit viel Geld und Unterwürfigkeit bei der Stange zu halten, doch noch rechtzeitig ab.












