Die USA, sicher der reichste unter den großen Staaten der Welt, glaubt mit bisher stabiler Mehrheit, von anderen ausgebeutet zu werden und einen unerfüllten Bedarf nach Größe zu fühlen. So wählte es im November 2024 einen Präsidenten, der völlig schamlos auf sich selbst als den Größten und Wunderbarsten zeigt – Weltenherrscher (neuerdings auch mit Papst-Allüren).
Und es folgt einem Führer, der alle Lösungen darin sieht, Vorteile für echte Amerikaner zu Lasten Dritter zu versprechen und realisieren zu können. Dieser Appell an unbedingten Egoismus eines möglichst weißen Amerikas verfängt, obwohl ähnlich hohe religiöse Glaubensintensität wie die „christlichen“ USA nur Pakistan oder Guatemala aufweisen. Man hat den Eindruck, dass es in solch glaubensintensiven Gruppen weniger darauf ankommt, gut zu den Menschen zu sein als zu Gott, also den Propheten nicht zu beleidigen oder sexuell unberührt in die Ehe zu gehen. Dabei sind die einzelnen Mitgliedern auch solcher Gruppen durchaus hilfsbereit gegenüber Armen oder anderen Benachteiligten, aber eben individuell und nicht als Gruppe. Kann man das Knie-an-Knie-Treffen zwischen Selenskyj und Trump in Rom auch so interpretieren, dass es Auge-in Auge eben auch Trump schwer fällt, Gemeinheiten zu vertreten, die ihm im Oval Office, umgeben von seinen Vasallen, vor einer Massenversammlung oder in einem Tweed regelrecht Spaß machen.
Was weite Kreise in Westeuropa mitunter an zu viel Moral in der Innen- und Außenpolitik fordern, hat die Trump-Mehrheit in den USA definitiv zu wenig.
Nun habe ich vor den Wahlen in USA und Deutschland auf diesem Blog eine Analyse „Nur 17 Prozent“ veröffentlicht, in der ich die Methoden der fast überall reüssierenden Rechtsnationalisten beschrieben habe, wie sie ein Schleppnetz für alle Unzufriedenen und sektiererischen Außenseiter ohne Rücksicht auf konsistente und realistische Problemlösungen aufbauen und betreiben. Das stößt auch seröse Konservative zunehmend ab und öffnet Karrierepfade für immer radikalere Personen und Ziele; das kann man sehr gut in der Entwicklung der US-Republikaner oder auch der AFD erkennen.
Und die versprochen Problemlösungen appellieren grundsätzlich an den Egoismus der Menschen, denen Vorteile zulasten Dritter verheißen werden, also Minderheiten, Ausländer, Andersgläubige und insbesondere „abgehobenen Eliten“, die „das Volk verraten“. Der deutsche NAZI-Faschismus vor 100 Jahren lässt grüßen.
Da die versprochenen Problemlösungen zulasten Dritter in der Regel in demokratisch rechtsstaatlichen Ordnungen nicht realisierbar sind, ist die in Trump-USA, PIS-Polen, Netanjahu-Israel oder Orban-Ungarn zu besichtigende Strategie an die Macht gekommener Populisten, einen Vorrang der Politik gegenüber dem Recht zu fordern und wie Trump durch Ignorieren der Gerichte zu praktizieren.
Der Druck, das bestehende Recht zu ignorieren, ist umso größer, je schamloser man die Probleme der Gesellschaft im Kampf um die Macht dramatisiert hat, um die allgemeine Unzufriedenheit zu steigern und damit den Erfolg des ausgelegten Schleppnetzes zu fördern. Dem bietet der Populist dann seine eigene kraftstrotzende Führernatur an, was immer wieder verfängt.
Haben dann die gewonnenen Anhänger ihre politische Identität an eine solche Person und Partei gebunden, vielleicht mit Trotz oder gar Stolz auf ihre Eigenständigkeit gegenüber dem „System“, bemerken sie nicht mehr, wie sich der Charakter ihrer Partei verschiebt. Insbesondere glauben wohl viele nicht – oder sie verdrängen es -, was die Parteiführung mit der angestrebten Macht anstellen wird. So hat die PIS in Polen vor ihrem ersten Wahlsieg nicht gesagt, welchen Umbau der demokratischen Ordnung sie plante. Auch Weidel/Krah/Höcke und Kickl verbergen hinter Deutschtümelei, Migrationsstopp und Remigration das Regierungs- und Staatsmodell, mit dem sie als „Volkskanzler“ herrschen wollen.
Wie in Ungarn und USA bestehen die Instrumente faschistoider Rechtsparteien darin, zuerst die seriösen Medien durch Beschimpfungen und Diffamierung als Lügenpresse unglaubwürdig zu machen, ja Hass zu schüren auf ehrliche Journalisten, Andersdenkende und Ausländer. Zu beobachten ist auch der Versuch, reiche Autokraten-Freunde zum Aufkauf kritischer Medien zu bewegen. Schließlich werden auch Gerichte und Richter beschimpft und diffamiert, bis man sie einfach ignoriert wie Trump oder entlässt wie in Polen unter PIS, um gefügige Parteigänger einzusetzen. Ist die Unabhängigkeit wettbewerblich freier Medien auf ein Minimum reduziert wie auch in Russland, ist das Rechtswesen der Regierung unterstellt wie in Russland und Türkei inoffiziell aber effektiv, dann steht der Alleinherrschaft nichts mehr im Wege. Dass die polnischen Wähler 2023 gerade noch die demokratische Kurve gekriegt haben, beruhigt nicht, weil sich die PIS bis heute nicht entscheidend geändert hat; am 16. Mai wird die Präsidentenwahl zeigen, ob sie trotz der gemachten Erfahrung in früheren Amtszeiten wiederkehrt wie Trump. In nächster Zeit wird auch die Entwicklung in Italien und der Slowakei zu beachten sein sowie die Stichwahl in Rumänien am 18. Mai, wo die 41% für den rechtradikalsten Kandidaten in der ersten Runde Schlimmes für die weitere Entwicklung der EU befürchten lässt; ähnlich katastrophal ist der Nachwahlsieg der Farage-Partei sowie die Entwicklung bei den immer radikaleren Konservativen in England.
Haben faschistoide Parteien die Demokratie bis zur Unkenntlichkeit gerupft, bleiben drei Strategien zur Vollendung (bei Putin zu besichtigen):
- die Regierung präsentiert sich als Vollstrecker des reinen, homogenen „gesunden“ Volkswillens
- Opposition wird als Verrat am Volk oder gar Terrorismus geächtet (bei Trump und Erdogan schon Realität)
- Ausland und Ausländer sind grundsätzlich Feinde (Ausnahme: befreundete Autokraten).
Nun könnte man sich die Haare raufen, weil diese Strategien zulasten Dritter zurzeit eher mehr als weniger Anhänger finden. Die Entwicklung nach den ersten 100 Tagen Trumpregierung ist gemischt: Trumps „job approval“ steht bei – 6% (am 6. 5.), Australien und Kanada haben in nationalen Wahlen die Trump-Bewunderer und Imitatoren klar abzuweisen, in Europa ist tragischerweise das Gegenteil zu beobachten, etwa bei Le Pens RN in Frankreich sowie bei AFD in Deutschland und FPÖ in Österreich, die nach den letzten Wahlen sogar noch zugenommen haben, so dass man wieder vor den Deutschen Angst haben muss – auch um die Deutschen!
Man muss schon fragen: Was läuft in Europa so gründlich schief, wo doch jeder sieht, dass man zwischen einem feindlich-aggressiven Russland und den zumindest völlig unzuverlässigen USA nur gemeinsam stark genug ist, Freiheit sowie wirtschaftliche und ökologische Interessen einigermaßen zu wahren?
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