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Koalitionen sind Zweckbündnisse – nie Liebesheiraten

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
16. Juni 2017

Koalitionen sind nie Liebesheiraten, sondern immer Zweckbündnisse auf Zeit. Parteien schließen sie ab, weil sie allein keine Mehrheit im jeweiligen Parlament haben. Deshalb sind selbstverständlich die zu Koalitionen gehörenden inhaltlichen Verträge Kompromisse, die so angelegt sind, dass sich jeder Partner entsprechend seiner Stärke darin wiederfindet. Alle in den Parlamenten vertretenen Parteien sollten in der Lage sein, derartige Bündnisse mit jedem anderen Partner eingehen zu können- mit wenigen Ausnahmen. Dazu gehört die AfD im Bund und in allen Bundesländern. Die rechtspopulistische Partei ist wegen ihrer fremdenfeindlichen, teils antisemitischen und den Islam ausschließenden Haltung isoliert, weder die Union noch die SPD- um nur die Volksparteien zu nennen- sind bereit, mit dieser Gruppierung eine Koalition einzugehen. Für die Linke gilt die Koalitionsfähigkeit nur mit Abstrichen- in Thüringen stellt sie immerhin mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten, zur Koalition gehören SPD und die Grünen. Auf Bundesebene ist die Koalitionsfrage umstritten, außenpolitische Fragen erschweren ein Bündnis mit der SPD.

Dass es jetzt in NRW eine konservativ-liberale Koalition zwischen CDU und der FDP gibt, überrascht nicht. Die beiden Parteien haben schon oft eine gemeinsame Regierung gebildet, in NRW und im Bund und im übrigen auch in anderen Bundesländern. Inhaltlich sind sie nicht weit auseinander. Problematisch war es immer in Fragen der Bürgerrechte. Freidemokraten waren noch nie Anhänger von Vorschriften, die die Rechte des Einzelnen beschneiden, dazu gehört die Überwachung des Bürgers wie der Datenschutz. Zudem waren andere Bündnisse nach dem Wahldebakel der SPD nicht möglich, da die SPD eine Beteiligung an einer großen Koalition ausgeschlossen hatte. Sie geht- und das ist auch gut so- in die Opposition.

Laschet muss Aufbruchsstimmung erzeugen

Armin Laschet wird- bei der Wahl sollte es keine böse Überraschung für ihn geben- der neue Ministerpräsident des Landes NRW. Wer das vor ein paar Monaten prophezeit hätte, den hätte man für verrückt erklärt. Selbst die eigenen Anhänger trauten ihm den Sieg über die angeblich so beliebte Amtsinhaberin Hannelore Kraft nicht zu. Aber das ist Schnee von gestern, der Mann hat die Wahl gewonnen. Die eine Stimme Mehrheit im Landtag müsste reichen. Jetzt wird es darauf ankommen, ob es Laschet und seiner Mannschaft gelingt, eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Die Menschen im Lande müssen spüren, dass sich mit dem neuen Mann auf der Brücke was bewegt. Dabei muss nicht jeder Punkt des Koalitionsvertrages abgearbeitet werden. Laschet hat betont, dass jedes Vorhaben daraufhin geprüft wird, ob es dem Lande nutzt und seinen Bürgerinnen und Bürgern. Sie müssen das Gefühl bekommen, dass es gerecht zugeht in NRW und nicht die Reichen bevorzugt behandelt werden, was mögliche Steuervorteile für „die da oben“ einschließt. Die neue Koalition wird sich um die Problemregionen kümmern müssen, namentlich um die Emscherzone. Dort müssen Zeichen, vielleicht Leuchttürme gesetzt werden, damit die dort lebenden Menschen merken, dass man sie nicht hängenlässt, sondern sich um sie kümmert.

Die FDP sollte gewarnt sein. 2013 flog sie aus dem Bundestag, auch weil die Liberalen mehr zu einer Partei der Besserverdienenden geworden waren. Sie hatten nicht mehr die Interessen der Gemeinschaft im Sinne, sondern nur die ihrer vermeintlichen Klientel. Christian Lindner hat diesen bitteren, aber verdienten Abstieg der FDP erlebt und erlitten. Wenn nicht alles täuscht, werden seine Freidemokraten im September wieder ins Parlament einziehen. Er kann sich auch das gute Abschneiden der FDP bei der Landtagswahl in NRW auf die Fahnen schreiben. Dass es eine Koalitionsregierung mit der CDU unter Laschet gibt, ist auch sein Verdienst. Aber Vorsicht ist für alle geboten. Hochmut kommt vor dem Fall. Heißt: Nicht abheben, sondern Politik im Sinne der Menschen machen, nicht im Sinne der Parteien. Den Menschen muss es besser gehen, dem Land muss es besser gehen, nicht zuerst den Politikern. Demut im Amt gehört dazu, zuzuhören, was draußen nicht gefällt.

Wer abhebt, wird abgewählt

Wer abhebt und die Staatskanzlei zu einer Wagenburg umbaut, an jeder jede Kritik abprallt, wird scheitern, er wird abgewählt werden. So ist es Jürgen Rüttgers 2010 nach nur einer Legislaturperiode passiert. Er hatte zu Jahresbeginn 2010, Monate vor der Landtagswahl, die Parole ausgegeben: Die Wiese ist gemäht. Doch es kam anders. Den Vorschuss, den ihm die Wählerinnen und Wähler bei seiner Wahl 2005 gewährt hatten, konnte er nicht nutzen, er stürzte beim Urnengang 2010 richtiggehend ab. Hannelore Kraft startete mühsam mit einer Minderheitsregierung, zwei Jahre später gewann sie die vorgezogene Neuwahl haushoch gegenüber ihrem CDU-Kontrahenten. Doch sie konnte aus dieser Mehrheit nicht viel machen. Wie urteilte der neugewählte SPD-Landesvorsitzende Michael Groschek: Nicht die Mitglieder der SPD hätten die Wahl verloren, sondern „wir haben die Karre an die Wand gefahren“. Man habe nicht geglaubt, dass Laschet Kraft besiegen könne. Klarer kann man es nicht sagen. Die Arroganz der Macht macht die Regierenden oft genug blind und taub, sie hören nichts mehr und sie sehen nichts mehr.

Der Wechsel gehört zur Demokratie. Dieser Satz passt zur Bundesrepublik. Oft wechselten die Kanzler, die Ministerpräsidenten, die Koalitionen. Hier ein paar Beispiele. Die Union regierte mit der FDP, dann mit der SPD, diese schmiedete Bündnisse mit den Liberalen erst in NRW, dann im Bund, dann stürzte die FDP Helmut Schmidt, wählte Helmut Kohl zum Kanzler. Die FDP hat mitregiert in Hamburg, in Niedersachsen und in Hessen. Die Grünen stellen momentan in Stuttgart, dem einstigen Stammland der CDU, den Ministerpräsidenten, die CDU ist dort der Juniorpartner, in Wiesbaden sind die Grünen der kleinere Partner in einem Bündnis mit der CDU. Die FDP regiert in Mainz zusammen mit den Grünen und der SPD. Und bald die Wechsel in NRW und in Schleswig-Holstein, wo der Amtsinhaber von der SPD, Torsten Albig, kurz vor der Wahl sich derart arrogant über seine von ihm verlassene Ehefrau geäußert hatte, dass es selbst Freunden die Sprache verschlug. Nicht wenige haben das interview des Ministerpräsidenten in der Bunten für ausschlaggebend gehalten. Sei es wie es sei. Albig hat seine politische Karriere beendet, sein Nachfolger wird ein gewisser Daniel Günther, ein neues Gesicht in der politischen Landschaft. Und mehr noch: Es wird in Kiel erstmals eine so genannte Jamaika-Koalition geben, ein Bündnis aus CDU, der FDP und den Grünen, Jamaica deshalb, weil Schwarz, Gelb und Grün die Farben der Insel sind, die sonst nur für ihren Rum und ihre Sprinter berühmt ist.

Jamaika- warum denn nicht

Jamaika- warum denn nicht?! Nach der Niederlage der SPD war dieses Bündnis geboten. Auch wenn die Partner zunächst weit auseinander schienen, am Ende haben sie sich zusammengerauft. So muss das sein. Alles andere hätte der Wähler nicht verstanden und auch nicht gut geheißen. Denn sonst hätte man in naher Zukunft eine Neuwahl ausrufen müssen, was ein Armutszeugnis der handelnden Personen an der Förde gewesen wäre. Auch im Norden haben sie ihre Gemeinsamkeiten gefunden und alte Feindbilder über Bord geworfen. Das spricht für das Verantwortungsgefühl der Politiker. Nun müssen sie, wenn die Wahl des Ministerpräsidenten gelaufen und das Kabinett im Amt ist, im Alltag beweisen, dass sie miteinander in der Lage sind, Politik für das Land und die Leute zu machen. Darauf kommt es an, nicht auf Eitelkeiten. Ob Jamaika mehr wird als ein Bündnis in Schleswig-Holstein oder eine Allianz der Zukunft auch in anderen Ländern oder gar im Bund, man wird es sehen.

Klar ist in beiden Fällen: Die Regierungschefs Armin Laschet und Daniel Günther können im Amt nicht länger die Probleme im Land der SPD, die dann in der Opposition ist, anlasten, dann sind es ihre Probleme, das gilt für die Schulen wie die Straßen wie die Wirtschaft. Und wenn ihre Politik nicht überzeugt, werden sie abgewählt. So ist das guter Brauch in der Bundesrepublik.

 

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