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Katalanische Phantasien: Spaniens Separatisten wählten die Vergangenheit

Volker Mauersberger Von Volker Mauersberger
28. September 2015
katalanien

In Barcelona hat gerade eine Wahl stattgefunden, die für die Zukunft Spaniens dramatische Folgen haben kann. In einem, als belanglose hls Regionalwahl getarnten Plebiszit stimmte eine Mehrheit der Katalanen dafür, dass man möglichst bald unabhängig sein will. Die Separatisten um den amtierenden Ministerpräsidenten Mas eroberten nicht nur die Mehrheit der Sitze, sondern gaben ihrer Regierung den Auftrag, die Abspaltung vom Mutterland Spanien zu forcieren.

Eine Aufkündigung der bisherigen Gemeinschaft verstößt klar gegen die Verfassung. Deshalb ist mit ablehnenden Voten der zuständigen Gerichte zu rechnen. Aber die Botschaft ist klar: Bis zu den Parlamentswahlen, möglicherweise sogar weit über dieses Datum hinaus, wird Spanien über so abwegig klingende Fragen diskutieren, ob Katalonien dereinst mit eigener Polizei eine Grenze zum verhassten Mutterland Spanien haben soll, ob Banken zur Sicherung von Kapitalabflüssen wie in Griechenland ihre Schalter schließen oder ob der neue Staat Katalonien noch Mitglied von EU oder NATO bleiben kann, von der Frage zu schweigen, ob der ruhmreiche FC Barcelona bald in der katalanischen Regionalliga kickt, weil man nicht mehr zu Spanien gehört.

 

Gesetz in Vorbereitung

Das weltoffene Katalonien werde in Europa am Ende der Schlange stehen und nur mit Albanien zu vergleichen sein, spottete der ehemalige Ministerpräsident Felipe Gonzalez: Besonders die nachfranquistische Politikgeneration um König Juan Carlos, den verstorbenen Adolfo Suarez, den Sozialisten Gonzalez und Regierungschef Mariano Rajoy fühlt sich durch das Votum brüskiert. Weil es Regierungspräsident Artur Mas sogar wagte, die „ Legitimität der katalanischen Nation“  über die „ Legalität der Verfassung“  zu stellen und seine Landsleute zu zivilem Ungehorsam aufruft, soll das spanische Oberste Verfassungsgericht ermuntert werden, den widerspenstigen Katalanen-Chef wegen „institutioneller Illoyalität“ abzusetzen. Ein Gesetz ist in Vorbereitung und soll bald verabschiedet werden.

Ob solche drakonischen Maßnahmen ausreichen, einen noch nie erlebten Konflikt zwischen Regional-und Zentralstaat halbwegs zu entschärfen, bleibt zweifelhaft. Das Streben nach völliger Unabhängigkeit scheint heute bei zahllosen Katalanen fast ungebrochen zu sein. Alle Bedrohungsszenarien haben die Entschlossenheit der Separatisten nur gestärkt und werden als Feindpropaganda abgetan. Weil es für die Katalanen am Sonntag angeblich um die „Stimme ihres Lebens“ ging, wie es auf Wahlplakaten der separatistischen Parteienallianz stand, ist die Stimmung zwischen Madrid und Barcelona so unversöhnlich wie noch nie.

Dabei ist dieser absurd wirkende und an mittelalterliche Epochen erinnernde Streit seit vielen Jahren deswegen derart aufgebauscht, weil sich die katalanische Mehrheitspartei um ihren bis dahin noch völlig unbekannten Regierungschef Artur Mas von diesem Thema eindeutig politische Vorteile versprach. Der Konflikt zwischen Barcelona und Madrid hat deswegen nur am Rande mit der wechselvollen Geschichte Kataloniens, dem Niedergang der Republik oder der Unterdrückung durch das Franco-Regime zu tun. Es zeigt eher, wie man in schweren Krisenzeiten eine selbstbewusste Region mit einem Gespinst aus Luftschlössern, Lügen und falschen Versprechungen hochjazzen kann. Artur Mas setzte bei den drei letzten Wahlen in kaum fünf Jahren immer wieder auf die einzige, angeblich entscheidende Frage: Bist Du für oder gegen Madrid? Die Reduzierung auf dieses one-issue-Thema zeitigte Erfolg: Noch wenige Tage vor dem gestrigen Wahlsonntag plädierten zweiundfünfzig Prozent der Katalanen für eine staatliche Unabhängigkeit. Vor kaum fünf Jahren waren es nur siebzehn Prozent. Das zeigt, wie Regionalpräsident Artur Mas seine Anhänger immer wieder mit propagandistischem Trommelfeuer hinter sich versammeln und zum Einheitsvotum gegen den Zentralstaat mobilisieren kann.

 

Emotionaler Separatismus

Dabei ist dieser emotional angelegte Separatismus nach fast vier Jahrzehnten eines fast störungsfreien Föderalismus besonders im Gefolge der Immobilienkrise entstanden , als die Partei „Convergencia y Union“ mit ultimativen Forderungen nach völliger Autonomie und dem bösen Slogan „Spanien raubt uns aus“  zum ersten Mal die Mehrheit bei den katalanischen Regionalwahlen gewann. Plötzlich sah man in Barcelona nur noch die Schuld bei allen Anderen. „Diese sogenannte Unabhängigkeitsbewegung nährt sich aus der anhaltenden Schwäche der Zentralregierung und einem Verteilungskampf um Macht und Geld. Sie ist in einer Krise entstanden, für die wir alle Spanier einzustehen haben. Weil sie das aber ablehnt, ist sie nationalistisch und unsolidarisch“.

So urteilt Joaquin Leguina, dessen Buch „Die zehn Mythen des katalanischen Nationalismus“ viele Monate auf spanischen Bestsellerlisten stand. Der Autor, ein überzeugter Sozialist und nationaler Demokrat, will das Recht der Katalanen auf ihre kulturelle und politische Autonomie, das bis auf das Jahr 1640 zurückgeht, gar nicht bestreiten. Aber er verweist auch unmissverständlich darauf, dass Spaniens Verfassung allen Regionen Rechte zuweise, die von allen Beteiligten einzuhalten seien. Im Übrigen habe sich die katalanische Freiheitsliebe stets an europäisch- universellen Werten wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit orientiert. Das heutige, für ihn provinziell anmutende Beharren auf Nation und Sprache, die öde Beschwörung eines ewigen Selbstbestimmungsrechts sowie die störrische Weigerung, jede Mitschuld der Katalanen an der Krise Spaniens überhaupt zu akzeptieren, empört diesen zentralistisch orientierten Autor zutiefst. Der Ruf nach einer völligen „Katalanisierung Kataloniens“ sei nichts mehr als ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver, das mit nationalistischen Ressentiments auf die unübersichtliche Globalisierung reagiere, anstatt sich wie andere Länder um die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, um die grassierende Schuldenkrise und die wachsende Korruption im Lande zu kümmern.

Wenn Artur Mas seinen Kritkern heute androht, dass er bald seinen Anteil an den spanischen Staatsschulden nicht bezahlen will und kämpferisch prognostiziert, dass alle Einmischungsversuche seine Anhänger nur stärker mache, dann weiß der Mann, wovon er redet . Die Sezession ist in Katalonien längst im Gange. Die Bevorzugung der katalanischen Identität bei Sprache und Kultur ist nach Beobachtungen zahlreicher Kritiker, die sich innerlich längst verabschiedet haben, fast zum Alltag geworden. „Die Sprache ist heute zum Auslesekriterium geworden. Sie ist ein Filter, durch den alle hindurch müssen, die in Katalonien nach oben wollen.“ So urteilt wie viele spanische Intellektuelle, die sich immer wieder gegen die katalanische Präpotenz erhoben haben, auch der Politiker und Publizist Joaquiun Leguina.

 

Muttersprache spanischen

Schon vor einem Vierteljahrhundert habe man während der Amtszeit des langjährigen Ministerpräsidenten Jordi Pujol mit einer offiziösen Umerziehung begonnen und habe das „Gift eines Separatismus“ gelegt, das sich heute immer weiter verbreite. Obwohl in Katalonien die offizielle Muttersprache immer spanisch sei, würden bereits über dreißig Prozent der Befragten einräumen, dass sie  „katalan“ bevorzugen. Es gehe nur noch darum, diese Sprache statt spanisch zur eindeutig bevorzugten Umgangssprache in ganz Katalonien zu machen.

Aber nach der spanischen Verfassung gibt es nur spanisch als erste und verbindliche Muttersprache; auch nur eine Nation sowie eine einzige, für alle gültige Gerichtsbarkeit. Alles andere ist der klare Versuch zur Indoktrination, der von einer politischen „ Kaste“  ausgeht, die viele Kritiker dieses eigenartigen Separatismus längst unter der politischen Elite, aber auch bei zahlreichen Intellektuellen, Künstlern und besonders im Sport ausgemacht haben, wo Bayern-Münchens Trainer Pep Guardiola jede Gelegenheit ergreift, um für ein unabhängiges Katalonien zu werben. Jetzt hatte er sogar die abwegige Idee, sich auf den letzten Platz der separatistischen Einheitsliste zu setzen und damit eindeutig politisch Partei zu ergreifen. Weiß der gute Mann, der angeblich viel in der Welt herumgekommen sein soll, was er da eigentlich tut?

Nur sieben Prozent aller Abgeordneten im katalanischen Regionalparlament sind heute überhaupt noch dazu bereit, Spanisch als sprachliche Alternative zu akzeptieren. Das aber ist nach Meinung des kritischen Autors Joaquin Leguina eine Ausgrenzung, die ihn sogar an die Zeiten unter Franco erinnert. „Am erschütterndsten ist die Unterscheidung in gute und schlechte Katalanen. Eine Grenze, die es seit der Diktatur nicht mehr gab, trennt heute Freunde, Verwandte und Unbekannte. Auch psychologische Einschüchterung ist eine Form von Gewalt. Man misst unsere Katalanität mit infantilen, wenn nicht gar rassistischen Mitteln. Man will von uns wissen, welche Partei wir wählen, welche Fahne auf unserem Balkon hängt und welche Bücher wir kaufen.“

Über die Folgen dieser schicksalhaften Wahl kann man heute nur rätseln. Innerhalb und außerhalb Europas haben die Separatisten mit ihrer Werbung um Anerkennung nur wenig Erfolg. Von Bundeskanzlerin Merkel, über den britischen Premie Cameron bis Francois Hollande und Jean Claude Junker wird Rajoy bestärkt, für ein „einiges, starkes und stabiles Spanien“ zu kämpfen. Den Umschlag vom moderaten „ catalanismo“ alter Prägung in einen neuen militanten Separatismus wird man mit solchen Solidaritätsadressen kaum verhindern. Aber lassen sich globale Probleme, die überall auf der Welt Verunsicherung provozieren, nur noch durch nationale Verhaltensmuster lösen? Nationalisten glauben meist immer, was sie glauben wollen. Katalanische Separatisten erst Recht.

Bildquelle: www.openstreetmap.org

 

 

 

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