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Home Politik

Überraschende Einigung nach Streit

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
14. März 2025
Händedruck zwischen zwei Männerhänden, im Hintergrund eine Personengruppe

Ob es daran liegt, dass Friedrich Merz so viele Jahre außerhalb der Politik verbracht hat? Gemeint, dass er den politischen Betrieb falsch einschätzt? Erst die Grünen verprellen lässt, wissend, dass er sie jetzt braucht, um das Grundgesetz zu ändern, damit er eine Mehrheit bekommt für sein gigantisches Finanzpaket, fürs Militär und die Infrastruktur? Immerhin geht es um eine Billion, nicht Lire, sondern Euro. Ja, und es geht darum,  endlich, mit 69 Jahren Bundeskanzler zu werden. Noch ist er es nicht, auch wenn er so tut und die Medien ihn seit Wochen umschreiben mit „der wohl nächste Kanzler“. Das klingt fast ein wenig nach „hätte, hätte, Fahrradkette“. Stellt doch der Kandidat, der so kurz vor seinem Ziel steht, selbst die Frage: „Ist Scheitern eine ernsthafte Option?“ Möglich, gewiss.

Es sind turbulente Zeiten in Deutschland, in Europa, in der Welt. Ja, auch und vor allem wegen Trump, wegen Putin, weil der Amerikaner mit dem Kreml-Chef ganz offensichtlich Deals plant, ohne Rücksicht auf alte Freunde. Einer wie Trump kennt nur das Geschäft mit Dollars, Freunde sind ihm wurscht. Und in solchen Zeiten will einer wie Merz Kanzler werden. Er könne mit Trump, hat er mal getönt in der Bildzeitung, lange her. Er würde es wohl nicht mehr wiederholen. Die Bundestagswahl hat die Union gewonnen, aus Sicht der SPD ziemlich klar, aber nicht ausreichend, um so regieren zu können, wie er das wohl gewollt haben mag. Also braucht der Sauerländer, der auch ein Domizil am feinen Tegernsee hat, die SPD, um gewählt zu werden. Aber um gewählt zu werden, braucht er zunächst mal die Billion für Infrastruktur und die Verteidigung, doch für das Schuldenpaket braucht er eine Änderung des Grundgesetzes, dafür benötigt er die Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments, und dafür eben neben Schwarz-Rot auch die Grünen.

Rechtlich mag das alles in Ordnung sein, dass der alte Bundestag, der ja noch im Amt ist, dieses Schulden-Paket absegnet. Er würde damit der neuen Regierung die Arbeit erleichtern. Das wirkt dann schon etwas merkwürdig, denn der amtierende Bundestag ist abgewählt, der neue aber noch nicht berechtigt, tätig zu werden. Der alte Bundestag soll das Grundgesetz ändern, damit sich der Staat in einem Maße verschulden kann, wie er das noch nie zuvor getan hat. Der Noch-Oppositionsführer Friedrich Merz benötigt für diese Schulden nicht nur die Stimmen seiner Union, sondern auch die der SPD, die aber noch für ein paar Tage den Kanzler Scholz stellt, und er braucht die Stimmen der Grünen, die mit Scholz die Rest-Ampel bilden mit einem Wirtschaftsminister Robert Habeck, der das Feindbild der CSU abgab, die dem Minister immer wieder bescheinigte, von Wirtschaft keine Ahnung zu haben. Ganz nebenbei beschimpfte Merz einst den Kanzler einen „Klempner der Macht.“

Merz hat Söder nie widersprochen, wenn der gegen die Ampel von Scholz all die Jahre lästerte, die schlechteste Regierung zu sein, die Deutschland je hatte. Und Teile dieser Regierung, eben SPD und die Grünen, sollen nun Merz die Arbeit abnehmen, seinen neuen Schulden zustimmen, damit sie im alten Bundestag eine Mehrheit bekommen. Mehr noch, diese SPD, die von Merz und Söder bekämpft wurde, soll und will jetzt mit, ja unter Merz die Republik regieren. Die Grünen, die dem Schuldenpaket von Merz und Klingbeil zustimmen sollen, würden im nächsten Bundestag in der Opposition sitzen. Ob sie dann den Infrastruktur-Gesetzesvorhaben der Regierung Merz/Klingbeil zustimmen oder Einzelmaßnahmen bekämpfen würde, weiß man nicht.

Ob das Verfahren anständig ist?

Rechtlich ja, aber ist es auch legitim, ist es anständig, wenn dieser Begriff in diesen Zeiten überhaupt noch gebraucht werden darf? Man muss kein Freund der Grünen und der Linken sein, um das gewählte Verfahren als mindestens zweifelhaft zu bezeichnen. Schnell noch einmal den alten Bundestag einberufen, weil die neue Regierung Merz/Klingbeil, eben Schwarz-Rot im neuen Parlament nicht über die erforderliche Mehrheit verfügt, das hat schon etwas von Trickserei, das ist nicht ganz in Ordnung, das riecht. Jeder, der darüber nachdenkt, macht sich seine Gedanken. Und ja, Friedrich Merz kommt mit dieser unsauberen Taktik ins höchste politische Amt der Bundesrepublik.  Wäre es ein Makel?

„Die alte Ordnung ist noch nicht weg, und die neue Ordnung ist noch nicht da.“ So hat es Lars Klingbeil gesagt, der froh sein wird, dass seine Partei, die ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik eingefahren hat, zunächst mal Ruhe gibt, dass keine Rufe laut werden, nun müsse mal endlich über die Gründe für das Wahl-Desaster der Sozialdemokraten diskutiert werden. Die Debatte, Herr Klingbeil, wird kommen. Sie werden sich stellen müssen als Parteichef, der verantwortlich war für den müden Wahlkampf von Olaf Scholz, und der jetzt dabei ist, aufzusteigen in die Regierung Merz, entweder als Minister oder gar als Vizekanzler. Fraktionschef ist er ja schon geworden, hat den alten Fraktionschef Rolf Mützenich, einen Denker und Nachdenker, beerbt. Ob er ihn zur Seite gedrängt hat, lasse ich mal unbeantwortet. Der Kölner Sozialdemokrat mit den feinen Umgangsformen wird sich dazu nicht äußern, nach Ämtern drängte es ihn nie, sie kamen auf ihn zu. Ein angenehmer Zeitgenosse in diesen eher ruppigen Trump-Jahren, der Fragen stellte nach all der Aufrüstung und der die Fragen nach dem Frieden nie unterschlug.

„Die ganze Welt schaut in diesen Tagen auf Deutschland“. Große Worte des Zwei-Meter-Mannes Merz. In Brüssel sei man erleichtert, dass „Germany is back.“ Als Großmacht? Um die Leerstelle zu füllen, die Trump hinterlassen würde, wenn er die USA wirklich aus Europa, aus Deutschland abziehen würde. Die NATO wäre plötzlich ohne die Weltmacht, wer würde dann Artikel 5 der Nato garantieren im Falle eines Angriffs zum Beispiel Russlands auf ein Mitglied der westlichen Allianz? Die Milliarden fürs Militär werden von den Grünen ja nicht angezweifelt, merkwürdigerweise, denn die Grünen sind längst aufgerückt im Chor der Parteien, das mit dem Pazifismus ist Geschichte, sie wollen regieren, mindestens mitregieren. Wer die Außenministerin Annalena Baerbock all die Jahre hörte, verspürte nichts mehr von dieser Wurzel, auch einer wie Habeck forderte im Wahlkampf eine Aufstockung des Verteidigungs-Etats auf 3,5 Prozent, andere Grünen hatten sich längst zu Militär-Experten gemausert, plädierten lauter als Scholz für schnelle Waffenlieferungen an die Ukraine, damit die sich verteidigen könnte gegen die Weltmacht des Imperators Putin. Verkehrte Welt?

Die Welt ist in Aufruhr

Die Welt ist in Aufruhr, die alte Ordnung dahin. Einer wie Trump hat keine Mühe, einen wie Selenskyi im Weißen Haus zu attackieren, ihm die Schuld am Überfall Russlands auf die Ukraine zuzuschieben und ihn, weil er nicht demütig war und dem großen Trump den Dank verweigerte, rauswarf aus dem Oval Office. Und die Republikaner applaudierten ihrem Trump, als hätte er gerade die Welt gerettet, dabei hatte er sich eher als Verräter gegeben, Verräter der Werte, für die die Vereinigten Staaten mal standen: Freiheit, Demokratie, Gleichheit. Zur Erinnerung: Nach 1945 lehrten  sie die Deutschen, die gerade die Nazi-Diktatur hinter sich hatten, die Demokratie. Jetzt ist es so:  Ein Krimineller als US-Präsident sucht die Nähe zum Kriegstreiber aus dem Kreml. Den alten Westen gibt es nicht mehr. Wer wird jetzt für die Werte des Westens einstehen? Und selbst einer wie Merz scheint den Glauben an den US-Präsidenten verloren zu haben. „Glauben Sie im Ernst“, fragt er, dass die USA weiter zur Nato stünden, wenn die Deutschen und die Europäer nicht endlich mehr täten für ihre eigene Sicherheit? Die geopolitische Lage habe sich dramatisch verändert, einfach so ‚Weitermachen wie bisher sei unmöglich.

Es ist nicht vergessen, dass Friedrich Merz kurz vor der Wahl in München noch die „grünen und linken Spinner“ attackierte, für die er, Merz, keine Politik machen werde, sondern für die Mehrheit.  Und unvergessen ist auch, wie er im Bundestag eine Mehrheit seines Antrags mit den Stimmen der in weiten Teilen rechtsextremistischen AfD in Kauf nahm, obwohl er doch immer wieder jedwede Zusammenarbeit mit der „Nazi-Partei“(NRW-Ministerpräsident Wüst) ausgeschlossen hatte. „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht“, hatte derselbe Merz vom Pult des Parlaments ins Plenum geschleudert. „Ich gehe keinen anderen.“ Und dann dieses Votum mit der AfD. Olaf Scholz hatte Merz das Vertrauen entzogen, weil er den Konsens der Demokraten aufgekündigt hatte. Ja, so war das und so ist das, Herr Merz, wenn man Sie zitiert, also beim Wort nimmt. Auf Nimmer-Wiedersehen hatte Söder dem Robert Habeck hinterhergerufen, weil der mit seinen Grünen nicht der neuen Regierung angehören werde. Und jetzt sollen diese „linken und grünen Spinner“ beidrehen, helfen, die Verfassung zu ändern.

Friedrich Merz glaubt, er könne die Grünen mit dem Versprechen, 50 Milliarden Euro für den Klimaschutz bereit zu stellen, für seine Sache gewinnen. Als wären diese käuflich. Und dass die Grünen, bei denen sich Merz bedankte, ihn auslachten, wen konnte das verwundern? Der Merz-Dank für „außerordentlich gute, sehr vertrauensvolle Gespräche“ löste Heiterkeit im Plenum aus. Ja, was hatten Sie denn erwartet, Herr Merz? Zumal er das 50-Milliarden-Geschenk an die Grünen würzte mit den bekannten Attacken auf die Ampel und fragte dann, weil er Ablehnung spürte auf der Grünen-Seite: „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit? Noch mehr als das, was wir Ihnen jetzt in den Gesprächen der letzten Tage vorgeschlagen haben? Was wollen Sie noch mehr?“

Nicht per Mailbox

Die Frage entlarvt den Großen Merz, weil er offensichtlich nichts verstanden hat. Die Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Hasselmann drückte das so aus: Verhandlungsangebote unterbreite man nicht per Mailbox und auch nicht im Plenum. Es gibt die Möglichkeit der Vier-Augen-Gespräche, der Vertraulichkeit unter den Vorsitzenden, wenn man jemanden umwerben will, weil man ihn braucht. Katharina Dröge setzte dann noch einen drauf aus Sicht der Grünen: Man habe Merz vor der Wahl ein „faires Angebot“ gemacht, die Schuldenbremse zu reformieren. „Sie haben das Angebot mehrfach abgelehnt, aus einem ganz einfachen Grund: Parteitaktik, politisches Kalkül. Wahlkampf. Und Frau Dröge war noch nicht fertig mit Merz: Er sei noch nie in der Lage gewesen, die Interessen dieses Landes an die erste Stelle zu stellen statt seiner eigenen.

Man muss in dieser Debatte nicht, wie es das Fernsehen leider tat, die AfD-Attacken auf Merz von Alice Weidel zitieren. Ein alter Bekannter, früher vielleicht ein Freund, der einst zur Hochzeit mit dem Flieger nach Sylt eilte, Christian Lindner, holte zum Schlag aus gegen den vielleicht Bald-Kanzler. Lindner hat sich nach dem Scheitern der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde aus der Politik verabschiedet und nutzte diese Gelegenheit für seine letzte Rede, eine Abrechnung mit dem CDU-Chef: “ Sie hier vorne in der ersten Reihe: Wer sind Sie und was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“

Ist Scheitern wirklich keine Option? „Wir wollen nicht Geld ausgeben für nichts und wieder nichts“, hat Merz betont. Man wollte ihm glauben. Doch der Schulden-Sündenfall scheint eingepreist zu sein in die Sondierungs-Pakete mit der SPD, ist doch da tatsächlich von der Subventionierung des Agrardiesel, der Restaurant-Besuche und der Mütterrente die Rede und die höhere Pendlerpauschale fehlt auch nicht. Es nützt wenig, wenn Lars Klingbeil dem widersprochen hat. Das „Whatever it takes“ könnte eine andere Wendung nehmen, wie es die Junge Union beklagt hat. „Alles außer Tierfutter“ sei im Sondervermögen enthalten. Am kommenden Dienstag soll der alte Bundestag entscheiden.

Wie ernst es ist mit der ablehnenden Haltung der Grünen zur Schulden-Politik von Merz/Klingbeil machte der Alt-Grüne Joschka Fischer deutlich. Er mahnte seine Grünen. Zwar sei das Verhalten der Union gegenüber seiner Partei unmöglich gewesen, aber wahr sei auch: „Es geht um sehr viel. Das muss klappen, verdammt noch mal!“ Ob Fischer, einst Außenminister unter Gerhard Schröder, Gehör findet bei den jüngeren Grünen? Man darf daran erinnern, dass ihm vor Jahren ein Grüner beim Parteitag in Bielefeld einen Farbbeutel an den Kopf warf und ihm das Trommelfell verletzte. Der Grüne war mit der Außen- und Sicherheitspolitik des Ministers nicht einverstanden.

Doch dann ging plötzlich alles ganz schnell. CDU, SPD und die Grünen hätten sich geeinigt, hieß es am Freitag. Wegen Fischer? Oder hatten sich die Grünen, die in NRW und Schleswig-Holstein mit der CDU, die in Stuttgart den Ministerpräsidenten in einem grün-schwarzen Kabinett stellen und die in Mainz mit der SPD und der FDP  zusammen regieren und dies in aller Ruhe, in Berlin zu Wort gemeldet und grünes Licht gefordert? Möglich. Jetzt scheint der Weg frei zu sein für die Billion fürs Militärische, die Infrastruktur samt Klimaschutz. Und wohl auch für die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler.

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Comments 1

  1. Philipp says:
    9 Monaten ago

    14.03.2025, D. Philipp
    Auf Grund der immer noch hohen Aktualität möchte ich auf den Beitrag vom 18.03.24, Grüne und Krieg — Partei-Austritt des Gründungsmitglieds Ulfried Geuter bitte eingehen dürfen.
    Sehr viele politische Aktivitäten in der Welt sind leider zunehmend davon gekennzeichnet, dass gelogen und betrogen wird nach Strich und Faden. Die Politiker haben längst die Ideale von Vernunft und Demokratie verlassen.
    Sie basteln ihre Scheindemokratie zurecht, betreiben Kriegsgeschrei mit enormer internationaler Aufrüstung und sichern damit eine fanatische Machtbesessenheit. Die Völker sind gegen diese Machenschaften, können aber kurzfristig diese Zustände nicht ändern. Es ist zu hoffen, dass der gesunde Menschenverstand für Änderungen sorgt.

    Antworten

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