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Unfaire Berichterstattung – SZ gegen die SPD

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
21. Mai 2021
SZ Online 21.5.2021

Man muss das Verhalten von Franziska Giffey nicht gutheißen. Man kann es kritisieren, dass sie bei ihrer Doktorarbeit nicht sauber gearbeitet, mag sein geschummelt hatte. Was bisher nicht klar ist. Möglich, dass sie nicht sauber zitiert hat, nicht jedes Zitat kenntlich gemacht hat und so den Eindruck-bewusst oder nicht- erweckte, als sei das alles, was keine An- und Abführungen hat, ihr eigenes Wissen und Können. Man kann fordern, dass sie nicht nur ihr Amt als Bundesfamilienministerin, wie geschehen, abgeben muss, sondern auch ihre Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin im Herbst hätte aufgeben müssen. Man kann die Sache aber auch anders sehen, man kann das eine vom anderen trennen. Der Fall Giffey liegt ziemlich anders als der des Barons aus Franken, Herrn von und zu Guttenberg. Schon vergessen, wie lange der am Stuhl klebte, ehe er die Konsequenzen zog? Ist eigentlich geklärt, inwieweit der CSU-Herr, dem man ja Kanzler-Fähigkeiten zuschrieb, selber Hand angelegt hat beim Fertigen seiner Promotion? Aber beiben wir bei Giffey. Abtreten und wieder antreten, so ähnlich sahen es Kritiker. OK? Andere urteilten milder, hatte sie doch früh angekündigt, sie werde als Bundesministerin zurücktreten, wenn ihr der Doktorgrad aberkannt würde.Sie hat es getan, ehe die Universität geurteilt hat. Und sie hatte den Berlinerinnen und Berlinern zugesagt, dass sie antrete, als Nachfolgerin von Herrn Müller.  Nicht vergessen werden darf die Rolle der Hochschule. So müssen der Freien Universität zu Berlin und  der Doktormutter der Doktorandin gleiche Vorwürfe gemacht werden. Hätte die Arbeit nicht von Anfang an genauer geprüft werden müssen? Hat die Doktormutter etwa nicht richtig hingeschaut, weil es die Arbeit einer Prominenten war?Der Doktorgrad wird von der Uni verliehen- eben. Also muss der Vorwurf des Plagiats doch an die Adresse der Universität gehen. Hätte man dort akkurat gearbeitet, wäre es gar nicht zur Verleihung des Doktorgrads gekommen? Es gibt neben „Magna cum laude“ auch das „Mangelhaft“ als Note.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist die der SPD und der Medien, hier der SZ, deren Abonnent ich seit Jahr und Tag bin, Leser seit Jahrzehnten. Wie groß wäre der Aufschrei der Medien gewesen, hätte die SPD eine neue Familienministerin durchgesetzt? Für vier Monate? Länger dauert die Legislaturperiode nicht, im September wird der neue Bundestag gewählt. Jetzt urteilt die SZ in ihrem Kommentar mit dem Titel: „Ministerin für alles“: „Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Pandemie Familien und Jugendliche an die Grenze ihrer Belastbarkeit geführt hat, entscheidet die SPD, das zuständige Ministerium von Justizministerin  Christine Lambrecht mitbetreuen zu lassen. Durch den Rücktritt von Ministerin Franziska Giffey ist eine Vakanz an der Spitze eines Schlüsselressorts entstanden. Aber die Sozialdemokraten glauben offenkundig, das bisschen Familienpolitik macht sich schon irgendwie von selbst.“ Das Signal, das damit gesetzt werde, sei „fatal: Nicht der Wahltermin darf darüber entscheiden, ob das Ministerium noch Führung braucht, sondern die Lage im Land.“ Theoretisch mag das richtig sein, in der Praxis wäre die Öffentlichkeit über eine solche SPD hergefallen, hätte ihr die Steuergelder Euro pro Euro vorgehalten, die damit vergeudet würden. Und zwar nur, um eine weitere Genossin so kurz vor  Ende der Legislaturperiode schnell zu versorgen. Stimmt nicht? Anderes ist Heuchelei.

Wenn man im Keller ist

Damit nicht genug der Schelte, die ich für unfair halte, ungerecht, mit der eine Partei wie die SPD eben leben muss, weil sie in den Augen vieler Journalisten und Umfrage-Päpste abgeschlagen hinter Grünen und der CDU liegt, ja sogar eingeholt werden könnte von den Liberalen. So ist das, wenn man im Keller ist, verliert, dann hat man schnell keine gute Presse, nicht mal eine, die einfach nur mal Nachrichten aufschreibt,ohne den Genossen noch einen mitzugeben. Zur SPD gehört dann noch ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz, den man kürzlich schon wegen seines Auftritts im Untersuchungsausschuss Wirecard angegriffen und ihm einige Unzulänglichkeiten zugeschrieben hatte. Und über dessen Kampagne es nun heißt: „So ernst kann es ihm also gar nicht sein mit dem Anspruch, die nächste Regierung anzuführen, wenn er die aktuelle nicht komplettiert bekommt.Seine SPD scheint sich nur noch regierungsmüde ins Ziel zu schleppen.“ Drauftreten, wer am Boden liegt?

Wir haben uns im Blog-der-Republik schon mehrfach mit Medien befasst und einige Male mit der SZ, weil sie meiner Meinung nach ihren Kurs verändert hat.Sie hat längst ihre einst moderate linksliberale Richtung verlassen und setzt auf die Mitte, auf die Union und die gewendete Grünen-Partei, die unter Führung von Annalena Baerbock sich anschickt, das Kanzleramt zu erobern. Und wenn es nicht für Platz Eins reicht, dann eben für Schwarz-Grün. Konservativ, bürgerlich,unternehmerfreundlich, ein bisschen Klimaschutz, wie Herr Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, das darstellt, bühnenreif, fröhlich, schick, munter wie Frau Baerbock und Robert Habeck. Armin Laschet wird geschont, der NRW-Regierungschef, er könnte ja eines nicht zu fernen Tages Kanzler werden, wenn die Mehrheit reicht. Da rückt man als Medium besser zur Mitte, öffnet sich Türen.

Die SZ hat ihren Kurs verändert, seit Heribert Prantl nur noch als Kolumnist die Zeitung schmückt und die Leitung des politischen Ressorts in andere Hände gegeben wurde. Es macht sich für den Leser bemerkbar, dass Kurt Kister nicht mehr Chefredakteur ist. Nein, mir geht es nicht um die SPD, darum, sie schönzuschreiben, aber man sollte bei aller Kritik nicht unfair mit der ältesten deutschen Partei umgehen, die Probleme hat, sich neu aufzustellen, die aber gebraucht wird. Wer soll denn den Platz einnehmen, wenn diese Partei weiter abstürzt und sich nicht mehr erhebt? Mehr Demokratie wagen ist keine Forderung aus dem konservativen Lager, sie stammt von Willy Brandt. Wie die Ostpolitik, die Reform der Gesellschaft damals, deren Öffnung. Aufstieg durch Bildung, das war der Ansatz von Brandt und vieles andere mehr wie der blaue Himmel über der Ruhr, die Mitbestimmung, Gleichberechtigung, bessere Löhne. Brandt hätte nicht einfach der Forderung nach neuen Waffensystemen wie den Drohnen  nachgegeben, sondern die Diskussion darüber ausgeweitet. So hat es SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gesagt.  Mag sein, dass am Ende der Debatte, wenn alle Argumente gehört worden sind, die Bundeswehr mit Drohnen ausgestattet wird. Oder nehmen wir die Debatte über die Kosten der Verteidigung, darüber, dass einige unbedingt 2vh des Bruttosozialprodukts in die Verteidigung stecken wollen, Milliarden und Milliarden Euro mehr als heute. Dabei wäre es doch ratsam, erstmal zu überlegen, wofür wir das viele Geld brauchen, erstmal Bilanz zu ziehen, was wir haben, was nicht funktioniert und repariert werden muss, was auf den Müll gehört, um dann zu fragen: Wer oder was bedroht uns? Welche Waffen brauchen wir? Wir brauchen eine europäische Politik, das ist schon richtig. Aber dazu gehört auch, dass wir Russland an den Tisch zurückholen, dass wir mit Putin reden. Ihn zu isolieren, hilft nicht weiter. Ohne Putin schaffen wir keinen Frieden in Syrien, keinen in Jerusalem, keinen zwischen Palästinensern und Juden. Der Kalte Krieg liegt hinter uns.

Die üblichen Verdächtigen

Nochmal zurück zu Giffey und der SPD. Und der SZ. Da liest man unter der Überschrift „Die SPD und das Gedöns“: Eine Nachfolgerin gebe es nicht. „Nun fragen sich viele: Wie wichtig ist ihrer Partei das Thema Familie?“ Und dann folgen die üblichen Verdächtigen in einem langen Text, der einzig gegen die SPD gerichtet ist. Besonders deutlich werde die Opposition, gemeint in diesem Fall Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: „Kinder und Familien, Jugendliche, alte Menschen und Frauen sind alle von der Pandemie betroffen“. Stellt sie fest, nichts Neues. Um dann hinzuzufügen, dass diese genannten Gruppen in den vergangenen Monaten nie im Zentrum der Krisenpolitik gestanden hätten. „Die zuständige Ministerin  Giffey war über weite Strecken einfach abgetaucht“. Das wird einfach so hingestellt, man reibt sich die Augen ob dieses Angriffs. Und dass nun das Ministerium nur noch „mitgemacht“ werden solle, zeige überdeutlich, „dass SPD und Union aus den Monaten der Krise nichts gelernt haben.“ Auch die FDP darf hier mitmischen, wenn man Giffey und der SPD ein paar einschenken will. „Leider hat die Causa Giffey-Lambrecht erneut gezeigt, wie unwichtig die Belange der Familien der Noch-Regierung sind.“ Sagt die FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr und man fragt sich, was eigentlich die FDP mit dem Thema Familie zu tun hat. Eigentlich steht sie für Wirtschaft, Wachstum, Profit, Soziales und/oder Solidarität sind doch Fremdwörter für die heutigen Liberalen.

Es stimmt ja, diese SPD hat Probleme, sich neu aufzustellen. Die immer noch neue Parteiführung wirft Fragen auf. Ja. Aber, dass Kanzlerkandidat Olaf Scholz eine ziemlich gute Figur macht, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Er mag in gewisser Hinsicht hanseatisch dröge sein, aber er kann Politik, er hat Erfahrung. Als Conferencier kandidiert er ja nicht. Und über das Wahlprogramm der SPD des Olaf Scholz lohnt sich zu streiten. Es geht dabei auch um eine gerechtere Politik.

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Tags: GiffeyMedienkritikSüddeutscheSZSZ gegen SPDSZ polarisiert gegen SPD
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Comments 1

  1. Reinhard Müller says:
    5 Jahren ago

    Nur drei Punkte zur Erinnerung bzgl. der Lobhudelei über Olaf Scholz:
    1. G 20 Gipfeldesaster in Hamburg 2017,
    ( Kein Geringerer als >>> „Die Hamburger Morgenpost“ gab Scholz unter anderem wegen seiner Äußerungen zu G-20 in ihrem „Jahreszeugnis“ die Note „5+“.[50] <<< , Quelle WIKIPEDIA )
    2. CUM EX – Skandal,
    3. Wirecard Skandal
    Wenn es "eng wird" für diesen Herren, dann hat er immer große Gedächtnislücken, ansonsten scheint er nie um eine Ausrede verlegen zu sein ! ! ! Braucht Deutschland bzw. die SPD so einen Kanzler / K.kandidaten ?
    Ohne Helmut Schmidt, Björn Engholm, Martin Schultz und anderen zu nahe treten zu wollen, aber seit Willy Brand hat die SPD meiner Meinung nach keinen richtig guten, vergleichbaren Spitzenpolitiker mehr hervorgebracht, dieser würde sich wohl Angesichts der desolaten Hilflosigkeit im Grabe umdrehen.
    Im Übrigen teile ich ihre Meinung und Einschätzung zum obigen Artikel (bis auf eben diese Aussage zu O.Scholz) voll und ganz, sowie auch vielen anderen, gut recherchierten Beiträgen.
    Mit freundlichen Grüßen, Reinhard Müller, Zwenkau / Leipzig

    Antworten

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