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Hitler wollte die „Vernichtung Polens“ und Stalin hatte nichts dagegen – Keine Reparationen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
8. Oktober 2022
Plakat zur Ausstellung Potsdamer Konferenz

2022, 77 Jahre nach dem Ende des schlimmsten aller Kriege, fordert Polen, genauer die polnische Regierung Reparationen von Deutschland. In Billionen-Höhe. Man weiß in Warschau, dass man de jure keinen Anspruch darauf hat, aber man weiß auch, dass man damit die Stimmung im Lande anheizen kann. Im nächsten Jahr sind Wahlen und da kann man mit diesem Thema gut punkten. Völkerrechtlich sei alles erledigt, liest man immer wieder. Durch die Potsdamer Konferenz 1945 und die Verträge im Zusammenhang mit der deutschen Einheit, gemeint 2 plus 4. Aber moralisch? Bleibt Deutschland wegen der Verbrechen der Nazis an Millionen Polen „der ewige Schuldner“? Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem kürzlichen Besuch derartige Forderungen zurückgewiesen. Motto: Es sei alles geklärt, Polen habe keinerlei Ansprüche. Wirklich?

Man sollte noch einmal in die Geschichte schauen und nachlesen, was alles passierte, damals nach dem 1. September 1939, als Hitlers Flugzeuge im Morgengrauen die ersten polnischen Dörfer in Schutt und Asche legen ließ. Vor der Generalität, lese ich bei Heinrich August Winkler, habe Hitler am 22. August 1939 auf dem Obersalzberg die „Vernichtung Polens“ als Grund des Kriegs genannt. „Ziel ist die Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie“. Der Führer, so der deutsche Historiker, der die Quelle des nächsten Zitats durchaus glaubwürdig nennt, habe dem hinzugefügt, er habe „einstweilen nur im Osten“ seine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, „unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen. Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?“Winkler zufolge durfte sich Hitler der breiten Unterstützung der Armeeführung sicher sein.

Mord und Totschlag

Der Krieg von Nazi-Deutschland gegen Polen war von Anfang an ein rassischer Vernichtungskrieg, urteilt der angesehene Berliner Professor. Die Ausrottung der in Polen lebenden Menschen einschließlich der dortigen Millionen Juden war beschlossene Sache. Die Wehrmacht habe von diesen Plänen schon seit Kriegsbeginn gewusst. Mord und Totschlag, Vergewaltigung jüdischer Frauen, Städte und Dörfer wurden in Brand gesetzt. Die Schilderungen der Invasion deutscher Soldaten, ihr brutales Vorgehen, all das kann man kaum in Worte fassen. Als Spitze der Brutalität nenne ich das KZ Auschwitz in der Nähe von Krakau, wo die Nazis und ihre Helferinnen und Helfer über eine Million Juden umbrachten, vergasten, erschossen, zu Tode prügelten. Und die polnische Hauptstadt Warschau, die man noch im Oktober 1944, als der Krieg schon verloren war für die Deutschen, durch die Wehrmacht und die Waffen-SS fast völlig dem Erdboden gleichmachte. Heinrich Himmler, Reichsführer SS und beauftragt mit der Verwirklichung der Pläne Hitlers in Polen, wollte die polnische Bevölkerung, so weit sie überlebte, nicht über den Status eines Helotenvolkes hinausgelangen lassen, also „keine höhere Schule für die Polen, nur einfaches Rechnen, das Schreiben ihres Namens, nicht mehr, eine Lehre, dass es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein. “ Historiker gehen von mehr als fünf Millionen getöteten polnischen Staatsbürgern aus, rund zwei Millionen wurden versklavt oder verschleppt als Zwangsarbeiter. Gemessen an der Einwohnerzahl erlitt Polen die meisten Verluste.

Man redet leicht von Wiedergutmachung und nennt Milliarden, gleich in welcher Währung. Aber geht das überhaupt, kann man so viele Verbrechen wieder gut machen? Die Demütigungen eines Volkes durch einen Nachbarn, der sich in einem Zustand geistiger Umnachtung als Herrenmensch betrachtete, der sich alles, wirklich alles leisten durfte, der alles Schlimme dem anderen antun durfte. Der wie selbstverständlich mit der Peitsche andere vor sich her jagte, sie in die Knie zwang und sie notfalls tötete.

Deutschland zahlte vergleichsweise wenig Reparationen. Frankreich erhielt 400 Millionen DM, auch mit anderen westlichen Nachbarn erzielte Adenauer preiswerte Abkommen, die sich insgesamt auf eine Milliarde DM beliefen. Auch mit Israel und den jüdischen Überlebenden des Holocaust erzielte der erste deutsche Kanzler Übereinkünfte. Staaten des Ostblocks erhielten- nichts. Polen zum Beispiel wurde Opfer der Entscheidung der Alliierten der Potsdam-Konferenz 1945, weil sie sich in diesen Fragen an die Sowjetunion halten musste. Das war der Deal, schreibt die SZ in einem Beitrag zu Deutschlands Schuld gegenüber Polen. Weil die Sowjets es so wollten. Hatten sie Sorge, dass man im anderen Fall irgendwann mal über die Rückgabe jener Gebiete werde reden müssen, die sie selber den Polen abgenommen hatten? Tatsache ist, dass sich Hitler und Stalin damals einig waren, die beiden Diktatoren hatten das Land aufgeteilt.

Moskau hatte das Sagen

Es ist wahr, dass Polen freiwillig nach 1945 nicht auf Reparationsforderungen verzichtete. Wie auch, Polen war Teil des Warschauer Paktes, das Sagen hatte Moskau, das zusätzlich darauf verweisen konnte, dass die Rote Armee die Nazis aus ihrem Land vertrieben hatte wie zuvor aus der eigenen Heimat. Dass der Westen vergleichsweise milde umging mit der BRD, mag zusammenhängen mit dem neuen Feindbild der Amerikaner kurz nach 1945. Da brauchte man die Deutschen im Westen gegen den Kommunismus, der sich ja an der innerdeutschen Grenze als neue Gefahr aufgebaut hatte. Und keine Anstalten machte, sich zurückzuziehen. So war das Bild vom Russen, der in Berlin stand und angeblich die Weltherrschaft anstrebte. Und die Reparationen wurden bis zu einem Friedensvertrag ausgesetzt, den es aber in der Form nie gab. Deshalb der Zwei-plus-Vier-Vertrag 1990, aus dem sich ergibt, dass die Reparationsfrage nach dem Willen der Vertragspartner- also der vier Siegermächt USA, Frankreich, England, UdSSR und der beiden Deutschlands-nicht mehr geregelt werden sollte. Der polnische Ministerrat verzichtete 1953 ebenso wie die Sowjetunion, so lese ich in der SZ, auf deutsche Kriegesreparationen und Polen bestätigte dies 1970. (Unabhängig davon wurden später in den 90er Jahren bilaterale Abkommen unterzeichnet, die z.b. Entschädigungen für Zwangsarbeiter und Überlebende des Holocaust enthielten. Dazu gehört auch eine in der rot-grünen Regierung von Kanzler Gerhard Schröder(SPD) gegründete entsprechende Stiftung, geleitet von Otto Graf Lambsdorff).

Grenzfrage einvernehmlich

Ob es einen Unterschied macht, ob ein Vertragspartner etwas freiwillig unterzeichnet oder unter Zwang, wie etwa Polen durch die Russen? Völkerrechtlich mögen die Polen keine guten Karten haben, aber politisch ist das Thema natürlich nicht vom Tisch, wie man jetzt gerade wieder gesehen hat. Die Debatte über die deutsche Vergangenheit mit Polen wird so schnell nicht beendet sein. Die Vertriebenenverbände hierzulande spielen zwar keine Rolle mehr, auch die Grenzfrage ist einvernehmlich geklärt. Polen und Deutsche sind Nachbarn, wir sind in der EU und der Nato, die Interessen beider Länder decken sich in vielerlei Hinsicht. Polen ist zu Recht in Sorge wegen des Kriegs, den Putins Russland gegen die Ukraine führt, Polens Nachbarn. Sie wären, weitete sich der Krieg gen Westen aus, die nächten, die angegriffen werden könnten. Und Polens Nachbar ist Deutschland. Man darf an Willy Brandt erinnern, der vor 30 Jahren gestorben ist und der als Kanzler in Warschau auf die Knie sank, um der deutschen Verbrechen zu gedenken, ausgerechnet er, der selber vor den Nazis fliehen musste. Es war Brandt, der gesagt hat, wir wollen ein Volk von guten Nachbarn sein. Nicht vergessen sollte man auch das Wort von Vaclav Havel, Präsident von Tschechien, Opponent des kommunistischen Regimes: die Vertreibung der Deutschen sei ein Verbrechen.

Die deutsch-polnische Geschichte hört mit dem Kriegsende nicht auf, sie verläuft zum Glück bei allem Streit über Reparationen friedlich. Vielleicht reden die Regierenden in Berlin und Warschau nach der polnischen Wahl darüber. Ein Fonds, wie es ihn damals gegeben hat, wie oben erwähnt, wäre ein Anfang, ein Akt des guten Willens, um Opfern zu ihrem späten Recht zu verhelfen. Um anzuerkennen, dass ihnen Unrecht geschah, schlimmes Unrecht. Wieder gut machen kann man das millionenfache Verbrechen der Deutschen an den Polen nicht.

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