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Wir brauchen Einwanderer – Streit um leichtere Einbürgerung

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
2. Dezember 2022
Deutscher Reisepass

Deutschland braucht Einwanderer. Das sagt nicht die böse SPD oder die Grünen, das sagen, das fordern seriöse Institute mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt. Und sie weisen auch auf die alternde deutsche Bevölkerung hin. Deshalb sollte man Einbürgerung erleichtern, meint die Ampel-Regierung in Berlin und bekommt die Zustimmung der Arbeitgeber. Eigentlich sind die Bosse eher auf der Seite der Union zu finden. Aber selbst das lässt die Union ziemlich kalt. Sie ist dagegen, weil sie in der Opposition ist. Und einer wie CSU-Landesgruppenchef Dobrindt ist ja ohnehin mehr auf Krawall gebürstet, also polemisiert er gegen die Pläne, man dürfe die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verramschen. Das ist ein ziemlicher Blödsinn des CSU-Mannes und liegt sogar unter dem Niveau bayerischer Stammtische.

Wir brauchen Zuwanderer. Mindestens 400000 pro Jahr, um den augenblicklichen Bestand an Arbeitskräften zu erhalten. Ohne ausländische Arbeitskräfte wäre jetzt schon die Pflege in den meisten Krankenhäusern nicht zu leisten. Man frage mal in den Krankenhäusern nach, wie es um die besetzten und offenen Stellen steht, man frage nach, wie viele Krankenschwestern Migrationshintergrund haben. Ohne Migranten würden ganze Branchen in der deutschen Wirtschaft am Boden liegen. Ohne Migranten fehlten der Bundeswehr Tausende von Soldaten. Und wir wollen doch- Stichwort Zeitenwende- die Bundeswehr wieder ausbauen, damit sie schlagkräftig wird, um ihrem Verteidigungsauftrag gerecht zu werden. Wir brauchen dafür mehr Soldaten, auch Zuwanderer. Friedrich Merz weiß das doch alles, er kennt doch die Debatte, die immer wieder überfrachtet wurde mit ausländerfeindlichen Tönen. Ziemlich unchristlich. 

Wenn wir in die Fußball-Bundesliga schauen oder uns die Aufstellung unserer Nationalmannschaft vergegenwärtigen, sehen wir, dass fast jeder zweite Kicker ausländische Wurzeln hat. Oder glaubt jemand, dass der Dribbelkönig des FC Bayern, Musiala, der zuletzt das Ausgleichstor gegen Spanien vorbereiten half, aus dem Ruhrgebiet stamm oder dem bayerischen Wald? Oder nehmen wir die Biontech-Gründer Sahin und Türeci, ohne die wir in der Corona-Pandemie ziemlich alt ausgesehen hätten.

Ausländer und Wertschöpfung

Es kann doch nicht das Problem sein, die Einbürgerung um drei Jahre auf dann fünf Jahre zu verkürzen. Die Menschen leben hier, sie arbeiten hier, sind aktiv beteiligt an der Wertschöpfung, ihre Kinder gehen in deutsche Schulen, nach dem Abitur studieren sie in Hamburg, München, Bonn oder Berlin. Dass sie einen deutschen Pass früher erhalten sollen, liegt auch im deutschen Interesse. Wer anders argumentiert, entlarvt sich als Heuchler. Dem vermeintlich guten Ausländer, also Musiala und Sahin, wird der Pass am liebsten sofort gewährt, den anderen nicht. Weil sie weniger gut, weniger prominent sind? Nicht für meinen Lieblingsklub die Buden machen? Es ist ganz billige Polemik, populistisch liegt man da auf einer Höhe mit der rechtsradikalen AfD. Deutschland den Deutschen. Oder, um noch einmal an den unsäglichen Roland Koch aus Hessen zu erinnern und seine Unterschriften-Kampagne 1999: Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben? Schon vergessen? Dazu passte damals, als es um eine Spenden-Affäre ging, die Sache mit den jüdischen Vermächtnissen. 

Die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft ist kein Gnadenakt, für den sich der ausländische Bewerber anschließend knieend bedanken müsste. Mit der Erleichterung der Einwanderung passen wir im übrigen unsere Regeln denen des befreundeten Auslands an. Und mit diesen Ländern stehen wir in Konkurrenz um Arbeitskräfte, um Zuwanderer, auch um qualifizierte. Wir sollten deshalb einen anderen Ton wählen und weniger herablassend uns dem Thema widmen. Die Zuwanderer werden nämlich auch Ihren und meinen Lebensstandard mit sichern helfen, sie werden Ihre wie meine Rente in dieser sehr alten deutschen Gesellschaft mitfinanzieren. Wir allein würden das gar nicht schaffen.

Jeder Vierte hat Migrationshintergrund

Ja, mehr als 21 Millionen Menschen in der Bundesrepublik haben, wie es neudeutsch heißt, Migrationshintergrund, Jeder vierte in Deutschland lebende Mensch hat demnach ausländische Wurzeln. Die weitaus meisten von ihnen tragen zur Wertschöpfung bei, bezahlen Steuern und Abgaben. So ist das in Europa, das mehr und mehr zusammenwächst, hier leben einstige Türken neben einstigen Italienern, Jugoslawen, Griechen, Indern, Menschen aus Afrika, Afghanistan, Syrien. Ja, wir müssen die Integration verstärken, damit sie möglichst schnell die deutsche Sprache lernen. Das ist nämlich für die Zukunft die halbe Miete. Und bitte nicht den Unsinn wiederholen, wir könnten nicht alle Zuwanderer aufnehmen. Es wollen beileibe nicht alle zu uns. Auch das Argument, sie wanderten nur in unsere sozialen Sicherungssysteme ein, ist falsch. Wir brauchen sie, das ist die Wahrheit.  

Und natürlich erwarten wir von den Zuwanderern, dass sie sich zu unserer freiheitlich demokratischen Verfassung bekennen. Es ist die beste, die dieses Land je hatte. Der Ausländer, der zu uns kommt, erwartet im Gegenzug Respekt, Anerkennung in Anlehnung an unsere Verfassung. Ich erinnere mich, dass Bundespräsident Johannes Rau in seiner kurzen Ansprache nach seiner Wahl 1999 das Grundgesetz, Artikel1, Absatz 1 zitierte: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und Johannes Rau betonte, es heiße bewusst die Würde des Menschen, nicht nur die Würde des Deutschen. So ist es. 

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