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Es ist so weit: Rot und Schwarz einigen sich

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
9. April 2025
Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag mit den vier Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD: Söder, Merz, Klingbeil und Esken (von link nach rechts)

In diesen turbulenten Zeiten muss man damit zufrieden sein, dass sich die einstigen Konkurrenten, die sich im Wahlkampf hart attackiert hatten, nun auf einen Koalitionsvertrag verständigt haben. Das allein ist schon ein gutes Ergebnis, zumal wenn man bedenkt, dass die zwei wichtigsten Männer, Friedrich Merz und Lars Klingbeil alles andere als unumstritten sind. Der Unions-Kanzlerkandidat, CDU-Partei- und Fraktionschef, hatte gemessen an seinen Ansprüchen ein eher mäßiges Wahlergebnis erzielt. Und der jetzige SPD-Chef und eigentliche Wahlmanager des Verlierers und Bald-Ex-Kanzlers Olaf Scholz muss verkraften, dass die älteste deutsche Partei ihr schlechtestes Wahlergebnis ever erzielt hat. Und doch bilden beide Parteien unter ihren amtierenden Vorsitzenden in Kürze eine neue Regierung.

Dafür haben Union und SPD mit ihren vielen Unterhändlern lange verhandelt, gestritten, gerungen und am Ende ein Koalitionsbuch unterschrieben von 140 Seiten. Darin stehen viele Absichten, Forderungen, Wünsche, Kompromisse, weil sich ja alle drei Parteien, CDU, CSU und SPD in diesem Buch wiederfinden müssen. So ist das in einer Demokratie, in der keine Partei über die absolute Mehrheit verfügt, so ist das in einer Regierungs-Allianz, in der jeder den anderen braucht. Merz allein hat nicht die Mehrheit, Söder und Klingbeil auch nicht. Jeder muss nachgeben, jeder muss wissen, was er dem anderen zumuten kann. Jeder der Koalitionäre muss aber auch wissen, dass sie alle zum Erfolg verdammt sind. Niemand darf in diesem Rennen verlieren, jeder muss gewinnen, dann sind auch die Anhänger der Parteien zufrieden. Und vielleicht noch mehr, wenn die Koalitionäre daran denken, dass die bitte schön keine Parteipolitik betreiben dürfen. Es muss Politik fürs ganze Land gemacht werden, für das Dorf, die Stadt, für Junge wie Alte, Studenten wie Unternehmer, Arbeitnehmer, Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger.

Nur gemeinsam wird es ein Erfolg

Wenn einer der Koalitionäre den anderen düpieren will, wird die Sache scheitern. Wenn einer immer Recht behalten will, haben am Ende alle Unrecht und die Nummer ist durch. Die Ampel-Regierung unter Scholz, Lindner und Habeck ist daran gescheitert, dass man sich einigte und eine Stunde später ging der Streit weiter. Die Ampel ist auch daran gescheitert, dass Olaf Scholz zu wenig Führungsstärke zeigte und seinen Mitregenten den Spielraum überließ, den sie nicht hatten, weil jeder für sich spielte und jeder nie den gemeinsamen Erfolg im Auge hatte. Nur gemeinsam kann eine Koalition am Ende erfolgreich sein.

Die Zeiten sind nicht einfach, zugegeben. Wir haben Krieg in der Ukraine und einen Kriegstreiber in Moskau, Putin, mit dem offensichtlich nicht zu reden ist, zumindest nicht über ein Ende des Krieges. Putin will ganz offensichtlich keinen Frieden. Also muss Europa rüsten, um die Ukraine zu unterstützen. Deutschland muss aufrüsten, wenn man so will nachrüsten, weil man jahrelang die Bundeswehr vernachlässigt, ja in Grund und Boden regiert hat. Sodass wir nach Meinung der Generäle militärisch nackt dastehen. Es muss aufgerüstet werden, es muss viel, sehr viel Geld bereit gestellt werden, damit die Bundeswehr wieder ein Fakt wird. Nicht um einen Krieg vom Zaun zu brechen, sondern um einen möglichen Gegner abzuschrecken. Dafür und für die nötige militärische Erstarkung Europas haben sich die Koalitionäre auf ein Sondervermögen von über 500 Milliarden Euro geeinigt, wobei diese schon erschreckend hohe Summe nicht das Ende sein muss. Es kann noch viel teurer werden. Es ist es mir wert, die Bundesrepublik ist es wert, dass man sie verteidigt, dass man die Demokratie verteidigt, unsere Freiheit, die Presse- und Meinungsfreiheit, dass wir uns als wehrhafte Demokratie erweisen gegen einen Feind, der rechts steht und der auch in den Parlamenten sich breit gemacht hat, der im Berliner Bundestag die zweitstärkste Fraktion stellt, die nur darauf wartet, dass die neue Regierung Schwäche zeigt, damit sie sie stürzen und ablösen kann. Das darf nicht passieren. Die Regierung Merz/Klingbeil muss erfolgreich sein, sie muss beweisen, dass sie das Land führen kann.

Die Koalitionsvereinbarung enthält viele Pläne und Wünsche, damit das Land wieder nach vorn kommt, damit die Wirtschaft ins Laufen kommt, die Stimmung in der Republik sich ändert. Ein Ruck muss durch dieses Land gehen, er muss uns alle mitreißen. Wir müssen die Probleme in den Griff bekommen, die Millionen Menschen müssen spüren, dass sich was ändert in diesem Land, dass die Schulen überholt werden und die Universitäten, die Brücken und Straßen saniert werden, dass die Digitalisierung endlich geschieht, damit Bürokratie abgebaut und alles schneller geht. Es kann doch nicht sein, dass bei uns alles um Jahre länger dauert wie in Frankreich. Die Wirtschaft muss ins Rollen kommen, wir brauchen einen Aufschwung wie in besten Zeiten. Natürlich kann das gelingen, es muss gelingen, wenn wir nur alle wollen, wenn wir alle anpacken. Wenn es der Wirtschaft besser geht, wird es auch den Beschäftigten besser gehen, weil die Arbeitnehmer doch von den Gewinnen ihrer Firmen profitieren.

Hut ab vor den Grünen

Damit dies alles in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht wird, dafür haben die Koalitionäre beschlossen, weitere 500 Milliarden Euro Schulden zu machen. Was heißt Schulden? Das Geld soll ja in die Infrastruktur investiert werden, damit daraus Aufträge passieren, Gewinne, Arbeit, die sich lohnt für jeden. Dass diese Riesen-Summen überhaupt ermöglicht werdend, dafür haben alle Demokraten im Deutschen Bundestag gestimmt, auch die Grünen. Gerade sie, die im Wahlkampf von der Union, von Merz und besonders Söder heftig angegriffen, ja diffamiert wurden, haben im Vorfeld dieser Koalitionsvereinbarungen ihre staatspolitische Verantwortung gezeigt. Hut ab! Und diese Grünen werden ja weiter gebraucht, nicht nur in der Opposition, sondern über ihre Regierungsverantwortung im Bundesrat. Schließlich regieren die Grünen in NRW und Schleswig-Holstein, in Rheinland-.Pfalz und in Baden-Württemberg mit der CDU und der SPD zusammen. Und viele Gesetzesvorhaben, die in den Koalitionsvereinbarungen enthalten sind, bedürfen der Zustimmung der Länderkammer. Das gilt zumal für alle Gesetze, die sich mit der Steuerpolitik befassen.

Die Koalitionäre haben über die künftige Flüchtlings-Politik gerungen. Dafür haben sie Stunde um Stunde beieinander gesessen, um auszutarieren, was nötig ist und was geht. Dass auf diesem Feld die größten Differenzen sind, war seit langem bekannt. Sie haben sich am Ende geeinigt. Wir sollten uns hier wie in anderen Feldern Einzelheiten ersparen. Wir brauchen Lösungen, die machbar sind auch im europäischen Kontext. Wir sollten gerade in diesem Bereich auf die Kommunalpolitiker hören, die haben ihre täglichen Erfahrungen im Umgang mit der Migration. Das betrifft die Kindergärten, die Schulen, den Wohnraum, den Arbeitsplatz, die Integration. Letzteres muss verstärkt werden, damit Geflüchtete nicht als Problem angesehen werden, sondern als Menschen, die hier willkommen sind, die wir brauchen als Arbeitnehmer bei VW, in der Pflege, im Krankenhaus, überall. Damit wir den Fremdenfeinden das Heft des Handelns aus der Hand nehmen.

Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun. Das sagen sie eigentlich alle, vor allem, wenn wir wieder Bilder sehen von Myanmar nach dem schrecklichen Erdbeben, oder anderen Teilen der Welt, wo gerade ein Taifun eine Gegend verwüstet. Wenn wir an die liebliche Ahr denken, die vor wenigen Jahren wie ein furchtbarer Strom alles mit sich riss und viele Menschen den Tod fanden. Ja, Klimaschutz bedeutet, das Leben zu ändern, weniger Auto zu fahren, am besten elektrisch, oder besser zu Fuß zu gehen, mit der Straßenbahn zu fahren, die Ölheizung auszuwechseln. Aber Halt! Da war doch das mit dem Heizungsgesetz von Habeck, gegen das der Boulevard polemisierte und den Eindruck erweckte, als wollte der Grünen-Minister alle Bürger dazu zwingen, ihre Heizung sofort gegen eine neue auszutauschen, die natürlich umweltfreundlich heizt. Da ist viel Heuchelei im Spiel. Es sollte sich ein jeder Bürger und jede Bürgerin an die eigene Nase fassen, wenn Städte daran gehen, den Autoverkehr möglichst aus der Stadt zu verbannen. Geht nicht, unmöglich, wird gerufen, protestiert. Um beim nächsten Hochwasser in der Nachbarstadt zu fordern, jetzt müsste aber endlich mehr für den Klimaschutz getan werden. Was meinen Sie, wie dieselben Leute aufschreien, wenn dann eine Umweltabgabe verlangt wird.

Papiere sind geduldig

Es wird gewiss Stimmen geben, die dies und das in den Papieren, die ich ein Buch genannt habe, vermissen. Nichts ist vollkommen. Papiere sind geduldig. Eine Legislaturperiode dauert gewöhnlich vier Jahre. Es kann, wie wir in der abgelaufenen Periode erfahren mussten, vieles passieren, wodurch die geplante Politik über den Haufen geworfen wird. Olaf Scholz hatte den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht auf seiner Agenda. Der Überfall geschah und alles wurde anders, das billige russische Öl musste durch teure Energie aus den arabischen Ländern ersetzt werden. Der Westen reagierte auf Putins Krieg mit Sanktionen. Alles wurde anders, teurer, und doch haben wir die Winter überlebt, ohne zu frieren. Überhaupt muss man der Regierung Scholz attestieren, dass sie es im Rahmen der Möglichkeiten gar nicht so schlecht gemacht hat.

Zu diesen Unwägbarkeiten kommt noch das Ungewisse aus Amerika. US-Präsident Trump erweist sich nicht länger als Freund des Westens, schon gar nicht von Europa und Deutschland scheint ihm wie vieles andere auch egal zu sein. Entscheidend für ihn ist der Deal zum Vorteil Amerikas. Das ist sein Punkt: Make America great again. So erhebt er Zölle und plagt die Welt damit, auch sein eigenes Land. Die Frage wird sein, was er aus Amerika macht? Er regiert ja per Dekret, am Parlament vorbei, demokratisch ist das nicht, was er so treibt. Trump ist unberechenbar, an den Börsen kann man ablesen, wie der ganze Erdkreis in Turbulenzen gebracht wird. Durch einen Mann.

Darauf muss sich Friedrich Merz einstellen. Amerika ist nicht mehr unser Verbündeter. Wir müssen uns um unsere Sachen selber kümmern, gerade auch um unsere Sicherheit. Europa muss stark werden, weil jedes einzelne Land, gleich ob Deutschland, Frankreich oder England, zu klein ist, um sich gegen Russland, China oder Amerika zu behaupten. Die wirtschaftliche Lage ist nicht rosig, durch Trumps eigenmächtiges Verhalten wird sie nicht besser. Niemand kann sagen, wie es in einem Jahr wird. Wir können nur hoffen. Dass die Stimmung im Lande sich bessert, dass wir aus dem Jammertal herauskommen, dass die Menschen merken, dass die Regierung Merz/Klingbeil Politik in ihrem Sinne macht. Damit es den Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besser geht, dass sie die Angst um ihren Job verlieren, dass sie mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und in ihrem Leben finden und sich nicht länger sorgen, dass sie absteigen könnten, dass die Rentnerinnen und Rentner sich sicher fühlen, dass die Unternehmer die Ärmel aufkrempeln, damit ihre Firma in Schwung kommt. Zum Wohle des Landes. Wer will, kann das alles dann den geforderten Politik-Wechsel nennen. Hauptsache, es funktioniert.

Von Altkanzler Kohl wissen wir, entscheidend ist, was hinten rauskommt.

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