„Ein Jahresrückblick ist eigentlich immer stark mit der Hoffnung auf eine bessere Zeit verknüpft“, beginnt die Journalistin Stefanie Rohde ihre Würdigung der Cartoons des Jahres 2025 von Heiko Sakurai, zusammengestellt in einem feinen Buch mit dem Titel „Der Triumphator“, gemeint Friedrich Merz. Aber Merz triumphierte ja nur in der Form, dass er endlich Kanzler und CDU-Vorsitzender geworden ist, mit 69 Jahren. Der Triumphator jubelt zwar- „Jippie, Kanzler! Ich hab´s geschafft!!“, sein Gewand ist zerrissen, die Brille verschoben, sein Wagen hat ein Rad verloren. Ein Triumpf sieht anders aus. 2025, ein Jahr der „Herausforderungen, zwischen neuen politischen Konstellationen, globalen Spannungen und gesellschaftlichen Missständen“. In diesem Geflecht muss sich ein politischer Zeichner zurecht finden und muss uns mehr als einen Überblick bieten über ein bewegtes Jahr. „Eine Chronik mit Strichen“, wie Stefanie Rohde treffend kommentiert.
Die Kunst des Strichs beherrscht Heiko Sakurai, den ich seit über 30 Jahren kenne, damals ein junger Student in Münster mit dem Wohnsitz in Recklinghausen. Ich war stellvertretender Chefredakteur der WAZ und als solcher mit der täglichen Karikatur befasst. Wir telefonierten fast täglich, er schickte mir Vorschläge für die Kari per Fax(die Jüngeren kennen diese Art der Kommunikation wohl nicht mehr), wir diskutierten die Zeichnungen und wenn das Thema mir nicht gefiel, musste er neue Vorschläge liefern. Nur so viel: Es war für ihn und mich nicht immer leicht, denn die Karikatur fällt nicht vom Himmel, es ist ein hartes Ringen. Die Karikatur war damals der zweite Leitartikel, sie schmückte die Seite 2, ein Blickfang für den Leser, ein Kommentar, ausgedrückt in wenigen spitzen Strichen. Die Karikatur darf überzeichnen, den Betreffenden auf die Hörner nehmen und mit wenigen Worten diesen und seine Politik scharf kritisieren. Sakurai ist darin ein wahrer Meister.
Das Cartoon-Jahr von Heiko Sakurai beginnt mit einem Bild, das den damaligen Kanzler Olaf Scholz zeigt am Konferenztisch mit Selenskyj, mitten im Wahlkampf. Herrlich der Text: „Herr Selenskyj, die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine wäre natürlich, wenn ich Kanzler bleibe und so verhindere, dass ein Choleriker wie Merz diesen Konflikt noch weiter eskaliert!“ Es ist alles gesagt und karikiert, der scheidende Scholz, der oft unüberlegt handelnde Merz, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, ein Thema, das den Bundestagswahlkampf um die Macht in Berlin beherrschte. Auf der nächsten Seite die AfD-Jugend JA, von der sich die AfD trennt, gezeichnet mit der Sprechblase des AfD-Alten in Richtung des Vertreters der Jungen Alternative: „Am liebsten würde ich ihn irgendwie remigrieren.“ Und schon haben wir das Stichwort, das die rechtsextreme AfD geliefert hat und das ihre fehlende Menschenwürde belegt: die Pläne, im Falle einer AfD-Regierung die Remigration von Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, sie rauszuschmeißen.
Das Jahr 2025, turbulent wie es war. Die FIFA vergibt die Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien. FIFA-Chef Infantino wirft sich in den Wüstenstaub vor dem Scheich und Sakurai lässt ihn per Sprechblase schleimen: „Oh Hoheit, verschmäht das bescheidene Präsent der FIFA nicht und überschüttet uns mit reingewaschenen Reichtümern!“ Das Geschenk, dargestellt als Schmuckkassette mit der Aufschrift: WM 2034. Ein Milliarden-Geschäft für alle Beteiligten, vor allem die FIFA und den umstrittenen Infantino, der wie Trump für Geld alles möglich macht, eben auch die Veranstaltung einer Fußfall-Weltmeisterschaft in der Wüste, bei großer Hitze. Für die Saudis ein Imagegewinn. Wer weiß, ob nicht bald die Winter-Olympiade im Wüstensand stattfindet?!
2025: Wladimir Putin muss das Ende des Assad-Regimes verkraften. Einer der schlimmsten Verbrecher der Menschheit, Assad, findet Aufnahme im Kreml. Assad hat Bomben, Giftgas auf das eigene Volk werfen lassen, um seine elende Diktatur und sein Leben zu retten. Syrien war seit Jahrzehnten moskau-freundlich, das Regime wurde schließlich vom eigenen Volk und von Rebellen gestürzt, der Herrscher konnte einen großen Teil seines geraubten Vermögens ins Reich Putins retten. „Ein elender Wurm von einem Verlierer“, wie Sakurai Putin per Sprechblase lästern lässt.
2025. Natürlich das Jahr von Trump II. Ein notorischer Lügner ist wieder gewählt worden zum Präsidenten der USA, ein Mann ohne Haltung, ein Egomane, der America great again machen will und der dabei vor allem an seinen eigenen Vorteil, den Geldbeutel und seine Dollars denkt, der die Demokratie im Lande zerstören und dafür die Pressefreiheit und die Justiz unter seine Fittiche nehmen will. Ein Präsident, besser ein Autokrat, der lieber mit Putin Geschäfte macht und dafür einen Frieden für die Ukraine plant, ganz nach dem Geschmack des russischen Präsidenten: Der Aggressor wird belohnt, er soll zusätzliches Land bekommen, dabei ist Russland heute schon das flächenmäßig größte Land der Erde. Trump will Grönland haben, die NATO diskutiert seine Forderung, der Zeichner lässt einen General sagen „ist das denn so schlimm?“, zumal wenn man damit vielleicht den allmächtigen Trump besänftigen könne und „er seine Forderung nach einem 5%-NATO-Beitrag fallen lässt“.
Der Karikaturist muss nicht nur zeichnen können, er muss die Ereignisse des Tages verfolgen und sie einordnen können, er muss bewerten, welche Bedeutung diese oder jene Politik, diese oder jene Pleite eines Unternehmens für die jeweilige Zeitung hat, für die er arbeitet, er muss wissen, was Schalke für eine Rolle fürs Revier spielt und welche der BVB oder die Bayern, Leipzig, der HSV und wie sie alle heißen. Das ist nicht immer einfach, Heiko Sakurai karikiert die Welt für die Berliner Zeitung, die WAZ, die Rhein-Neckar-Zeitung, den Kölner Stadtanzeiger, die Schwäbische Zeitung, den Münchner Merkur, die Badische Zeitung, die taz und für andere Medien. Er muss also die ganze Republik auf dem Schirm haben, Berlin, NRW, Baden-Württemberg, Bayern, die eher konservative wie auch die mehr linke Gefolgschaft der genannten Blätter. Karikaturist sein ist gewiss ein Lieblingsberuf, der Spaß macht, der aber auch fordert, der harte Arbeit ist.
Wenn ich das Cartoon-Buch durchblättere, hat Sakurai die Brände in Kalifornien zum Thema gehabt, dann die AfD mit Alice Weidel, die behauptet hatte im Gespräch mit Elon Musk, Adolf Hitler sei Kommunist gewesen, dann den Wahlkampf der SPD, dann das Abschalten der letzten Atomkraftwerke-im Bild Scholz und Habeck vor einem Atommeiler-, dann die Übernahme der Regierung in Washington mit Trump, der den Amtsvorgänger Biden quasi aus dem Stuhl quetscht. Trump beginnt mit der Abschiebung von illegalen Einwanderern- im Bild die Freiheitsstatue, wie sie von einem Flugzeug zurück nach Frankreich geflogen wird, wo sie 1886 hergekommen ist. Merz nimmt Mehrheit mit AfD in Kauf, Angela Merkel verzieht dabei nur den Mund, hat sie es nicht immer schon gewusst, füge ich hinzu, dass er es nicht kann.. Wer es vergessen haben sollte, die SPD tritt mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidat an, dann spricht Trump mit den Arabern und darüber, was aus Gaza wird, Trump träumt von Penthäusern an der Riviera des Nahen Ostens. Um anschließend den Europäern klarzumachen, sie mögen sich selber verteidigen. Für ihn, Trump, gilt: „Das Recht bin ich.!
Berlin beschließt: Schulden ohne Ende, früher hatte die Union stets von der Schuldenbremse geredet, der schwarzen Null. Jetzt soll mit Schulden die Zukunft gestaltet werden, es grummelt in der CDU. Die Debatte über die Wehrpflicht beginnt. Merz und Klingbeil vor Bildung einer sogenannten Großen Koalition, die aber zahlenmäßig so klein ist, dass sie nur über eine winzige Mehrheit im Bundestag verfügt. Trumps Zollpolitik beschert dem Erfinder erste Probleme.
Posaunen begrüßen den toten Papst Franziskus bei seiner Ankunft im Himmel. Er selber bittet um Ruhe. „Leute, nicht so ein Aufwand. Ich bin´s doch nur.“ Darauf muss man erstmal kommen. Sahra und Oskar, das Traumpaar, Frau Wagenknecht hat zunehmend Schwierigkeiten, sich in ihrer nach ihr benannten Partei BSW durchzusetzen. Oskar empfiehlt ihr: „Sahra denk dran, dir bleibt immer noch unser klassischer Weg: Amt hinschmeißen und Partei zerstören“. Ach ja, Herr Lafontaine, das war 1999, als Sie als Bundesfinanzminister dem Kanzler Schröder per Brief alles vor die Füße warfen. Passend dazu zeigt Sakurai dann Saskia Esken, verbannt auf einer Insel, danach den neuen starken Mann der SPD, die „neue Gesichter braucht“. Es folgen Cartoons mit Klingbeil als Parteichef, Finanzminister, Vize-Kanzler, Postenvergeber. Friedrich Merz wird erst im zweiten Wahlgang gewählt, nur ein Kratzer oder doch ein Blattschuss?
Der NATO-Gipfel huldigt Trump, der entschwindet auf einem Teppich der Allianz, während die Regierungschefs der betreffenden Mitgliedsländer sich aus der Bücklingshaltung- sie liegen auf dem Bauch- erheben. Sie können wieder aufstehen. Peinlich. Der Mann aus Teflon ist CDU-Fraktionschef Jens Spahn, der im Zusammenhang mit der Maskenaffäre vielfach beschuldigt wird, auch der Vetternwirtschaft. Während der Corona-Epidemie hatte er Hunderte von Millionen ausgeben lassen für den Erwerb zu teurer Masken, die beschafft wurden von einer Firma, die u.a. geleitet wurde von einer Tochter des früheren CSU-Fürsten Gerold Tandler, ein Diener von Strauß. Da kommen doch Erinnerungen hoch.
Der ewige Streit zwischen CDU und SPD, im Grunde wie in der Ampel, nur eben zwischen Merz, Söder, Klingbeil, die alle miserable Noten bei Umfragen erzielen, während die AfD davon profitiert und im Laufe des Jahres gleichzieht mit der Union, ja sie teils überholt, während die SPD tiefer und tiefer rutscht, fast auf eine Höhe-oder eher Tiefe?- mit der Linken. Das Bürgergeld wird ersetzt, über die Rente gestritten, die Jungen Wilden der CDU planen eine Art Aufstand. Donald Trump fordert für sich den Friedensnobelpreis- natürlich scheitert er. Gesucht wird ein neues Biotop für die Grünen, Robert und Annalena sind ja weg. Und Merz, Söder, Klingbeil und Bärbel Bas wollen mit Teamgeist in den Herbst der Reformen. Frankreichs Präsident Macron schließt seinen Rücktritt aus und haucht auf der Bühne: „Non, rien de rien, je ne regrette rien. Die Bundeswehr bekommt zunehmend Probleme mit der Abwehr von vermutlich russischen Drohnen, die überall mal aufkreuzen, nur weiß man nicht, wie man ihrer habhaft werden kann. Friedrich Merz hat Schwierigkeiten als Kanzler, er führt nicht, sondern reist rat- und rastlos durch die Welt. Dabei gute Nachrichten: Über dem Kanzleramt in Berlin wurden keine Drohnen gesichtet: „Offensichtlich glaubt niemand, hier irgendwelche relevanten Ideen ausspionieren zu können.“ Dagegen Drohnen über dem Flughafen in München. Folgt der Abschuss des Verbrennerverbots in Brüssel, die Grundsicherung ersetzt das Bürgergeld, Carsten Linnemanns schönster Tag, meint Sakurai.
Wir kommen nochmal zu Trump. Ex-Präsident Obama soll den Friedensnobelpreis herausgeben, weil der angeblich „Ihm“ gehöre. Und „Ihm“ folgt der wahre Trump mit der Sprechblase: „Für Frieden habe ich gesorgt, jetzt kommt Ihr ins Spiel“. Gemeint Merz, Macron, Starmer für den Wiederaufbau von Gaza und die Übernahme der Kosten.
Den Schlusspunkt setzt Heiko Sakurai sehr persönlich, er widmet ihn seiner Ende 2024 verstorbenen Mutter, die er auf einer Wolke im Himmel sitzend sieht und ihr zuwinkt: „Liebe Mama, Danke für alles.“ Folgt ein Herz. Wie schön.
„Kunstfreiheit“, stellt Stefanie Rohde in ihrem Vorwort fest, „ist kein Privileg, sondern eine Verantwortung: Die Freiheit, kritisch zu sein, Fragen zu stellen und den Finger dorthin zu legen, wo es manchmal wehtut. Da ist unser Bundeskanzler Friedrich Merz mit heruntergelassenen Hosen erlaubt. “ Wie wahr. Achten wir darauf, dass uns diese Freiheit erhalten bleibt. Die Demokratie braucht Demokraten, die für sie eintreten, täglich. Hat Bundesprä sident Frank-Walter Steinmeier gesagt. Und im Zusammenhang der Diskussion über ein mögliches Verbot der rechtsextremen AfD daran erinnert, dass im Grundgesetz ausdrücklich ein Gebot steht: „Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungsfeindlich. (Artikel 21) Sie können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden.“












