Am Montag vergangener Woche spielte sich in Jerusalem und Scharm El-Scheich ein Drama zwischen überschwänglichem Jubel, grotesker Absurdität und abgrundtiefer Verkommenheit ab. USA-Präsident Donald Trump ließ sich im israelischen Parlament, der Knesset, als Heilsbringer feiern. Gleichzeitig nutzte Trump die Gelegenheit, um den Präsidenten Israels zum verfassungswidrigen Handeln aufzufordern: Er solle gefälligst verhindern, dass sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für seine mutmaßlichen Straftaten vor Gericht verantworten muss. Trump machte damit deutlich, was ihm Recht bedeutet: nichts! Wenig später huldigten Staatsmänner aus aller Welt, darunter auch Bundeskanzler Friedrich Merz, in peinlich-schleimiger Unterwürfigkeit dem selbsternannten „Größten Friedensbringer aller Zeiten“. Dabei geriet in den Hintergrund die unendliche Freude über die Befreiung der von der Terrororganisation Hamas über zwei Jahre festgehaltenen israelischen Geiseln, die einem für niemanden nachvollziehbaren Martyrium ausgesetzt waren, und das Ende der unvorstellbaren militärischen Zerstörungs- und Tötungsorgie in Gaza durch Israel. Bei all dem geriet in Vergessenheit, dass der völkerrechtswidrige Feldzug Israels gegen die Hamas schon längt hätte beendet werden müssen und können – und zwar durch Trump und Netanjahu.
Der bedrückende Tiefpunkt dieser Woche aber ist: Niemand weiß, wie es jetzt in Gaza weitergehen soll. Niemand hat eine Vorstellung davon, welche Lebens- und Friedensperspektive die im Westjordanland und im Gaza lebenden Palästinenser:innen haben. Von wegen: „ewiger Frieden“. Zwar sind das systematische Zerstören und Töten derzeit unterbrochen. Aber die Hamas übt weiter ihre Terrorherrschaft über die Bevölkerung im Gaza aus. Und wie reagiert der selbsternannte Friedensfürst Donald Trump? In einem Statement begrüßt Trump die öffentliche, gezielt ins Netz gestellte Exekution von angeblichen Kollaborateuren durch die Hamas und zieht im gleichen Atemzug Vergleiche mit dem militärischen Handeln der USA gegen die Drogenmafia in Venezuela und dem Aufmarschieren der bewaffneten Nationalgarde in Washington DC. Trump triumphiert: Washington sei jetzt die sicherste Stadt der USA. Gibt es angesichts dieser Kapriolen eines entfesselten Diktators einen Aufschrei in Europa, in Deutschland, im Bundestag, bei den Parteien, in den Medien? Kaum – vielmehr überschlagen sich die einen in Ergebenheitsadressen an Trump, andere reden sich sein kalkuliert-gezieltes Handeln als „erratisch“ oder als lässliche Verrücktheit eines sonderbaren Präsidenten schön … und beim nächsten Zusammentreffen begibt man sich wieder in die Rolle eines Schoßhundes … Was für ein Schmierentheater!
Doch leider ist dies sehr viel mehr. Denn das ganze Wertegefüge, auf dem das Zusammenleben in demokratischen Gesellschaften beruht, implodiert, löst sich ins Nichts auf angesichts des auf Feindschaft basierenden Gewaltnihilismus eines Trump und seiner Gefolgsleute. Mehr noch: Auf der politischen Ebene paktieren die Staaten der EU mit einem Mann, der gerade dabei ist, die USA in eine korrupte Diktatur umzubauen; der systematisch die Presse- und Meinungsfreiheit bekämpft und einen Bürgerkrieg im eigenen Land vorbereitet; der seine eigenen Vorstellungen von imperialer Politik versucht durchzusetzen. Wie aber will man mit diesem Trump-Amerika die sog. westlichen Werte in der Ukraine verteidigen und dabei Glaubwürdigkeit bewahren? Wie will man mit einer Administration eine gemeinsame Basis finden, gegenüber deren politischen Ziele die Vorstellungen einer rechtsnationalistischen AfD geradezu harmlos erscheinen? Merken diejenigen, die derzeit in Regierungsverantwortung stehen, nicht, wie durch diese Appeasement-Politik nicht nur die Brandmauer gegen die AfD eingerissen wird? Da findet eine systematische Entwertung aller Wertvorstellungen der freiheitlichen Demokratie und der Menschenwürde statt – mit verheerenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Da kann sich dann eine AfD ungeniert als Friedenspartei gerieren, kann Wohnungsnot und Sozialabbau auf die hohen Rüstungsausgaben zurückführen und gleichzeitig Donald Trump als neuen Heilsbringer von Frieden und Freiheit huldigen, obwohl er es ist, der den Turbogang für die Hochrüstung eingeschaltet hat und mit brutaler Gewalt im eigenen Land gegen alle vorgeht, die sich ihm im demokratischen Prozess widersetzen, und genau diese Politik in europäischen Staaten implementieren will.
Die Folgen sind fatal: Wieso soll an der AfD etwas undemokratisch, verfassungswidrig, rassistisch sein, wenn doch die Staaten der EU weiter mit dem paktieren, der das, was der AfD im Innern vorschwebt, systematisch im eigenen Land vorantreibt: Abbau demokratischer Vielfalt, Zerstörung der Gewaltenteilung und der Rechtsstaates, Militarisierung des Lebens nach innen und außen, Nationalisierung des gesellschaftlichen Lebens durch rassistische Diskriminierung? Die Fragen gehen aber noch weiter: Was wird in der Ukraine noch verteidigt, wenn Europa in der militärischen Auseinandersetzung mit Russland weiter auf ein Amerika setzt, das genauso wie Russland null Interesse an einem vereinten, freiheitlichen, demokratischen Europa hat? Können amerikanische Waffen in der Ukraine das verteidigen, was Trump im eigenen Land mit militärischer Gewalt zerstört?
Was wir in dieser Woche erlebt haben, ist mehr als eine weitere Zeitenwende. Es ist die groteske Szenerie einer Welt, in der alle ethisch-moralischen Maßstäbe arrogant beiseite geräumt werden. Nur noch eines soll gelten: das überdimensional aufgeblasene Ego eines korrupten Emporkömmlings, in dem die Welt ihren Retter sehen soll. Blasphemie pur – und das in einer rüpelhaften Gossensprache, die nur noch von sabbernder Häme, Hass und Hetze im Netz übertroffen wird! Wenn wir in Europa nicht aufpassen, werden wir uns sehr bald in der gleichen Auseinandersetzung wiederfinden wie jetzt schon die demokratisch gesinnten Bürger:innen in den USA. Denn Parteien wie die AfD haben nichts anderes auf der Agenda stehen wie die MAGA-Bewegung eines Donald Trump:
- ein Nationalismus mit imperialem Anspruch,
- ein Rassismus, der in der heilen, ethnisch reinen, weißen Familie seinen sichtbarsten Ausdruck findet,
- ein Personenkult, durch den gleichermaßen die Diktatur vorangetrieben und diese religiös-ideologisch überhöht werden soll.
Diesen drei Zielen, die sich weltweit alle rechtsextremen Bewegungen auf die Fahnen schreiben, wohnt eine unerbittliche Verfeindungsstrategie inne. Ihnen wird in einem gnadenlosen Opportunismus alles untergeordnet, was in irgendeiner Weise stören könnte. So kommt es, dass die AfD sich hier als bürgerlich, rechtsstaatlich, demokratisch, friedensbewegt anpreist, während sie gleichzeitig das die freiheitliche Demokratie und soziale Gerechtigkeit zerstörende Instrumentarium eines Donald Trump ansammelt, um es bei entsprechender Möglichkeit militant einzusetzen. In dieser Auseinandersetzung werden wir nur bestehen können, wenn wir Zusammenhänge klar erkennen, sie benennen und vor allem die Werte hochhalten und verteidigen, die uns derzeit ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Das muss damit beginnen, dass die Menschen in den politischen Entscheidungen eine Wertschätzung erfahren, die auskommt, ohne das Leben anderer abzuwerten und aus ihnen Sündenböcke zu machen.













