Von einer Friedenskonferenz für Libyen zu sprechen, ist hochtrabend. Das Treffen in Berlin ist im besten Fall ein erster Schritt, um eine blutige Schlacht um Tripolis abzuwenden. Zusagen für einen unbefristeten Waffenstillstand und eine massive Entwaffnung der hochgerüsteten Milizen können den Weg für weitere Schritte ebnen. Eine stabile Friedensordnung für das geschundene Land ist jedoch noch lange nicht in Sicht.
Natürlich sind die Bemühungen unter der Ägide von Bundeskanzlerin Angela Merkel ehrenwert; natürlich ist es gut, dass die Bürgerkriegsparteien sich endlich zu Verhandlungen drängen ließen; und es ist ein Hoffnungsschimmer, wenn an der Lösungssuche die vielen ausländischen Akteure mitwirken, die in dem Chaos rücksichtslos ihre jeweiligen Interessen verfolgen und das massenhafte Töten, Vertreiben, Zerstören und Entrechten noch befeuert haben.
Im Schatten des Syrienkriegs haben sich viele, die nach Einfluss und Profit gieren, auf Libyen gestürzt. Das nordafrikanische Land, das nach dem Sturz und Tod von Langzeit-Machthaber Muammar Gaddafi an einem demokratischen Neuanfang scheiterte, lockt mit reichhaltigen Öl- und Gasvorkommen, mit seiner geostrategischen Lage am Mittelmeer und – zynisch genug – als Absatzmarkt für Rüstungsgüter.
Da tummeln sich viele Strategen im Berliner Kanzleramt, die unterschiedliche Interessen verfolgen und die nur eines eint: Nein, nicht etwa dass Libyen dauerhaft befriedet und das Leid der Bevölkerung beendet wird, sondern dass keiner als Verlierer endet. Rebellen-General Haftar kontrolliert weite Teile des Landes, der von den Vereinten Nationen anerkannte Regierungschef Sarradsch beherrscht noch die Region um die Hauptstadt Tripolis.
Beide Bürgerkriegsparteien haben potente internationale Unterstützer, die einflussreichsten sind Russland an der Seite von Haftar und die Türkei hinter Sarradsch. Die Lage im Land ist undurchsichtig, auch Saudi-Arabien und Katar mischen mit, Söldner und Waffenlieferungen heizen das Kriegsgeschehen an und selbst Europa spricht nicht mit einer Stimme. Während Italien Sarradsch unterstützt, schlägt sich Frankreich auf die Seit von Haftar.
Zu allem Überfluss kommt um die Erdgasvorkommen im Mittelmeer, deren Ausbeutung Ankara und Tripolis unter sich ausmachen wollen, ein weiterer Konflikt zwischen der Türkei und EU-Mitglied Griechenland hinzu. Die Regierung in Athen ist verärgert, dass sie keine Einladung nach Berlin erhalten hat und warnt vor einer Vereinbarung, die zu ihren Lasten ginge.
Die Uneinigkeit der Europäischen Union erschwert Merkels Mission. Der Versuch, nach langem Zuschauen eine Initiative zur Vermittlung zu unternehmen, gilt auch dem Ziel, ein zweites Syrien und eine neue Flüchtlingswelle nach Europa zu vermeiden. Die Präsidenten von Russland und der Türkei nutzen ihren Einfluss schon jetzt, um Druck auf die EU auszuüben. Die Kooperation der EU mit der libyschen Küstenwache ist ein Skandal. Die Zustände in den überfüllten Flüchtlingslagern schreien zum Himmel. Alle diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Zukunft Libyens müssen auch dem Ende von Folter, Sklaverei, Vergewaltigung und Mord dienen.
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