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Home Politik

Merkel in der Höhle des Löwen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
20. Januar 2016
Angela Merkel

Angela Merkel ist unter Dauer-Druck. Die Flüchtlingskrise setzt ihr mächtig zu, wobei der meiste Widerstand gegen ihre Politik aus den eigenen Reihen kommt. Grenzen dicht machen, hallt es aus der CSU, Obergrenze einführen, Abschiebungen an der Grenze, Bremsklotz gegen die Flüchtlingswelle, Umkehr, Wende rufen die Christsozialen aus dem Freistaat. Man setzt ihr sogar eine letzte Frist, nennt ein Ultimatum bis März, vom Alt-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber formuliert. Merkel bekommt viel zu hören beim Treffen mit der aufgewühlten CSU-Landtagsfraktion im berühmt-berüchtigten Wildbad Kreuth. Ein heißes Treffen in eiskalter Jahreszeit. Und alles das bei sinkenden Umfragezahlen für Merkel und die Union. Ein Show-Down?

Mut hat sie ja, die Kanzlerin, keine Frage. Aber ob ihr das hilft, Kreuth, wo man von ihr eine Abkehr verlangt, damit die Flüchtlingszahlen endlich zurückgehen? Sie haben die CDU-Chefin und Kanzlerin nie geschont, dieses Mal ist die Lage ernster als sonst, es gibt Stimmen in der CSU, die vor einer Existenzkrise der Union warnen, wenn man das Jahrhundert-Problem Flüchtlinge nicht in den Griff bekäme. Ihr Amtsvorvorgänger Helmut Kohl(CDU) war nie Gast in dieser Landschaft, deren Idylle trügen kann. Man frage Edmund Stoiber, wie das war, als ihn die Christsozialen unter Führung von Günther Beckstein und Erwin Huber vor Jahren vom Hof jagten, weil man Sorge um den politischen Alleinvertretungsanspruch im Freistaat hatte. Dabei hatte Stoiber vor nicht zu langer Zeit ein Traumergebnis bei einer Landtagswahl im Freistaat erzielt, fast die Zwei-Drittel-Mehrheit gewonnen. Und was ist aus Beckstein und Huber geworden? Geschichte, sie wurden der Revolte gegen Stoiber nicht froh und scheiterten kläglich, Nachfolger ist Horst Seehofer.

Stoiber prescht nach vorn

Stoiber hat weder die hauchdünne Niederlage gegen Gerhard Schröder verwunden-er wollte damals schon eine Gläschen Champagner köpfen- und schon gar nicht die Schmach von Kreuth. Und jetzt meldet sich dieser Stoiber zurück, offensichtlich gestärkt und, wie er selber einräumt, topfit. Für was eigentlich? Schon wird die Frage gestellt, ob der wieder zurück auf die Bühne möchte. Wie er seit Wochen in der Öffentlichkeit auftritt, mit welcher Schärfe er nach vorn prescht! Grenzen zu, Verfassung ändern. Will er etwa den gesundheitlich angeschlagenen Seehofer… Stoiber ist 74, Seehofer 66, aber er hatte gerade wieder einmal einen Schwächeanfall. 2018 will Seehofer das Amt in andere Hände geben.

Angela Merkel musste gerade ein paar Briefe von „Parteifreunden“ über sich ergehen lassen, in denen ihre Flüchtlingspolitik kritisiert, ja verworfen wurde. In Bayern ist der Druck von den Kommunen besonders groß, weil hier fast alle Flüchtlinge zuerst ankommen und versorgt werden müssen. Eine Herkulesaufgabe, die zu meistern kein Kinderspiel ist. Wir sind am Limit, rufen sie, klagen sie Richtung München und meinen Berlin. Merkel hilf! Aber wie. Europa verweigert sich, lässt Merkel auf dem Problem mit einer Million Flüchtlingen sitzen. Und wenn im laufenden Jahr wieder eine Million kommt, dann…Man muss es nicht aussprechen, aber die Angst, es nicht zu schaffen, weil man schlichtweg überfordert ist, wächst von Tag zu Tag.

Die Nerven in der Union liegen blank

Es sind keine fröhlichen Stunden für die Kanzlerin, sie spürt, wie die Nerven vor allem ihrer eigenen Leute blank liegen. Und es klingt irgendwie mehrdeutig oder gefährlich, wenn ihre Vize-Vorsitzende Julia Klöckner, die in Rheinland-Pfalz Regierungschefin werden will, betont, Merkel sei die Nummer 1 und es habe „ja keiner einen Vorschlag, wer wirklich eine Alternative sein könnte.“ Also wird darüber nachgedacht, nicht öffentlich, aber in Hinterzimmern, damit es die Öffentlichkeit nicht merkt? Eine Alternative zu Merkel könnte Wolfgang Schäuble sein, der Bundesfinanzminister, der in seinem politischen Leben fast alles erreicht hat-bis auf die Kanzlerschaft. Nervös sind die Unionisten und längst keine Union mehr, wenn man das mit der Meinung zugrunde liegt. Die Kritiker der Merkelschen Politik, die Briefeschreiber, kanzelt Klöckner mit den Worten ab, sie sollten doch „einfach mal die Klappe halten und arbeiten“.

Das mit der Klappe kennen wir in einer unfreundlicheren Art. Man erinnert sich an den damaligen Kanzleramtschef Ronald Pofalla, als dieser seinen Parteifreund Wolfgang Bosbach anging: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Bosbach, der Dauer-Gast auf allen Bildschirmen, hatte 2011 gegen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gestimmt. Bosbach ist heute wieder dabei, bei den Unterzeichnern einer Erklärung des Berliner- Kreises der CDU gegen die Flüchtlingspolitik Merkel und für eine dringende Umkehr. So ist das unter Parteifreunden, wie schon Adenauer wusste. Die Steigerung von Feind ist Parteifreund . Ronald Pofalla hat längst die Politik gegen einen lukrativen Vorstands-Posten bei der Deutschen Bahn eingetauscht.

Fast alle gegen die Kanzlerin

Merkel müsste gar nicht nach Kreuth, um die Stimmung der CSU zu erfahren, aber sie stellt sich, will zuhören, vielleicht versuchen, ein wenig gutes Wetter zu machen für sich, gerade jetzt, da sie merkt, wie einsam es sein kann an der Macht . Es ist fast alles auf dem Markt an Forderungen, fast alle haben sich aus dem Fenster gelegt und sich gegen die Kanzlerin geäußert. Von Horst Seehofer kennt sie das seit Monaten. Und gerade hat er seinen Mann in Berlin, den Verkehrsminister Dobrindt, vorgeschickt, damit der die Merkel und ihre Politik angreift, was dieser auch brav tat. Und seine Forderungen nach einem Kurswechsel und dem Hinweis, man werde um Grenzschließungen nicht herumkommen, garnierte er noch mit der ironischen Bemerkung, es reiche nicht mehr, „der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen“, sind eigentlich für einen Mann, der regelmäßig am Kabinettstisch der Kanzlerin sitzt, eine Unverschämtheit, zumal aus dem Mund eines Politikers, der mit seinem Prestigeprojekt Maut grandios gescheitert ist.

Bayerns Finanzminister Söder hat sich geräuspert, kurz und trocken, sein Kollege, den Innenminister Hermann, ein blasser Politiker, drängte es an die Öffentlichkeit. Wer aus einem sicheren Nachbarland einreise, könne sofort abgewiesen werden, weil der keinen Anspruch auf Asyl habe. Fraktionschef Kreuzer kann sich gar die Bundeswehr an den Grenzen vorstellen. Laut Kreuzer gebe es keine europäische Lösung, wie Merkel das propagiert. Österreichs Außenminister Kurz, der gerade Gast der CSU war, soll geäußert haben: Wenn Deutschland die Grenzen schließe, werde er applaudieren. Die Wiener sind gerade dabei, ihre Grenzen zumindest in bestimmten Bereichen mit einem Maschendrathzaun zu sichern.

Merkel steckt in einem Dilemma. Europa verweigert sich und lässt die Kanzlerin mit den Flüchtlingen allein, die aber kommen weiter nach Europa, die meisten nach Deutschland. Außengrenzen sichern? Wie soll das gehen? Dann werden viele wieder übers Meer kommen, nach Italien, Griechenland, viele werden ertrinken, weil die lausigen Schiffe untauglich für die See sind, Schleuser werden ihr Geschäft machen. Und was passiert, wenn Tausende und Abertausende von Menschen aus Afrika und anderen Teilen der Welt vor den Grenzen anderer Länder abgewiesen werden?

Die Stimmung in Deutschland hat sich längst gedreht, die Mehrheit der Bürger glaubt nicht mehr an das Merkelsche „Wir schaffen das“ und 68 Prozent der in Bayern befragten Bürger sind in großer bis sehr großer Sorge. Sorgen, die von der CSU geteilt werden. Die Entschlossenheit in den Reihen der CSU ist groß, man denkt zuerst an sich, an die Landtagswahl in Bayern 2018. Merkel ist gewarnt. Es steht Spitz auf Knopf, wie die Bayern zu sagen pflegen. Eine wie auch immer geartete Abstimmung in Bayern oder im Bundestag in Berlin kann Merkel nicht riskieren.

Bildquelle: Pixelfehler –  Angela Merkel nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig, CC BY-SA 3.0

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