Als die noch amtierende-muss man einschränkend sagen- schwarz-rote Regierung in Berlin sich zusammengefunden hatte unter einem endlich gewählten Kanzler Friedrich Merz(CDU), schrieb auch der Blog-der-Republik: Sie müssen Erfolg haben, sie sind dazu verdammt, weil sonst dieser Republik Ungemach drohen könnte. Und einer der Macher dieses Bündnisses, CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, meinte nicht gerade euphorisch, diese Regierung sei „die letzte Patrone der Demokratie“. Heißt auch, dass im Falle eines Scheiterns diese parlamentarische Demokratie hochgradig bedroht sei von der sogenannten Alternative, den Rechtspopulisten der AfD. Ein gutes Halbjahr später muss man dieser Koalition leider attestieren, dass die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler die Regierung Merz/Klingbeil für schlechter hält als die nun wirklich nicht erfolgreiche Ampel unter dem SPD-Kanzler Olaf Scholz und den Grünen und der FDP. Was auch daran liegt, dass weder Merz noch Klingbeil ihre jeweilige Partei und Fraktion geschlossen hinter sich haben.
Große Koalition nennt man eine Regierung aus Union und SPD schon länger nicht mehr. Beide Parteien, die SPD mehr als die CDU und CSU sind in den letzten Jahren sehr geschrumpft, von Volksparteien mag man schon nicht mehr reden, die SPD erhielt bei der letzten Wahl gerade noch 16,5 Prozent der Stimmen. Und zusammen haben Union und SPD im Bundestag nur eine Mehrheit von 12 Stimmen. Da müssen sie bei jeder Abstimmung aufpassen, dass kein Abgeordneter fehlt oder irgendwer aus welchen Gründen auch immer sich enthält oder das Gesetzesvorhaben des eigenen Kanzlers ablehnt und mit Nein stimmt. Disziplin ist gefragt, eine Sekundärtugend, die ein Hans-Jochen Vogel vor Jahrzehnten vorlebte und ein Oskar Lafontaine-beide waren sie eigentlich in ein und derselben SPD- dem SPD-Kanzler Helmut Schmidt ankreidete, weil man damit angeblich ein KZ leiten könnte.
Brandt neben Kiesinger, Strauß neben Schiller
Die älteren Zeitgenossen müssen alles vergessen, was sie damals, 1966, bei der ersten wirklich großen Koalition erlebt hatten: Eben Disziplin, Zusammenhalt, Gemeinsamkeit, Geschlossenheit, Vertrauen. Da saßen so unterschiedliche Persönlichkeiten an einem Tisch wie der Kanzler Kurt-Georg Kiesinger und sein Vize und Außenminister Willy Brandt. Der eine, Kiesinger, war ein Christdemokrat und früher Mitglied der NSDAP, als die Nazis regierten, der andere, Brandt, war vor der Mörder-Regierung Hitlers und Goebels ins Ausland geflohen, um sein Leben zu retten. Und doch regierten sie zusammen, gemeinsam. Auch ein Herbert Wehner, ein ehemaliger Kommunist, saß am Kabinettstisch. Sie alle einte der Wille, für das Ganze Politik zu machen, für Deutschland eben und seine Gesellschaft, für Ältere und Junge, für Demokraten.
Es regierten zusammen und gemeinsam ein kantiger und auch lauter Franz-Josef Strauß, den Konrad Adenauer wegen der Spiegel-Affäre entlassen musste, und ein eher feiner Karl Schiller, ein eher professoraler Wirtschaftler. Plisch und Plum nannte die Öffentlichkeit das ungleiche Paar, das aber erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik machte. Sie bekämpften mit großem Erfolg die Arbeitslosigkeit(damals waren 500000 ohne Job), am Ende der großen Koalition 1969 herrschte Vollbeschäftigung. Die beiden Fraktionschefs hießen Helmut Schmidt(SPD) und Rainer Barzel(CDU), man nannte sie auch die Garanten des Erfolgs dieser Koalition, die ja trotz allem nicht unumstritten war, auch weil sie zu groß war und mächtig und sie der Opposition kaum Luft ließ zum Leben.
Es mangelte nicht an Problemen, die es zu lösen galt, wie zum Beispiel der Niedergang der heimischen Steinkohle, es kam zu Zechenschließungen, die Notstandsgesetze der großen Koalition führten zu Unruhen im Land und zu großen Demonstrationen. Die 68er Bewegung wetterte gegen die da oben, forderte Reformen und beklagte an den Universitäten den Muff von tausend Jahren unter den Talaren. Ferner hatte der Auschwitz-Prozess in Frankfurt heftige Proteste ausgelöst, es begann endlich eine breite gesellschaftliche Debatte über den Nationalsozialismus, den Holocaust und die Ermordung von sechs Millionen Juden während der Nazi-Zeit. 1969 löste dann eine sozialliberale Koalition unter dem Kanzler Willy Brandt und seinem Vize und Außenminister Walter Scheel die Regierung Kiesinger ab.
Aber damals regierte man gemeinsam und vermittelte auch ungeachtet aller bestehenden Meinungsverschiedenheiten diesen Eindruck. Erst danach, als die Union erstmals in der Opposition war, brachen die Streitereien über die neue Ostpolitik aus und die gesellschaftlichen Reformen der Regierung Brandt. Heute müssen Merz und Klingbeil den Zusammenhalt und den Erfolg beschwören: „Wir sind dazu verdammt.“ So Klingbeil. Und Merz sagte es so: „Wenn wir gemeinsam erfolgreich regieren, dann wird es keine sogenannte Alternative für Deutschland mehr brauchen .“ Was aber auch die negative Seite einschließt: wenn wir eben nicht erfolgreich regieren, dann wird es eine Alternative brauchen.
Auf Distanz zu Merz
Aber so ist der Merz, so war er immer, der CDU-Chef formuliert etwas flapsig, schnell, er hat ganz offensichtlich nicht verinnerlicht, dass er nicht mehr den Kanzler Scholz attackieren und ihm seine angebliche Unfähigkeit zum Regieren vorhalten muss. Er selber steht seit Monaten in der ersten Reihe, seine Worte zählen, er muss sie wägen. Es mag dem einen oder anderen gefallen, wenn der Kanzler lospoltert, doch wäre es angemessen, würde er diesen Impuls unterdrücken und ein paar Sekunden überlegen, ehe er loslegt. Merz hat an Glaubwürdigkeit verloren, allein der Wechsel von Schuldenbremse zu Schulden wie noch nie in der Geschichte des Landes hat am Ruf des CDU-Kanzlers mehr als genagt. Man denke nur daran, wie der Oppositions-Chef getönt hatte.
Es sind nicht nur Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die auf Distanz zum Kanzler gehen, auch seine sogenannten Parteifreunde stehen nicht immer zu ihm. Das war beim Stadtbild so, das ist beim Thema Syrien und Abschieben nicht anders, das war beim Bürgergeld so, als die Empörung über Merz in den Worten seiner SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas, die ja auch Parteichefin ist, gipfelte: Bullshit. Das klingt ein wenig rauer, als es von der Duisburger Politikerin gesagt worden war, aber es ist eindeutig auch ein Zeichen von Opposition einer Frau, die neben Merz am Kabinettstisch sitzt.
Opposition in der Regierung
Opposition in der Regierung, das geht nicht und das geht auch schief. Das war bei der Ampel zu besichtigen und mancher Politiker hatte es gleich zu Beginn der Regierung Merz eingefordert, dass man das nicht machen dürfe, nicht den Lindner geben, der nunmehr seit Monaten die Politik von außen betrachtet, weil seine FDP eben rausgeflogen ist aus dem Bundestag. Aber dass es dazu gekommen ist und wohl weiter kommen wird, liegt eben auch an Merz, der provoziert, der nicht zusammenführt, was eigentlich zusammengehört, wenn man gemeinsam regiert und den verheerenden Eindruck nicht vermitteln will, dass man unentwegt streitet.
Aber so kann es kommen, wenn zwei Parteien, die sich im Wahlkampf nicht geschont hatten. Und gerade Friedrich Merz hatte bis zuletzt die linken Spinner attackiert und auch Sozialdemokraten gemeint. Und das soll dann plötzlich alles vergessen sein, Friede, Freude, Eierkuchen?
Wo eigentlich tritt die Koalition geschlossen auf, bei welchem Thema? Und gibt es ein Problem, das sie gemeinsam gelöst haben? Nein. Streit beim Bürgergeld, bei der Migration, sie sind sich nicht einig im Kampf gegen die AfD, die SPD ist für ein Verbot, Merz lehnt das ab, auch Söder ist dagegen. Merzens Gerede, die AfD halbieren zu wollen, man müsse nur besser regieren, läuft ins Leere. Denn er meinte damit natürlich auch, dass ihm das mit dem Regieren als Kanzler gelingen werde. Dabei hatte er das vorher nie gemacht. Sieht irgendwer eine Einigung der Koalitionäre bei der Wehrpflicht? Oder hat diese Koalition ein Problem abgeräumt, gelöst? Ist Deutschland sauberer geworden, sicherer, wächst die Solidarität unter den Generationen oder franst das etwas weiter aus?
Die große Koalition 1966-1969 arbeitete auch deshalb so erfolgreich und fast geräuschlos, weil die Fraktionschefs Schmidt und Barzel den Laden zusammenhielten. Für den Erfolg der Regierung, des Kanzlers Kiesinger und seines Vize Brandt. Sie stellten ihre eigene Eitelkeit, die beide auszeichnete, dabei zurück, das Ganze war ihnen wichtiger. Man nehme zum Vergleich heute den Unions-Fraktionschef Jens Spahn. Wo war der Mann, als es darum ging, die Personalien für das Bundesverfassungsgericht durch den Bundestag entscheiden zu lassen? Friedrich Merz hatte bereits zugestimmt, doch Frauke Brosius-Gersdorf scheiterte nach einer schamlosen Kampagne. Und der Fraktionschef Spahn sah dabei zu. Er hätte die Mehrheit für seinen Kanzler organisieren müssen. Ein schwerer Fehler Spahns, dem ich nicht vertraue. Welches Spiel spielt er? Seine eigene Karte? Er wollte doch schon mal am CDU-Kanzlerkandidaten Laschet vorbeiziehen, hieß es damals, und ließ davon ab, weil einer der Altvorderen(War es Volker Bouffier?) ihm davon abriet.
Ego-Karrierist Spahn
Auch in der Causa des Außenministers Wadephul ist Spahn dabei. Der niedersächsische CDU-Politiker, einst ein Vertrauter von Merz, lief gegen die Wand, muss nun zurückrudern, sieht schlecht aus. Er hatte angesichts der Trümmerlandschaft in Syrien Gefühl und Mitleid gezeigt und sich nachdenklich zu Rückführungen geäußert, auch gesagt, dass es schwierig sei für Flüchtlinge. Wo sollen sie denn wohnen? In Zelten? Aber auch Merz ließ seinen Minister im Regen stehen. Der Krieg sei vorbei, jetzt müssten die Syrer zurück in ihre Heimat. Ein merkwürdiges, trauriges Kapitel. Zigtausende Syrer sind längst Bundesbürger, haben einen deutschen Pass, arbeiten hier, werden gebraucht als Ärzte und Pfleger und Sanitäter, aber einer wie Spahn erklärt ihnen die Welt, die Sache mit der Heimat, in die sie nun zurück müssten, um alles wieder aufzubauen. Das sei ihre Pflicht. Sie fühlen sich vor den Kopf gestoßen, da nützt es wenig, wenn man nachher einräumt, dass die guten Syrer, die mit einem Job, Ausbildung, Doktortitel, deutschem Pass und Deutsch-Kenntnissen hier willkommen seien, will ich das mal nennen. So wird man keine Einwanderer gewinnen, und schon gar nicht die mit Ausbildung und Deutsch-Kenntnissen. Kurt Kister hat Spahn in der SZ einen Ego-Karrieristen genannt, „der seine Stellung an der Spitze der Fraktion keineswegs durch intensive, längere Arbeit in der Fraktion erreicht hat.“
Die Union ist sich nicht einig. Das war zu Helmut-Kohls-Zeiten schon mal anders. Kohl hat geführt, mehr als Merz und Spahn zusammen. Kohl stand ja auch viele Jahre für die Inhalte der Partei, er verkörperte sie, was nicht heißt, dass immer alle mit ihm einverstanden waren. Aber so etwas wie heute hat es unter dem Pfälzer nicht gegeben. Es gab sicher immer auch verschiedene Meinungen, aber eine solche Menge von Partikularinteressen, wie in den Gruppen um die Jüngeren und die Älteren hat es nicht gegeben. Die Jüngeren wettern gegen die Rentenpolitik der Regierung und meinen damit nicht nur die Ressortchefin Bärbel Bas, sondern auch den Chef des Ganzen, Friedrich Merz. Die Jugend-Fraktion, wenn man das mal rechnen und bezeichnen will, hat 18 Mitglieder in der Fraktion. Wenn man diese Zahl mal anlegt an die Mehrheitsverhältnisse- 12 Stimmen über dem Durst- können einem schon mal Gedanken an ein Scheitern kommen, zumal wenn man jetzt noch die Stimmen der Jüngeren in der SPD gegen die Rentenpolitik dazu nimmt. Die Jungen halten die Rentenpolitik für ungerecht, es kann sein, dass sie Recht haben. Aber fragen Sie mal die Älteren? Ähnlich die Debatten bei der Wehrpflicht. Wo eigentlich sind in diesen Diskussionen die Stimmen der Führung, von Spahn bis zu Matthias Miersch von der SPD? Von Geschlossenheit ist nichts zu spüren.
Was macht Lars Klingbeil?
Und dann ist da noch Lars Klingbeil, dem seit seiner Wahl zum SPD-Chef angeschlagenen Sozialdemokraten, dessen Partei und Fraktion nicht geschlossen hinter ihm stehen. Er mag ein meisterhafter Strippenzieher sein, dem es gelingt, seine Macht in der SPD zu stärken. Aber er ist zugleich ein blasser Politiker, ohne Ausstrahlung. Unter Klingbeil liegt die SPD bei 15 Prozent mit eher sinkender Tendenz. Und leidet deutet vieles daraufhin, dass dieser Mann die SPD auch als Kanzlerkandidat in die nächste Wahl führen will, egal, wann sie stattfindet. Es könnte ja sein, dass diese Koalition noch schneller zerbricht, als es die Ampel tat. Die Fliehkräfte sind enorm und nirgendwo zeigt sich jemand, der sie bändigen könnte.
Ja, das ist der Eindruck, dass diese Koalition nicht miteinander kann. Ihre Protagonisten wollen es nicht, weil es zu wenige Schnittmengen in den politischen Feldern gibt? Weil zu viele die Koalition nicht als gemeinsames Unternehmen verstehen, sondern nur als Notfall mangels einer demokratischen Alternative, weil noch zu viele Unions-Abgeordnete nicht mit der AfD eine gemeinsame Politik machen wollen? Aber zerbröselt nicht an dieser Frage die Brandmauer? Gibt es nicht längst im Osten Stimmen, die das ändern wollen? Auch ein Herr Spahn hat auf diesem Feld schon mal Lockerungsübungen gemacht.
AfD will CDU und SPD zerstören
Eine gefährliche Entwicklung. Die AfD, das hat sie mehrfach betont, will die Koalition zum Scheitern bringen, indem sie einen Keil zwischen CDU, CSU und SPD treibt. Am Ende will sie, die NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst eine „Nazi-Partei “ nennt, die CDU zerstören, ja sie will den Machtzerfall beider Systemparteien, wie sie CDU und SPD bezeichnet, sie will die EU beenden, von der wir alle gut leben, sie liebäugelt mit Russlands Putin, will eine Remigration, also Deutsche mit Migrationshintergrund deportieren. Was mit der Würde des Menschen(Artikel 1 Grundgesetz) nicht zu vereinbaren ist. Deshalb fordern SPD, Grüne und Linke, ein Verbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten. Ohne die CDU und CSU wird das nicht gehen, weil die dafür nötige Stimmen-Mehrheit im Bundestag nicht reicht. Herr Merz, Herr Söder, warum zögern Sie? Hier geht es wirklich um Alles, um unsere Demokratie.
Im nächsten Jahr finden viele Wahlen statt, in Baden-Württemberg(Landtagswahl 8. März), in Bayern und Hessen(Kommunalwahlen am 8. und 15. März), in Rheinland-Pfalz(22. März) und Sachsen-Anhalt(6. 9 Juni Landtagswahlen) Niedersachsen( 13. September Kommunalwahl), Berlin und Mecklenburg-Vorpommern( 20. September Landtagswahlen). Nie zuvor war die Gefahr in dieser Republik größer durch eine extreme, populistische Partei mit zunehmendem Wählerpotential. Wann begreifen das die Demokraten?













