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Sieger Löw

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
14. Juli 2014

Ob Sie es glauben oder nicht: die Überschrift mit dem Sieger Löw hatte ich schon am Samstag, dem Tag vor dem Endspiel,  aufgeschrieben. Auch weil ich mir bei allen Unwägbarkeiten, die nun mal mit dem Fußball zusammenhängen-  der Ball ist rund und das Glück ist ein Vogel- ziemlich sicher war, dass Deutschland Weltmeister wird. Gegen Argentinien und trotz eines überragenden Messi.  Ich hatte auf Sieg getippt, weil ich auf Löws taktische Finessen vertraute.

Und auf seine Mannschaft. Mit einem überragenden Neuer, einem Lahm, mit Hummels, Boateng, auch mit dem kantigen Höwedes, der fast ein Kopfballtor im Endspiel gemacht hätte, mit Kroos, der endlich den Durchbruch geschafft, natürlich mit Schweinsteiger,  Klose, Özil, Schürrle und dem Torschützen Götze, der bei diesem Turnier weit unter seinen Möglichkeiten blieb. Thomas Müller nicht zu vergessen, dem letzten Straßenfußballer, der immer für vieles gut ist. Und Podolski und andere Einwechselspieler.. Und Cramer, dem Gladbacher, der einiges einstecken und früh den Platz verlassen musste. Aber einer ist für mich der wahre Sieger bei diesem Turnier in Brasilien, obwohl er gar nicht auf dem Platz stand, sondern nur am Rande das Geschehen verfolgte, mal ganz ruhig, dann wild gestikulierend mit Armen und Händen.

Wie oft ist der Mann aus dem Breisgau gescholten worden! Weil 80 Millionen Trainer in Deutschland es besser wussten als der Bundestrainer. Dass er an Klose festhielt, dem alten Mann, der nur noch hin und wieder für Rom kickt, ohne Spielpraxis. Der wird doch bei der Hitze und der Luftfeuchtigkeit keine Schnitte machen. Oder Kroos. Ich gebe ja zu, dass seine oft behäbige Art, über den Platz zu laufen, auch mich nicht selten gefuchst hat. Und ich habe nicht vergessen, dass dieser Mann mit den vielen Talenten sich vor Jahr und Tag weigerte, zum Elfmeterschießen anzutreten. Feigling, Weichei. Jetzt füge ich hinzu: Entschuldigung Toni Kross, Sie haben ein tolles Turnier gespielt, den Ball gehalten, wenn es nötig war, oder verteilt, wenn das Spiel nach vorn gemacht wurde, Pässe geschlagen und Tore geschossen, ja sogar gekämpft. Es heißt, er geht nach Madrid. Na gut, soll er, dabei ist Bayern München wahrlich keine schlechte Adresse.

Ich habe wie alle die anderen Millionen Hobby-Trainer von Hamburg bis München auch daran gezweifelt, dass es richtig war, die Langzeit-Verletzten Khedira und Schweinsteiger mit nach Brasilien zu nehmen. Die werden doch nie fit bei einem so kräfteraubenden Turnier.  Auch da lag ich falsch wie all die anderen. Gut so. Pardon, Herr Löw.

Nein, nein. Löw hat alles richtig gemacht. Er hat nicht einfach das spanische Tiki-Taka kopiert, sondern es gemischt mit den so genannten deutschen Tugenden. In Brasilien war er wieder da, der berühmte  körperliche Einsatz, der Kampf bis zum Umfallen, auch die eine oder andere Grätsche kam wieder zum Einsatz. Die Deutschen waren eine kompakte Elf,  in der jeder dem anderen Spieler aus der Patsche half. Die Vierer-Kette stand wie eine Eiche und dahinter stand ja auch noch der schnellste Torwart der Welt, Manuel Neuer.

Wenn man Löw zum Sieger erklärt, darf nicht vergessen werden, dass der Deutsche Fußballbund sich nach der Pleite bei der Europa-Meisterschaft im Jahre 2000 in Belgien und Holland an der Basis erneuert hat durch eine Strukturreform. Matthias Sammer war der beim DFB zuständige Mann für den Nachwuchs und er setzte mit die Nachwuchszentren durch. Es wurde wieder Fußball gelehrt und gelernt, die Kinder und Jugendlichen mussten nicht nur Kondition bolzen und rennen lernen, sie lernten wieder die Technik des Fußballspiels, den Ball zu behandeln, ihn zu streicheln wie ein Özil das kann, Pässe zu schlagen, das Kurz-Pass-Spiel und alles andere mehr. Dann kam das Duo Klinsmann und Löw, der nach der WM im eigenen Land Bundestrainer wurde. Seit Jahren werden in Deutschland wieder jene Spieler-Typen ausgebildet, die wir eine Weile nur noch in Spanien vermutet hatten, die aber längst  Ausnahmespieler sind, in aller Welt gefragt.

Hinter Götze,  Özil, Schweinsteiger, Müller warten inzwischen andere Talente, der Konkurrenzwettbewerb ist im vollen Gange. Man kann sicher sein, dass diese Mannschaft, die erst Frankreich besiegt hat, dann Brasilien vom Platz fegte und schließlich die Oberhand über Argentinien behielt,  dass eben diese Elf oder Vierzehn nie mehr in dieser Formation zusammenspielen wird. Wie damals 1954, als die Truppe um Fritz Walter und Helmut Rahn in Bern die Ungarn bezwang, aber der Umbruch setzte relativ schnell ein.

Löw wird den Titelgewinn genießen, zu Recht, aber stehenbleiben wird er nicht, damit ihm nicht das gleiche Schicksal passiert wie jetzt Spanien oder vor Jahren Frankreich. Stillstand wird schnell zum Rückschritt. Es wird weitergehen, weil die Zeit weitergeht und andere Ideen das Spiel verändern werden. Mit Löw als Trainer.  Hoffentlich.

Seit zehn Jahren ist Joachim Löw Bundestrainer des DFB. Er hat bei der WM in Deutschland 2006 den dritten Platz mit seiner Mannschaft belegt, zwei Jahre später stand er bei der EM im Finale und verlor, 2010 in Südafrika wurde seine Mannschaft wieder Dritter. Und jetzt hat er den ersten ganz großen Titel gewonnen. Er muss ihn  in vier Jahren verteidigen. Löw ist 54 Jahre alt. Erst. Da ist noch Luft nach oben.

 

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Tags: FußballWM BrasilienWM2014
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