Besitzdiener – man kann sie morgens im Zug gut besichtigen. Ganze Heerscharen von ihnen sind dann unterwegs. Sie tragen meist teure Anzüge, die gut sitzen. Sie haben ein Diensthandy oder gleich zwei. Sie sind schon im Zug beschäftigt, mit Füllfederhalter und Notebook – der Firma sei Dank. Während sich die anderen mit Gepäck abmühen, um einen Platz kämpfen, sich im Gang drängeln und gut hörbar das Kind nach der Mutter schreit, da geht es für sie auf dem schnellsten Weg nach Frankfurt oder Düsseldorf oder München – erster Klasse natürlich, Bahncard 100; und zur Sicherheit den Dienstwagen in der Garage. Das sind sie: typische Besitzdiener.
Doch woher stammt diese Gewissheit, woher kommt die Sicherheit, den typischen Besitzdiener zu erkennen? Kurzum: aus dem Recht. In § 855 des Bürgerlichen Gesetzbuches geht es – schon der amtlichen Überschrift nach – um den Besitzdiener. Dort liest man in feinstem Juristendeutsch:
„Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.“
Wir lernen: Es geht um tatsächliche Sachherrschaft und Weisungsabhängigkeit sowie darum, in einem Rechtsverhältnis zu stehen, auf dessen Grundlage man seinem Besitzherrn dient. Auf das Zugbeispiel gewendet sind es gerade die Abteilungsleiterinnen und -leiter in großen Unternehmen, die Firmenkarrieristen, die sich selbst unabhängig und frei sehen, ausgestattet mit den Insignien des Erfolgs. Doch das Gegenteil dürfte regelmäßig der Fall sein. Diese Menschen sind so unfrei und abhängig wie die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch. Und sie sind – gerade wegen ihrer Statussymbole – ein typisches Beispiel für den Typus des Besitzdieners.
Auch der Bundesgerichtshof stützt mit seiner Rechtsprechung diese Sichtweise. In einer jüngeren Entscheidung, ein Urteil aus dem Jahr 2015 (NJW 2015, 1679), hat er unter anderem Folgendes ausgeführt:
„Besitzdiener i. S. v. § 855 BGB ist unter anderem, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Danach sind Arbeitnehmer im Hinblick auf die ihnen zur Erfüllung ihrer Arbeitsleistung überlassenen Sachen grundsätzlich als Besitzdiener anzusehen und zwar auch leitende Angestellte.“
Eine Moral dazu gibt es nicht. Was aber bleibt, ist einerseits der Wunsch nach mehr Solidarität – auch und gerade unter Besitzdienerinnen und Besitzerdienern, andererseits die Feststellung: Vor dem Gesetz sind sie alle gleich – ganz egal, ob Kassierer, Polizist oder leitende Angestellte. Und das ist auch gut so.
(erstveröffentlicht auf das blaettchen.de)
Bildquelle: Pixabay