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Verwischte Spuren – Was bleibt vom Schwarzwald ?

Winfried Roth Von Winfried Roth
16. März 2025
Landschaftsaufnahme: Wald und Berge des Schwarzwalds

Diese Landschaft wirkt oft faszinierend: hohe, steile Berge mit weitem Blick – gelegentlich bis zu den Alpen -, endlose meist dunkle Wälder, dazwischen Schluchten, rasch fließende Bäche, Wasserfälle, klare Seen … Hinzu kommt eine außergewöhnliche folkloristische Tradition: die magischen Tage der „Fasnet“ – des Faschings -, die üppigen Trachten, die mit den Bergen geradezu verschmolzenen Bauernhäuser.

Aber diese Landschaft wird seit langem zerstört – im Auftrag von renditebewussten Grundeigentümern und Industriemanagerinnen, von dynamischen Marketingexpertinnen und entschlossenen Verkehrsplanern. Monotone Forsten, Gewerbeparks und Schnellstraßen umgeben die touristischen Brennpunkte.

Viele kulturelle Traditionen des Schwarzwalds sind mit der Auflösung der bäuerlichen Gesellschaft einfach verschwunden, andere wurden durch eine Art Ersatzfolklore verdrängt. Gerade der Bau unzähliger teurer, aber gesichtsloser Eigenheime trägt dazu bei, dass Dörfer und Kleinstädte ihren unverwechselbaren Charakter verlieren.

Verblüffenderweise war der Schwarzwald keineswegs die archaische Welt, als die nationale Ideologen, beschwingte Schriftsteller oder großstädtische Filmregisseure ihn verkauften. Das vermeintlich Ursprüngliche und Unveränderliche erwies sich oft als Fiktion. Die Landschaft wurde immer wieder radikal umgestaltet. Kulturelle Ausdrucksformen gerieten manchmal schon nach kurzer Zeit in Vergessenheit, wurden Jahrhunderte später als Tradition neu entdeckt oder gleichsam neu erfunden.

Die Geschichte des Schwarzwalds steht exemplarisch für die wirtschaftliche und kulturelle Modernisierung ländlicher Räume in Deutschland. Die „Erschließung“ hatte sicher überwiegend positive Züge. Heute ist der Schwarzwald eine wohlhabende Region mit vielen international konkurrenzfähigen Unternehmen. Die Modernisierung hätte aber umsichtiger und rücksichtsvoller ausfallen können.

Eine dunkle Geschichte

 Der Name „Schwarzwald“ findet sich seit dem frühen Mittelalter, als in den Tälern erste Siedlungen entstanden. Vermutlich nannte man das Gebirge so wegen seiner undurchdringlichen Wälder mit vielen dunkel- oder schwarzgrünen Bäumen – und wegen seiner abgrundtiefen Schluchten wie dem Höllental und der Wutachschlucht. Die Landschaft war damals wesentlich abwechslungsreicher als heute – es gab weniger Nadel- und mehr Laubbäume, mehr Wiesen und Heideflächen.

Von einem „Urwald“ konnte man allerdings vor tausend Jahren kaum noch sprechen. Schon die Menschen, die vor dem Mittelalter in kleinen Gruppen im Schwarzwald lebten, veränderten das Landschaftsbild – etwa durch Rodung und Weidenutzung.

Die scheinbar unendlichen Tannen- und Buchenwälder waren bis zum 18. Jahrhundert großenteils abgeholzt. Seither ließen die Grundeigentümer meist Fichtenplantagen anlegen. Diese Bäume versprechen mehr Gewinn – sie sind anspruchslos gegenüber dem Boden, sie wachsen vergleichsweise schnell. Die übrige Landwirtschaft – vor allem Weidewirtschaft – spielt heute im Schwarzwald nur eine geringe Rolle.

Die Monokultur begünstigte auch das Waldsterben seit den 1970er Jahren. Die Belastung durch Industrieabgase hat seither nachgelassen. Dafür macht der Klimawandel mit trockenen und heißen Sommern den Wald anfälliger für „aggressive“ Insekten wie den Borkenkäfer oder für Baumpilze mit so niedlichen Namen wie Falsches Weißes Stängelbecherchen.

Fichtenwälder wirken oft eintönig, besonders auf den Hochebenen innerhalb des Schwarzwalds. Noch dazu wachsen unter Fichten nur wenige andere Pflanzen. Vielfältige Baumarten, Gebüsch, Blumenwiesen finden sich vor allem an schwer zugänglichen Steilhängen oder in Moorgebieten.

Angegriffene Landschaften

 Immer neue Gewerbegebiete entstehen, Einfamilienhäuser, Straßen, Windräder. Der weite Blick von den Schwarzwaldbergen trifft (oder traf – bis zum Abriss) auf AKW-Kühltürme im nordbadischen Philippsburg oder im schweizerischen Leibstadt.

Das „wilde“ Gebirge steckt voller Relikte der technischen Zivilisation. Schon im Mittelalter arbeiteten Erzgruben, Schmiedewerke und Wassermühlen. Seit dem 19. Jahrhundert produzierten kleine Fabriken Garn und Stoffe, Möbel, Uhren oder Glaswaren. Wasserläufe wurden für den Bedarf dieser frühen Industrie aufgestaut, umgeleitet, verschmutzt.

Später kam Elektrizitätsproduktion durch Wasserkraft hinzu – wie die um 1930 angelegte Kette von Stauseen, Wassertunneln und Kraftwerken zwischen dem Feldberg und dem Hochrhein an der Grenze zur Schweiz. Wirklich „sauberen“ Strom gibt es nicht. Auch die Gewinnung regenerativer Energien belastet die Umwelt. Unter den Stauseen – etwa dem Schluchsee – verschwanden große, schöne Täler. Und es erhoben sich gewaltige düstere Staumauern. Andererseits entstanden attraktive Seenlandschaften.

Nicht nur zur visuellen, auch zur akustischen Landschaftszerstörung tragen die vielen Schnellstraßen bei. Manchmal überlagert dieser Lärm kilometerweit das beeindruckende Rauschen der Bergwälder. Pläne für eine Autobahn in einem der außergewöhnlichsten deutschen Täler, dem Höllental bei Freiburg, wurden zum Glück verhindert. Trotzdem ist der Verkehr dort heute so stark, dass das Tal kaum noch „Auswärtige“ anzieht.

Auch die Belastung des Schwarzwalds durch bodennahes Ozon fällt auf – obwohl sie in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist. Ursache ist – wie in vielen ländlichen Regionen – das Schadstoffgemisch, das aus den Städten herüberzieht.

Die Landschaft des Schwarzwalds wurde oft dramatisch verändert. Aber ist ursprüngliche, unverfälschte Natur das Gute ? Sicher nicht – sie birgt jede Menge Risiken. So liegt Im Schwarzwald die Radioaktivität an vielen Stellen über dem Durchschnitt – vor allem durch das natürliche Gas Radon, das aus dem Gestein aufsteigt. Die Folge: ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs.

Widersprüchliche Traditionen

 Die traditionelle bäuerliche oder kleinstädtische Kultur des Schwarzwalds besaß ein hohes ästhetisches Niveau. Heute wird sie allenfalls künstlich am Leben gehalten. Eine Ausnahme ist in manchen Orten das Faschingstreiben – „Fasnet“.

Die Grenzen zwischen agrarischer und handwerklicher Arbeit waren weniger eindeutig als in vielen anderen Regionen. Bäuerliche Familien lebten großenteils von Nebenerwerbsarbeiten.

Das Bild vom alten Schwarzwald prägen wuchtige aus Holz gebaute Bauernhäuser mit fast monumentalen, tief heruntergezogenen Dächern, mit langen Fensterreihen und Balkons. Diese Bauten – die oft einzeln standen – waren auch funktional ungewöhnlich. Sie hatten keine rückwärtige Fassade, sie gingen gleichsam in den Berg über. Vom Hang aus gelangten Fuhrwerke leicht in die Heu- und Getreidespeicher im Dachgeschoss. Viehställe waren in das Gebäude integriert.

Häuser dieses Typs – der keineswegs der einzige im Schwarzwald war – finden sich noch in zahlreichen Dörfern. Sie sind aber häufig bis zur Unkenntlichkeit verändert. Das Freilichtmuseum „Vogtsbauernhof“ nicht weit von Triberg bewahrt Häuser aus verschiedenen Orten im originalen Zustand.

Unabhängig von der bäuerlichen Architektur entstanden in Kleinstädten wie Gengenbach, Löffingen oder Sankt Blasien eindrucksvolle mittelalterliche, barocke oder klassizistische Gebäude und Straßenzüge, von denen vieles erhalten ist und auch anspruchsvoll restauriert wurde.

Das Schwarzwaldmuseum in Triberg zeigt Trachten, Möbel und kleinere Haushaltsgegenstände, es erinnert auch an die Geschichte des Bergbaus, des Handwerks und der Glas- oder Uhrenindustrie in der Region. Eine Besonderheit war im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Produktion von Drehorgeln und Musikautomaten.

Zu einem der bekanntesten Symbole der Region wurden die üppigen roten oder schwarzen Wollbüschel auf den Hüten der Frauen aus dem Kinzigtal. Unter den Trachten in Deutschland gehörten die aus dem Schwarzwald zu den aufwendigsten und farbigsten. Gelegentlich werden sie noch an Feiertagen getragen – aber es wirkt wie eine Verkleidung.

Am ehesten leben die kulturellen Traditionen des Schwarzwalds heute im Fasching – Fasnet – fort. In Triberg, Elzach, Gengenbach oder Haslach herrscht jedes Jahr am Ende des Winters für einige Tage eine geradezu magische Atmosphäre, die offensichtlich auch Jugendlichen gefällt. Die Umzüge hüpfender, komischer oder erschreckender Fantasiefiguren – manchmal im Dunkeln, mit Fackeln, zu Trommelklängen – wirken im Vergleich zum Rheinischen Karneval hintergründig oder sogar irritierend.

Die Kuckucksuhr – mit Vorläufern seit der frühen Neuzeit in verschiedenen europäischen Ländern – wurde zu einem der „Markenzeichen“ des Schwarzwalds. Die Uhrenindustrie in Furtwangen oder Schwenningen flutete seit dem 19. Jahrhundert unzählige deutsche und andere Haushalte mit diesem putzigen und zugleich nützlichen Spielzeug.

Das „Ursprüngliche“

 Nicht allein der Glaube an eine echte, unveränderliche Natur ist fragwürdig, sondern auch die Vorstellung von einer „ursprünglichen“ regionalen Kultur. Radikale Veränderungen im Schwarzwald gerieten in Vergessenheit. Andererseits kam es zu einer oft angestrengt wirkenden Neubelebung von Traditionen.

Die Trachten etwa sind nichts „Archaisches“ – es gibt sie erst seit dem 18. Jahrhundert, als die feudalen „Kleiderordnungen“ für die bäuerliche Bevölkerung wegfielen. Die neue ländliche Mode war offen für Einflüsse aus den Städten am Rand des Schwarzwalds. Im Alltag spielten die Trachten kaum eine Rolle – man trug sie an Festtagen. Und schon früh entdeckte man ihren Wert für den aufkommenden „Fremdenverkehr“.

Auch die vermeintlich uralten heidnischen Traditionen der Fasnet bildeten sich meist erst im 17. und 18. Jahrhundert heraus. Schon im 19. Jahrhundert gerieten sie wieder in Vergessenheit und wurden durch Einflüsse aus dem, wie es schien, moderneren und amüsanteren rheinländischen Karneval ersetzt. Die Schwarzwälder Tradition wurde dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewissermaßen neu erfunden.

Der Schwarzwald und seine Bevölkerung galten den damaligen Nationalisten als „typisch deutsch“. Für diese scheinbar unzugängliche Bergwelt spielten aber Kontakte zu Frankreich und der Alpenregion eine bedeutende Rolle.

Handel begünstigte den kulturellen Austausch. Im 18. oder 19. Jahrhundert lieferte der Schwarzwald vor allem Holz – Brennholz und Bauholz für die Städte, Schwellen für die Eisenbahn. Baumstämme wurden auf dem Rhein bis in die Niederlande geflößt. Die Region exportierte aber auch Erze, Edelsteine, Glas, Keramik oder Uhren. Handelsreisende zogen durch halb Europa.

Es erstaunt nicht, dass der Schwarzwald eine Küche hervorbrachte, die dem Vergleich mit französischen Leistungen durchaus standhielt.

In den Masken der Fasnet sind zum Teil Einflüsse aus Norditalien erkennbar. Die traditionellen Schwarzwaldhäuser weisen Züge der alpinen Architektur der Schweiz auf. Den vielleicht eindrucksvollsten Kirchenbau des Schwarzwalds, den klassizistischen Dom in Sankt Blasien, entwarf um 1780 ein französischer Architekt, Pierre Michel d’Ixnard.

Mit den jahrhundertelangen Beziehungen zu den Republiken Schweiz und Frankreich hängt es wahrscheinlich auch zusammen, dass sich im der Schwarzwald eine beachtliche Weltoffenheit durchsetzte – gemessen an anderen ländlichen Gebieten Deutschlands. Auffallend stark waren hier auch antifeudale und später radikaldemokratische Strömungen – etwa in den Bauernkriegen oder der Revolutionszeit um 1848.

Zerstörung

Auch die, die das Ursprüngliche suchen, verändern es. Oft gefährden sie es sogar.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten immer mehr Touristen und Sportlerinnen den Schwarzwald und andere ländliche Regionen. Sie erwarteten eine erhabene, unberührt-natürliche „Gegenwelt“ zur Großstadt. Tuberkulose- und Asthmakranke suchten in den Bergen reinere, gesündere Luft. Martin Heidegger hielt sich oft in seiner „Hütte“ bei Todtnau auf. Unter den Neugierigen waren schon früh Ausländer – wie Mark Twain, Maksim Gorkij und Ernest Hemingway

Der Tourismus – vor allem der Wintersport – veränderte die Landschaft, die Orte und auch die Mentalität der Einheimischen. Hotelanlagen und Touristenlokale mit „Heimatabenden“, Waldwege, Strandbäder, Skipisten, Sprungschanzen, Bahnlinien, Schnellstraßen und „Waldparkplätze“ breiteten sich aus.

Für die Bevölkerung wurde der Umgang mit „Fremden“ – wie die Touristen und Touristinnen lange hießen – selbstverständlich. Die Offenheit und Höflichkeit, die im Schwarzwald oft auffällt, hängt auch damit zusammen. Gleichzeitig förderte der Tourismus das Vergehen der traditionellen Kultur. Das ständige Zusammentreffen mit „städtischen“ Gästen ließ vielen Einheimischen die Überlieferung rückständig erscheinen. Es war auch schwierig, beengende patriarchalische Werte und Erhaltenswertes zu trennen. Manchmal verwandelte sich regionale Symbole und Traditionen in eine Art Produktmarken.

Der „Fremdenverkehr“ entwickelte sich in vielen Gegenden des Schwarzwalds sogar zur wichtigsten Branche. Erstaunlicherweise setzte die moderne Dienstleistungsgesellschaft in Deutschland sich hier – in einer agrarischen Region – besonders früh durch.

Auch die Bevölkerung veränderte sich rasch. In der Ära der Industrialisierung verließen Bauern die Dörfer auf der Suche nach Arbeit. Aus anderen Regionen zogen Beamte, Lehrerinnen, Techniker oder Ärzte zu. Eine massive Veränderung bedeutete der Zustrom von Flüchtlingen aus dem Osten Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. All das trug zur Auflösung regionaler Traditionen bei.

Eine Kultur des Ersatzes

 Ein vielleicht zweihundert Jahre alter Bauernhof im Schwarzwald nach der Modernisierung: die Schindelwände wurden durch Rauputz im Pizzeria-Stil ersetzt, die kleinteiligen Fenster durch großflächige, die aufwändig verzierten hölzernen Balkongeländer durch wuchtige Blechplatten mit den Wappen von Hansestädten. Die äußerst vielfältige regionale Küche, die gern Wild, Beeren oder Pilze verarbeitete, ist zwischen Pforzheim und Erzingen heute nur noch mit Mühe zu finden. Vielleicht wird zu Kohlroulade, Döner-Teller oder Pizza Hawaii ein Schwarzwälder Kirschwasser angeboten.

Die faszinierende traditionelle Kultur des Schwarzwaldes ist so gut wie verschwunden – angesichts der gesellschaftlichen Umwälzungen im 19. und 20. Jahrhundert ist das auch nicht überraschend. Aber an ihre Stelle trat oft etwas Dürftiges und Schales. Und nicht nur Touristen, auch viele Schwarzwälderinnen und Schwarzwälder fanden Gefallen daran.

Längst bestimmen teuer bezahlte, aber ästhetisch billige Neubauten das Bild der Dörfer und Kleinstädte. Krasser Kitsch findet sich überreichlich an den Fassaden und in den Gärten, in Souvenirläden, in Lokalen und Hotels. Die Ersatzfolklore kommt auch ohne Motive aus dem Schwarzwald aus.

Längst hat sich zwischen Schottland und Makedonien ein austauschbarer „rustikaler“ Stil durchgesetzt. Einzelne Elemente folkloristischer Herkunft – vereinfacht und aus dem Zusammenhang gerissen – werden zu einer beliebigen Dekoration zusammengefügt.

Mit Blick auf den Dialekt, die „Heimatsprache“, gibt es eine widersprüchliche Entwicklung. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurde im Schwarzwald und in Baden das Alemannische häufig als rückständig und wertlos missbilligt und zurückgedrängt. Seit den siebziger Jahren aber sprechen viele den Dialekt mit neuem Selbstbewusstsein. Und doch verliert das Alemannische – wie überhaupt regionale Kultur – unter dem Einfluss eines lebhaften Bevölkerungsaustauschs und von Fernsehen oder Internet weiter an Bedeutung.

Mythischer Wald

 Wie stellte die Kultur jenseits der Folklore den Schwarzwald dar ? Er spielte eine besondere Rolle für den Mythos vom „deutschen Wald“, der sich im 19. Jahrhundert ausbreitete. Bis dahin war Wald eher als etwas Bedrohliches empfunden worden, das man unterwerfen musste. Jetzt bekam er etwas Anziehendes, geradezu Erhabenes.

Auch wenn es im Schwarzwald mehr Weltoffenheit und oppositionell-demokratische Traditionen gab als in vielen anderen Gegenden Deutschlands – es überwogen reaktionäre Verhältnisse und provinzielle Beschränktheit.

Das überregionale Bild vom Schwarzwald prägten für lange Zeit die zuerst 1842 gedruckten „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ von Berthold Auerbach. Sie entwarfen oft ein idealisiertes Bild ländlichen Lebens. Realistischer stellte Jahrzehnte später Hans Thoma in manchen seiner Gemälde Alltagsszenen und Naturstimmungen dar.

Das bekannteste musikalische Werk über die dunklen Berge und ihre Menschen ist die klischeegesättigte Operette „Schwarzwaldmädel“ aus dem Jahr 1917 – von dem Berliner Komponisten Léon Jessel und dem österreichischen Librettisten August Neidhart. Die beschwingte Musik enthält kaum regionale Motive, die Handlung könnte auch in irgendeiner anderen ländlichen Gegend spielen. Die Dialektanklänge im Text fallen nicht alemannisch aus, sondern schwäbisch – bezeichnend für die Gleichgültigkeit dieser Operette gegenüber ihrem Thema.

Obwohl die Werke Auerbachs und Jessels mit nationalistischen Vorstellungen von „Heimatverbundenheit“ gut vereinbar waren, verboten die Nationalsozialisten sie – beide Künstler waren jüdischer Herkunft.

„Das Schwarzwaldmädel“ ist – auch dank mehrerer Verfilmungen – bis heute populär, die Hauptdarstellerin Sonja Ziemann wurde in den fünfziger Jahren zur Ikone des Schwarzwalds. Die Landschaft diente als idyllische Kulisse für Kitsch und Melodramatik. In Fernsehserien wie „Forellenhof“ und „Schwarzwaldklinik“ war es ähnlich. Verblüffenderweise erwiesen sich die unrealistischen Züge dieser Filme als durchaus vereinbar mit dem modern-dynamischen Selbstbild vieler Schwarzwälderinnen und Schwarzwälder.

Was bleibt vom Schwarzwald ?

Von seiner früheren regionalen Kultur existieren heute nur noch Bruchstücke. Seine Natur wird längst kontrolliert, geplant, geformt von der Forst- oder Energiewirtschaft und der Tourismusbranche – aber sie ist immer noch eindrucksvoll.

Ist Natur „out“ ? Die Touristenzentren im Schwarzwald sind nach wie vor oft überfüllt. Aber in den Wäldern begegnet man immer weniger Menschen. Auch die Einheimischen verlieren, so scheint es, allmählich das Interesse an der – trotz aller Zerstörung – nach wie vor imposanten Landschaft.

Wandern heißt inzwischen Trekking und könnte vielleicht sein verstaubtes Image wieder loswerden. Aber nur wenige Routen im Schwarzwald sind noch belebt. Kleinere Wege, die früher vor allem für Einheimische attraktiv waren, sind heute oft überwuchert oder wurden von Regen und Schmelzwasser weggespült.

Viele Besucherinnen und Besucher wollen nicht mehr eine bestimmte Landschaft erleben – sie suchen ein Gelände für Mountainbiking, Slalom oder Langlauf (auch wenn der Klimawandel viel weniger Schnee als früher bedeutet und „Kunstschnee“ längst unverzichtbar ist). Die Landschaft ist nur Kulisse. Manchmal breitet sich Rummelplatzatmosphäre aus.

Die nationalen Kulturen lösen sich in Europa und Nordamerika seit einigen Jahrzehnten zögernd auf. Regionale Unterschiede – bis auf Symbolisches – haben sich weitgehend aufgelöst. Die internationale Unterhaltungsindustrie – zu ihr gehört mehr oder weniger auch die Tourismusbranche – produziert eine weithin einheitliche populäre Kultur. So unterscheiden sich Ferienanlagen, Speisekarten oder Hintergrundmusik von Strand zu Strand, von Piste zu Piste, von Vergnügungsmeile zu Vergnügungsmeile immer weniger. Einzelne regionale Elemente – ein Rhythmus, ein Dekor, ein Aroma – werden vielleicht global übernommen. Eine unendliche kulturelle Vielfalt aber lebt allenfalls im Museum weiter.

Nicht nur die Träume von „Fremden“, auch die Selbstbilder der Schwarzwälderinnen und Schwarzwälder änderten sich. Bis in die „Wirtschaftswunder-Ära“ herrschte oft Scham über die vermeintliche eigene Zurückgebliebenheit. Seither setzte sich eher Stolz auf regionale Traditionen durch. Dennoch ist nicht mehr viel von ihnen übrig.

Wahrscheinlich sind viele, die „Schwarzwald“ gebucht haben, schon mit dem Klischee zufrieden: mit der Schwarzwälder-Kirsch-Torte – die womöglich in Brandenburg erfunden wurde -, mit der Kuckucksuhr aus Plastik – hergestellt im chinesischen Shantou -, mit der als Bäuerin aus Auerbachs Zeit verkleideten Souvenirverkäuferin. Anderswo in Europa oder den USA ist es nicht anders.

Viele, die vier Wochen in Yucatán, in Andalusien oder im Schwarzwald waren, haben attraktive Pools, traumhafte Tennisplätze, hinreißende Cafés, überwältigende Souvenirshops und die zündende Musik eines Folkloreabends erlebt – sonst aber ziemlich wenig.

Vielleicht erlischt gegenwärtig unter dem Eindruck eines historisch beispiellosen Unterhaltungsangebots das Interesse am „wirklichen“ Leben, an seinem immer noch aufregenden Alltag und an seinen vielfarbigen Landschaften.

Bildquelle: Pixabay

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