Göttinger Erklärung vom 12. April 1957
Auszug aus der Göttinger Erklärung vom 12. April 1957

Vor 65 Jahren: Die Erklärung der Göttinger 18

Heute scheint die Sorge vor dem Einsatz von Atomwaffen verblasst.

Vor 65 Jahren war das anders. Am 12. April 1957 veröffentlichten 18 führende deutsche Atomphysiker, unter der Führung von vier Nobelpreisträgern, eine Erklärung zu Plänen der damaligen Bundesregierung zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr. Damals waren die Erfahrungen von Hiroshima und Nagasaki und die des globalen II. Weltkriegs noch präsent.

Der öffentliche Erfolg der Erklärung, die breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung zur Rüstungsbegrenzung („nicht auch noch deutsche Atomwaffen“), führte dazu, dass der Zirkel der Göttinger Achtzehn einen Schritt weiter ging: Am 1. Oktober 1959 hoben sie die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) aus der Taufe.

Motive dafür gab es zwei.

  1. Den Atomphysikern war eines sonnenklar: Die seitens der Verteidigungspolitik angestrebte Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Stationierung von Atomwaffen auf dem Boden des zum eventuellen Schlachtfeld auserkorenen Deutschlands hatte zur Bedingung, dass diese keine Anschauung und kein Verständnis von den Wirkungen eines nuklear geführten Krieges auf sie selber hat. Sie sollte wie Lämmer bleiben. Deswegen gab es dazu keine (öffentlich geförderte) Forschung. Diesen Mangel auszugleichen war die erste Aufgabe der Forschungsstelle der VDW.
  2. Den Göttinger Achtzehn wurde von der Politik entgegengehalten, dass sie keine Ahnung hätten von den militärischen und sicherheitspolitischen Zusammenhängen, innerhalb derer die deutsche Politik den Besitz von Atomwaffen anstrebe. An diesem Vorhalt war etwas dran. Deswegen wurde Sicherheits- und Militärpolitik zu einem der ersten Forschungsfelder der VDW.

Wer heute wissen will, was die Folgen eines Atombomben-Abwurfs auf Hamburg z.B. sind, kann sich informieren. Wer heute die Stimmen der Wissenschaft in Deutschland sucht, welche den Krieg in der Ukraine militärstrategisch zu erläutern in der Lage sind, sucht hingegen vergeblich – es bleibt nur, den Militärs zu folgen. Die Aktiven aber schweigen in Deutschland weitgehend, anders die im neutralen Österreich – denen, von einer Militär-Akademie(!), zuzuhören, sei empfohlen.


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Hans-Jochen Luhmann (geboren 1946); Studium der Mathematik, Volkswirtschaftslehre und Philosophie. Promoviert in Gebäudeenergieökonomie. Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und Studienleiter beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Nach zehn Jahren als Chefökonomon eines Ingenieurunternehmens und 20 Jahren als Experte für Umwelt-Abgaben-Politik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, ist er dort heute Emeritus. Er ist Lehrbeauftragter für Klimapolitik an mehreren deutschen Hochschulen, Herausgeber der Zeitschrift „Gaia“ und Mitglied sowohl im Beirat der VDW als auch in deren Studiengruppe „Europäische Sicherheit und Frieden“.


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