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Die Kanzlerpartei CDU auf der Suche nach einer neuen Führung

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
3. November 2021
Angela Merkel

Die CDU war immer die selbsternannte Kanzlerpartei. Sie definierte sich auch-grob gesagt- durch den Kanzler/die Kanzlerin, die ihr den Sieg bei Bundestagswahlen bescherten. Kanzler und Parteichef, das waren viele Jahre eine Person. Als Beispiele seien hier drei genannt: Konrad Adenauer, einer der Mitgründer der CDU, erster und ältester Kanzler der Republik nach dem 2. Weltkrieg, Helmut Kohl, der sich gern als Enkel des Alten bezeichnete, Angela Merkel, die Frau aus dem Osten und überhaupt erste Frau als Regierungschefin, „Kohls Mädchen“- sie alle hatten Rekorddienstjahre auf dem Buckel, Adenauer 14, Kohl und Merkel je 16. Und alle drei waren ja auch lange CDU-Vorsitzende. Adenauer von 1946 bis 1966, Kohl von1973 bis 1998, Merkel von 2000 bis 2018, dann legte sie freiwillig das CDU-Amt nieder und kündigte an, bei der nächsten Wahl nicht wieder als Kanzlerin anzutreten.Adenauer, Kohl und Merkel prägten die CDU lange, sie waren unumstritten, solange mit ihnen die Kanzlerschaft verteidigt werden konnte. Ludwig Erhard, Nachfolger Adenauers und von diesem nicht gerade geschätzt, bekam das zu spüren. Die CDU ließ ihn, den erfolgreichen Wirtschaftsminister, als Kanzler fallen aus Sorge um ihre Vorherrschaft als Regierungspartei. Sein Nachfolger Kurt-Georg Kiesinger bildete dann die erste Große Koalition, gewann die nächste Wahl 1969, verlor aber die Kanzlerschaft an Willy Brandt(SPD), der mit der FDP und Walter Scheel die erste sozial-liberale Regierung bildete. Kiesinger wurde auch als CDU-Chef nach nur vier Jahren von Rainer Barzel abgelöst, der wiederum nur zwei Jahre die Partei führen durfte, dann kam Helmut Kohl. Wolfgang Schäuble löste Kohl im Jahre 2000 ab, stolperte über die Spendenaffäre, dann folgte Merkel, die 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer als ihre Nachfolgerin im Adenauer-Haus erfolgreich vorschlug, was aber AKK auch nicht lange auf dem Stuhl hielt. Ebenso erging es Armin Laschet, der gerade seine Nachfolge als CDU-Chef regelt.

Diese, wenn man so will, Bindung des CDU-Chefs mit dem Amt des Kanzlers, das hat sich gezeigt, mag bei einem starken Kanzler funktionieren, weil sich die Partei dann gern hinter ihm versammelt. Das Programm ist dann fast nur noch der Kanzler. Kohl war die CDU, die CDU war Kohl. Aber als der Oggersheimer, immerhin Kanzler der Einheit, die Wahl gegen den SPD-Aufsteiger Gerhard Schröder verlor, war es auch mit der Autorität Kohls in der CDU schnell vorbei. Der Verlierer muß gehen. So wie es jetzt Armin Laschet passiert ist, dem Noch-CDU-Chef, der als Kanzlerkandidat kläglich gescheitert ist. Weil er gegen viele Widerstände in der eigenen Partei und gegen Markus Söder nie jene Autorität gewinnen konnte, die man braucht, um eine Bundestagswahl zu gewinnen. Ausgerechnet die SPD, diese schwierige Partei, die sonst immer gut war für Eigentore, Querschüsse jeder Art, zeigte den Konservativen, wie diszipliniert man auftreten kann. Geschlossen hinter Olaf Scholz. Ein solches Bild hätte Laschet gern für sich gehabt, Partei, Fraktion, die bayerische Schwester- alle Hand in Hand gegen die böse Sozialdemokratie. Das war nicht so. Und jetzt stehen sie da und suchen nach einem Weg, der sie möglichst schnell wieder an die Spitze, nämlich ins Kanzleramt führen soll. Das kann dauern, weil die Führung fehlt, der Kopf der CDU, die überragende Persönlichkeit, hinter der sich eine Volkspartei nennende politische Gruppe von 400000 Köpfen versammelt.

Deshalb hat man jetzt beschlossen, was man bei der SPD vor zwei Jahren belächelt hatte, weil es ein Ausweg war, aus einem Dilemma herauszufinden: eine Mitgliederbefragung. Das Ergebnis dieser Abstimmung unter allen Mitgliedern der CDU soll dann von einem Parteitag im Januar abgesegnet werden. So weit so gut. Oder schlecht. Wie man will. Nur ist damit allein noch nicht viel gewonnen oder erreicht oder geklärt. Man schaue sich nur die genannten Kandidaten an: Es sind alles Männer, alle aus NRW. Als bestünde die Volkspartei CDU nur noch aus Rheinländern und Westfalen. Keine Frau ist darunter, kein Christdemokrat aus Niedersachsen, niemand aus Hessen, aus Rheinland-Pfalz, wo sind die Cleverles aus Baden-Württemberg, wo der Osten der Republik?

Friedrich Merz ist mit seinen 66 Jahren ein alter Hut. Ein Verlierer zumal. 2018 zog er den Kürzeren gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, zwei Jahre später unterlag er gegen Armin Laschet. Und nicht zu vergessen, dass derselbe Merz 2002, als Merkel neben dem Parteivorsitz auch die Führung der Unions-Fraktion anstrebte, sich vom Acker machte. Er war Fraktonschef der Union, er hätte den Mumm zu einer Kampfkandidatur gegen Merkel haben müssen. Hatte er aber nicht. Mir unverständlich, dass immer wieder die Mär erzählt wird, Angela Merkel habe Merz weggebissen. Pardon, das klingt unschön, wird aber so gern gesagt. Übrigens gehörte das mit dem Fraktionsvorsitz zum Deal Merkel/Stoiber beim Frühstück in Wolfratshausen 2002. Damals servierte die CDU-Chefin dem CSU-Mann die Kanzlerkandidatur auf dem Tablett und der sicherte im Gegenzug der Christdemokratin die Unterstützung der CSU bei der Wahl zur Fraktionschefin zu.

Zu Merz lese ich in einer Kolumne bei t-online: der Sauerländer gelte als „Mann des letzten Jahrhunderts. „Krachend konservativ“, ein Mann der Wirtschaft, der Jahre außerhalb der Politik verbrachte und ein vermögender Mann wurde. Wo bleibt das Soziale? Die CDU bildete sich zu Recht immer etwas ein auf ihren Arbeitnehmerflügel, ihre Sozialpolitik. Einer wie Norbert Blüm stand dafür, jetzt ist es in NRW Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister an Rhein und Ruhr. 

Norbert Röttgen wird genannt. Muttis Klügster hieß er mal mit Beinamen. Wer Christdemokraten in Bonn nach Röttgen fragt, bekommt schon mal zu hören, dass der ziemlich arrogant sei, gern über den Wolken schwebe. Deshalb mache er ja auch Außenpolitik. Röttgen wurde 2012 aus dem Kabinett Merkel entlassen, nachdem er haushoch die Landtagswahl in NRW gegen Hannelore Kraft vergeigt hatte. Röttgen hatte sich zudem einige Sympathien verspielt in der eigenen Partei, weil er bei seiner Kandidatur in NRW keine Bereitschaft gezeigt hatte, in jedem Fall- also auch bei einer Niederlage- Berlin gegen Düsseldorf zu tauschen. Röttgen sieht sich als konservativ, aber als Mann der Mitte, der modernen Mitte- anders als Merz, der eher rechts verordnet wird. Mit 56 Jahren ist Röttgen zehn Jahre jünger als der Konkurrent aus dem Sauerland. Ob er für eine wirkliche Erneuerung der CDU steht? Er könnte darauf verweisen, dass er schon zu Kohl-Zeiten zur Pizza-Connection von CDU und Grünen gehörte, die im feinen Bonner Restaurant „Sassela“ tafelte und dort neue Möglichkeiten der Politik erörterte, auch über schwarz-grüne Bündnisse fabulierte. Aber das hat Laschet übrigens auch nicht geholfen.

Röttgen erklärt viel, auch, dass die Partei jünger werden müsse, sicher wäre er auch nicht dagegen, dass die CDU mehr Frauen in Führungspositionen lassen müsse. Er ist in Talkshows zu Hause, wo er das große Wort gegen Russland führt. Ein gern interviewter Politiker in den Medien, weil er druckreif formuliert. Aber- und das ist sein Problem: Röttgen ist Röttgen, ein Einzelkämpfer, keiner von der Basis, er ist auch keiner, der in einem Team vorstellbar wäre. Merz hat den Wirtschaftsflügel hinter sich, die Konservativen- auch viele im Osten. Röttgen dagegen kämpft allein auf weiter Flur, wobei man ihm attestieren muss, dass er die Fähigkeit zur Mobilisierung hat. Er kann eine Kampagne initiieren. Er zieht von Kreisverband zu Kreisverband und wirbt- für Röttgen. Er hat gelernt zu verlieren- gegen Laschet, den er Jahre zuvor, als es um das Erbe von Jürgen Rüttgers in NRW ging, noch abgehängt hatte.

Carsten Linnemann wird genannt, der mit 42 Jahren einer der Jüngsten unter den möglichen Anwärtern ist. Er ist Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung. Linnemann könnte in einem Team Merz mitwirken. Aber ob das Sinn macht? Beide repräsentieren die Wirtschaft, nicht die Arbeitnehmerschaft. Möglich, dass einer wie Ralph Brinkhaus eine Rolle spielt. Der ist aber schon Fraktionschef und will das bleiben. Kein schlechter politischer Job für die führende Oppositionspartei. Aber auch er ist aus NRW, wie Linnemann. Brinkhaus sollte man nicht unterschätzen. Er hat sich vor Jahr und Tag gegen ein Votum von Angela Merkel durchgesetzt. Sie wollte Volker Kauder als Fraktionschef behalten, Brinkhaus hielt dagegen, blieb im Ring und gewann. Hut ab! Und dann ist da noch der ehrgeizige Jens Spahn, nicht unbedingt erfolgreicher Bundesgesundheitsminister. Wobei man einräumen darf, dass dies auch oft einer der schwierigsten Aufgaben war und ist in einer Regierung. Spahn wird viel genannt, weil Spahn auch immer da ist, auf dem Platz, dem Podium. Aber er gilt als ein Stück weit illoyal, was sich zeigte, als er im Team von Laschet kandidierte. Aber mitten im Wahlkampf ließ derselbe Spahn mal eben bei den CDU-Granden sondieren, ob er nicht auch allein losmarschieren könne- direkt aufs Kanzleramt. Wer solche Freunde hat, weiß das Volk, braucht keine Feinde. Man frage Armin Laschet.

Und noch einmal die Frage: Wo sind die Frauen nach Merkel? Die Bewerber aus dem übrigen Deutschland?

Die Mitgliederbefragung in einer Partei ist keine Patentlösung. Am Ende braucht man ein Ergebnis, mit dem alle Gruppierungen, Frauen und Männer, Junge und Alte, Arbeitgeber und Arbeitnehmer leben können. Sie muss zudem fair geführt werden, es dürfen nicht, wie damals in Baden-Württemberg geschehen, Gräben aufgerissen, Wunden geschlagen werden. Die Verlierer- und die wird es ja geben- müssen eingebunden werden von dem Sieger des Wettbewerbs, der in der Lage sein muss, ein Team zu bilden, das schlagkräftig ist. Und dieser Sieger muss dann seine Führungskraft unter Beweis stellen. Klar und in aller Demut. Einen Erlöser gibt es nicht in der Politik. Eine notwendige inhaltliche Erneuerung der CDU darf nicht nur an der Person des neuen Vorsitzenden hängenbleiben, da müssen schon viele, sehr viele mitmachen. Die Zeiten sind vorbei, da die Partei in der bequemen Lage war, ihre Defizite durch eine beliebte Kanzlerin verdecken zu lassen. Die CDU muss sich programmatisch neu aufstellen, weil sie schon in wenigen Monaten bei den Wahlen in NRW zum Beispiel die Frage beantworten muß: Warum sollen die Wählerinnen und Wähler CDU wählen?

Bildquelle: Pixabay, Bild von Jonas Schmidt, Pixabay License

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