Was bedeutet konservativ in der CDU? Wohin treibt die CDU? Was will die Werte-Union mit der Forderung nach einem sofortigen Rücktritt der Bundeskanzlerin erreichen? Warum wird Friedrich Merz stellvertretender Präsident des Wirtschaftsrates der CDU? Kann sich die schwache Parteivorsitzende Andrea Nahles im Amt halten? Gibt es Neuwahlen?
Eine Prognose:
High noon in der CDU. Der Kampf um das wichtigste Amt im Staat, die Nachfolge von Angela Merkel, ist eröffnet. Vor und hinter den Kulissen in Berlin brodelt die Gerüchteküche. Alexander Mitsch verlangt als Vorsitzender der Werte-Union, dem konservativen und wirtschaftsliberalen Verband in der CDU/CSU, gleich zweimal den sofortigen Rücktritt der Bundeskanzlerin. Selbst jene auf die Kaffeesatzleserei trainierten Journalisten und politischen Beobachter rätseln, wem dieser Vorstoß nützen soll.
Dabei ist sicher: Diese Forderung soll keineswegs der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer den schnellen Weg ins Kanzleramt ebnen. Und so stellt sich die Frage, wem das helfen soll? Denn im Gegensatz zur Praxis früherer Jahre haben die Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und Andrea Nahles keinen natürlichen Anspruch mehr auf die Kanzlerkandidatur für die nächste Bundestagswahl. Zwar ist die CDU- Vorsitzende die Wunschnachfolgerin von Angela Merkel, doch sie hat den starken CDU-Wirtschaftsflügel und den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble gegen sich., während sie selbst dem fast einflusslosen Arbeitnehmerflügel der Partei angehört. Die Wirtschaftskonservativen in der Partei haben es jedenfalls noch nicht aufgegeben, ihren bei der Wahl zum CDU-Vorsitz knapp unterlegenen Friedrich Merz ins Rennen um die Kanzlerkandidatur zu schicken. Und entsprechend will sich der Multimillionär am 11. April 2019 zum Vizepräsidenten des Wirtschaftsrates der Union küren lassen. Inzwischen ist er vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dabei, Delegierte um sich zu scharen, um dann wie Phönix aus der Asche aufzuerstehen. Jetzt hält er sich bedeckt, um sich von seinen Fans und hilfswilligen Journalisten rufen zu lassen, sobald er eine reale Gewinnchance sieht.
Alles soll so bleiben, wie es ist
Schlammchlachten sind aber nicht zu erwarten, denn die CDU-Mitglieder reagieren empfindlicher als die SPD-Genossen auf Disharmonien. Wer öffentlich stänkert, hat schon verloren. Es wird daher über Bande gespielt, wie beim Billard, so dass sich Annegret Kramp-Karrenbauer konservativer und Friedrich Merz sozialer profiliert, um die wacklige CDU-Mitte zufrieden zu stellen. So ist eben Lipservice. Später sehen sie dann wieder aus, wie sie tatsächlich sind.
Welche Ziele verfolgt nun aber die Werte-Union? Die Leidenschaft dieses Verbandes innerhalb der Unionsparteien ist schlicht und ergreifend der Macht- und Gelderwerb, was in unserem Wirtschaftssystem ja nichts unehrenhaftes wäre, wenn es ihnen nicht darum ginge, jenen 10% der Bevölkerung, die über 60% aller Vermögenswerte verfügen, den Reichtum nicht nur zu erhalten, sondern zu vermehren. Für diese Gruppierung soll alles so bleiben, wie es ist. Die skandalöse Vermögensverteilung, die Abhängigkeiten der Arbeitnehmer vom Kapital und einem Sozialsystem, in dem 40% der Menschen an oder unter der Armutsgrenze leben, dass soll so bleiben und wir Deutsche dennoch brave Untertanen.
Niemand in der CDU/CDU aber verkörpert diese Werte besser als Friedrich Merz. Ihn Diener des Raubtierkapitalismus zu nennen, liegt auf der Zunge, wäre aber eine Beleidigung der Raubtiere, denn die jagen ihre Beute nur dann, wenn sie Hunger haben. Denn BlackRock, eine der größten Investitionsgesellschaften der Welt, jagt und frisst weltweit rund um die Uhr. Ja, dieser Finanzhai ist unersättlich. Die Bilanzsumme beträgt ca. 200 Mrd. USD. Der von der Springerpresse und den konservativen CDU-Kreisen gestützte „Hoffnungsträger“ (Bild) vergleicht BlackRock, ohne zu erröten, mit einer Bausparkasse. Tatsächlich besitzt das Unternehmen 5% von 30 DAX-Unternehmen in Deutschland und beeinflusst mit ähnlichen Kapitalgesellschaften wie z.B. Vonovia die Geschäftspolitik von ca 17.000 Unternehmen. Deren Chefs müssen beim BlackRock-Boss Larry Fink in New York zum Rapport antanzen. Mit einem in der Welt einmaligen Analysesystem kann das Unternehmen die Märkte zugunsten seines Profits manipulieren. Von Staaten ist eine solche internationale Krake nicht mehr zu kontrollieren oder gar zu beherrschen. Der alerte Rechtsanwalt und Ex-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich Merz sitzt immer noch in fünf Aufsichtsräten, bezeichnet sich selbst aber als ein Politiker der Mitte.
Es fehlen Leuchttürme
Karl Marx hat uns gelehrt „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“. Doch von der CDU ist eine Diskussion darüber nicht zu erwarten. Und so ist es an der Zivilgesellschaft, sie endlich zu eröffnen, etwa im Sinne des britische Philosophen und Labour-Abgeordneten Bryan Magee in: „Die demokratische Revolution“ besteht in der Tendenz auf Ideen, auch dann noch, wenn sich die Tatsachen in einer Maße geändert haben, dass sich die Anwendung dieser Ideen ausschließen. Konservativismus ist demnach Trägheit als Lebensstil, bewahrt also nicht, wie sich beim Umgang mit dem Klima zeigt. Erhalt der Natur? Ja, aber es darf nichts kosten. Aber zurück zu besagtem politischen Personal.
Wer die Täterprofile in Berlin-Mitte beobachtet, kommt zu folgender Prognose: Die Bundeskanzlerin wird aus der Kulisse heraus ihre Favoritin Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Kanzlerkandidatur unterstützen und dann, wenn sich deren Erfolg abzeichnet, ein Jahr vor der Wahl zurücktreten. Sie ist heute frei in ihrer Entscheidung. Die neue CDU-Chefin aber kann dann mit dem Bonus der Bundeskanzlerin in den nächsten Wahlkampf ziehen und ist als Vorsitzende der Mehrheitspartei gegenüber ihren Konkurrenten noch klar im Vorteil, da sie über den Parteiapparat verfügt und bereits Wahlen gewonnen hat.
Der Trend kann sich jedoch ändern, wenn die sich abzeichnende Flaute der Weltwirtschaft auf Deutschland übergreift. In den letzten Quartalen des Jahres 2018 deutete sich
das schon an. Dann werden Merz und seine Hilfswilligen in „der politischen Klasse“ (Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt), zu der zahlreiche Journalisten gehören, auf seine Kompetenz als Mann der Wirtschaft pochen.
Und da sind die möglichen Neuwahlen, wenn die dritte GROKO zerbrechen würde: das benachteiligt zweifellos Merz, der ja ohne Mandat dasteht, während die Pfarrerstochter Angela Merkel wie die Ex-Ministrantin Andrea Nahles und die Kirchgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer diese so fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Die Bundeskanzlerin, weil sie ihren Abgang selbst gestalten will, die SPD- Vorsitzende, weil sie vermutlich Verliererin der Europawahl sein wird, und Annegret Kramp-Karrenbauer, weil sie Zeit zur Profilierung braucht.
Aber unterschätzen wir diese Frauen nicht: alle drei sind talentierte Netzwerkerinnen, wodurch ein real existierendes Matriarchat entstanden ist. Das Strippenziehen hinter den Kulissen haben sie förmlich zum Kunsthandwerk geadelt und lassen die in ihrer Männlichkeit gekränkten Kontrahenten alt aussehen. Leuchttürme, die der Gesellschaft Perspektiven aufzeigen könnten, sind sie aber nicht. Zukunft können sie ebensowenig wie die Männer.
Der Autor Hans Wallow war Mitarbeiter und Berater von Helmut Schmidt.
Hier macht der 2015 verstorbene Ex-Kanzler hinter den Kulissen seine Faxen mit Frau Loki.
Bildquelle Titelbild: Wikipedia, Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0 de