Gleich am Anfang sei es zugegeben: Jetzt werde ich auch mal polemisch. Aber dem „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt kann man mitunter nicht anders beikommen. Als Großmaul und mit seiner Doppelmoral bringt Reichelt es zu höchster Perfektion. Ins Stolpern kann er gar nicht geraten. Dazu ist er offensichtlich viel zu sehr von sich überzeugt.
In der jüngsten Ausgabe des „Spiegel“ (Nr. 41 vom 5.10.2019) ging Reichelt, wie es sich für einen „Bild“-Mann gehört, so richtig in die Vollen. „Bild“ soll zur Fernsehmarke werden. „Wir sind selbstbewusst genug zu glauben, dass es genug Menschen gibt, die lieber das schauen, was „Bild“ zeigt, als etwas anderes“. Andere Sender schickten vielleicht auch Reporter in Krisengebiete. Die aber berichteten nur „aus dem Hotelzimmer“. Reichelt hingegen entsende für sein „Bild“-TV „mehrere Teams, die im brennenden Regenwald stehen und mit Menschen reden, um die herum alles gerodet wird“. Als Senderslogan kann er sich vorstellen „Zeigen, was ist“ und schiebt nach: „Wir wollen das Land, die Welt, die Politik und den Alltag der Menschen so zeigen, wie es die Leute erleben, und nicht so steril und weichgespült wie teilweise bei den Öffentlich-Rechtlichen.“
Was für ein ausgemachter Blödsinn! Gewiss, bei „meiner“ ARD, für die ich 22 Jahre als Reporter unterwegs war, liegt manches oder vieles im Argen. Das möge kritisiert werden, aber bitteschön mit Fakten. Meine Kollegen und ich waren auch dort, wo es knallte, stank, brannte, wo gestorben wurde und es gefährlich war, manchmal wirklich lebensgefährlich. In Hotelzimmern haben wir das Videomaterial allenfalls geschnitten und von dort aus nach Deutschland überspielt. Und oft hatten wir nicht mal Hotelzimmer. Julian Reichelt muss den öffentlich-rechtlichen Sendern mit ihrem beispiellosen Korrespondenten-Netz nicht erzählen, wie Kriegs- und Krisenberichterstattung geht. Das konnten die schon, als der heute 39-jährige vielleicht noch die „Sesamstraße“ schaute.
So viel zur Großmäuligkeit. Und jetzt zu Reichelts Doppelmoral.
Wieder Zitate aus seinem wirklich lesenswerten „Spiegel“-Interview: „Ich glaube, dass es den Leuten massiv auf die Nerven geht, wenn sie dauernd erfahren, warum über manche Dinge nicht berichtet wird, statt zu sehen, was eigentlich passiert ist.“ Und dann noch ein Kernsatz: „Medien und Politik haben das Gefühl für den Alltag der großen Masse von Menschen in diesem Land verloren.
Stellen wir mal ein paar Zusammenhänge her: Gerade in diesen Tagen verkündete Julian Reichelt ein gewaltiges Sparprogramm, das 150 bis 200 Redakteure den Job kosten dürfte. Zig Millionen Euro sollen eingespart werden. Dieses Sparprogramm, so Reichelt einfühlsam im Spiegel, „macht mich traurig“. Aber „ich stehe dazu und bin überzeugt, dass es richtig ist.“
Wo dermaßen drastisch und mit schlimmen Konsequenzen für Beschäftigte gespart werden muss, wäre es doch für diese Beschäftigen interessant zu erfahren, wieviel Herr Reichelt und sein Springer-Verlagschef Mathias Döpfner verdienen. Was ist dran an den Riesen-Summen, die nur geschätzt werden können, weil der Springer-Verlag und Reichelt systematisch mauern, die überaus üppigen Top-Gehälter als Geheimsache behandeln? Dabei hatte doch Reichelt höchst selbst im „Spiegel“ fabuliert, „dass es den Leuten massiv auf die Nerven geht, wenn sie dauernd erfahren, warum über manche Dinge nicht berichtet wird“.
Was Intendanten, Programmdirektoren, Chefredakteure in der von Reichelt so herablassend kritisierten ARD und beim ZDF verdienen, kann man hingegen überall nachlesen – auf Euro und Cent genau. Das wiederum lieferte „bild.de“ Munition für die Schlagzeile: „Hammergehalt! Lesen Sie mal, was ein ARD-Boss verdient“. Dabei kommt keiner der ARD-Intendanten auf das Gehalt von Bild-Chef Reichelt. Dessen Jahreseinkommen wird vom Mediendienst „kress pro“ zwischen 500.000 und einer Million Euro im Jahr angesetzt. Wenn das keine Doppelmoral ist …
Und Springer-Chef Mathias Döpfner? Eine offizielle Anfrage vom „Blog der Republik“ wurde offiziell beschieden: „Es ist korrekt, dass Axel Springer die Bezüge der Vorstandsmitglieder nicht individualisiert ausweist.“ Bleiben wir also angewiesen auf die Schätzung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der Technischen Universität München. Danach dürfte es Döpfner in einem einzigen Jahr auf 19 Millionen Euro gebracht haben – mehr als alle Dax-Vorstände. Dazu passt dann der Reichelt-Befund im „Spiegel“: „Medien und Politik haben das Gefühl für den Alltag der großen Masse von Menschen in diesem Land verloren.“
Also jetzt eine Neid-Debatte? JA!!! (mit drei Ausrufezeichen) ganz bewusst !!! Denn die bei „Bild“, denen die Arbeitslosigkeit droht, haben allen Grund neidisch zu werden, wenn Springer-Chef Döpfner allein zig Millionen kassiert, und bei seiner „Bild“-Zeitung zig Millionen eingespart werden müssen.
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'Bild-Chef Reichelt – Großmaul und Doppelmoralist' hat einen Kommentar
27. April 2020 @ 07:50 Thies
Was für ein falscher und oberflächiger Beitrag. Denn die öffentlich rechtlichen mit ihrem katastrophen Programm werden von Zwangsgeldern gemästet, das einem ganz schlecht wird. Hingegen AS eigenes Geld verdient. Und somit auch eigenständig in der Gehaltspolitik agieren kann.