Geldscheine

Das Geld liegt für den Fiskus auf der Straße. § 8 EStDV privilegiert Grundvermögen von 5 Mrd. €

1.     Einleitung

Alljährlich gibt der Bundesrechnungshof (BRH) seine „Bemerkungen“ bekannt – zuletzt die für 2022. Immer wieder erstaunt bei der Lektüre,

  1. dass es so einfach ist für den Staat, Milliarden einzunehmen – er müsste nur seine eigene Programmatik ernst nehmen;
  2. dass er sich aber nicht bückt, um das vor seinen Füßen liegende Geld einzusammeln; und dass es für diese Nonchalance auch so gut wie keine öffentliche Aufmerksamkeit gibt.

 In den Bemerkungen von 2022 wird einerseits hingewiesen, so eine Überschrift, auf

Überholte Vergünstigungen bei der Kraftfahrzeugsteuer – Bund verzichtet auf mehr als 1 Mrd. Euro Steuereinnahmen

Gemeint ist pro Jahr.

2.     Gerechtigkeitslücke mit § 8 EStDV

Hervorgehoben wird hier aber ein abstrakterer, weil einkommensteuerlicher Sachverhalt. Es geht um § 8 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Der BRH stellt fest

Anstatt das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen, verursacht die Regelung erhebliche Vollzugsprobleme.

Und fordert folglich

Sie sollte daher ersatzlos gestrichen werden.

Worum geht es? Hintergrund ist eine Besonderheit des deutschen Steuerrechts, die Trennung nach verschiedenen Einkunftsarten. Hält man Grundstücke/Immobilien im Privatvermögen, so sind deren Wertsteigerungen steuerlich kein „Einkommen“ sondern unerheblich – umgekehrt kann man dann konsequenterweise auch Aufwendungen zur Verwaltung dieses Vermögens steuerlich nicht als Aufwand geltend machen.

§ 8 EStDV nun vereint, systemwidrig, das Beste aus beiden Welten, zu Gunsten des Grundstücksbesitzers und zu Lasten des Fiskus: Wertsteigerungen betrieblich genutzter Grundstücksteile von untergeordnetem Wert sind unter den Voraussetzungen des § 8 EStDV von der Besteuerung ausgenommen. Steuerpflichtige können danach betrieblich genutzte Grundstücksteile mit einem Wert von weniger als 20.500 Euro dem Privatvermögen zuordnen. Die Steuerpflichtigen dürfen dennoch die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehen. Diese Grundstücksteile sind somit gegenüber dem sonstigen Betriebsvermögen privilegiert. Warum ist unerfindlich.

Den Wert des betrieblichen Vermögens, dessen Anstieg der Einkommensbesteuerung auf diese Weise entzogen sind, schätzt der Bundesrechnungshof auf 5 Mrd. Euro. Wobei bei dieser Schätzung vermutlich noch das alte, völlig unrealistische Maßstab zur Bewertung von Grund und Boden für grundsteuerliche Zwecke unterstellt ist.

§ 8 EStDV verhindert insoweit offenkundig eine gleichmäßige Besteuerung sowie eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen. Auch bekundet der Bundesrechnungshof seine Auffassung, dass die Finanzämter die Fälle meist nicht ordnungsgemäß überwachen. Das ist Ausfluss des bekannten und ungelösten Interessenkonflikts zwischen Bund und Ländern, dass der Steuervollzug auch der Bundessteuern überwachungsfrei in den Händen der Länder liegt, die aber ihre Klientel eher zu schützen versuchen.

Überraschenderweise aber teilen die Länder überwiegend die Einschätzung des Bundesrechnungshofes und haben sich für eine Abschaffung des § 8 EStDV ausgesprochen. Aber eben nicht einstimmig. Zwei Länder teilen vielmehr die Sicht des BMF, der zu erwartende hohe administrative Aufwand in der Umstellungsphase bei Streichung des § 8 EStDV spreche dafür, die Regelung fortzuführen.

Das Geld wird deshalb auf der Straße liegen gelassen, die ungerechte, Vermögende begünstigende und offenkundig grundgesetzwidrige Verfahrensweise wird beibehalten, weil die Durchsetzung einer korrekten Besteuerung teurer sei als das Geld, welches man von der Straße aufheben kann. Kaufmannsprinzip – wenn die Rechnung denn stimmt.

3.     Prinzip: AfD anfüttern

Das eigentliche Phänomen ist, dass so etwas keinen Widerhall in der Öffentlichkeit findet. Dahinter steht das Prinzip der politischen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien, nur das zu skandalisieren, was von einer der Parteien des demokratischen Spektrums strittig gestellt wird. Bei dieser Verfahrensweise ist das hier Hervorgehobene schließlich eine Brotkrume, welche der AfD vorbehalten bleibt, sie aufzupicken. So fördert man mit einer dilatorischen Steuerpraxis, die offenkundige Gerechtigkeitslücken in ihrem Bestand schützt, die AfD.


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Hans-Jochen Luhmann (geboren 1946); Studium der Mathematik, Volkswirtschaftslehre und Philosophie. Promoviert in Gebäudeenergieökonomie. Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und Studienleiter beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Nach zehn Jahren als Chefökonomon eines Ingenieurunternehmens und 20 Jahren als Experte für Umwelt-Abgaben-Politik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, ist er dort heute Emeritus. Er ist Lehrbeauftragter für Klimapolitik an mehreren deutschen Hochschulen, Herausgeber der Zeitschrift „Gaia“ und Mitglied sowohl im Beirat der VDW als auch in deren Studiengruppe „Europäische Sicherheit und Frieden“.


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