Lützerath

Der verzweifelte Kampf um Lützerath

Das Ende von Lützerath steht unmittelbar bevor. Besiegelt ist es seit langem. Die Umsiedlung der Bewohner begann schon 2006. Das Dorf ist verlassen. Es war auf Braunkohle gebaut. Deshalb soll es weichen. Im Rheinischen Revier gehörte das seit Jahrzehnten zur Routine. „Lützerath lebt“, der Slogan, den die Klimaaktivisten vor zwei Jahren geprägt haben, war von Anfang an Illusion.

Nur noch wenige Häuser stehen auf dem Flecken, der zu Erkelenz gehört und in RWE-Besitz ist. Vor zwei Jahren begann der Energiekonzern mit den Abrissarbeiten. Seither besetzen Klimaschutzinitiativen den Ort. Sie wollen die Räumung verhindern. Denn, so ihre Überzeugung, wird das enorme Braunkohlevorkommen abgebaggert, ist das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen der Vereinten Nationen nicht zu halten.

In der Verantwortung für den Klimaschutz war – nach dem Ende der Steinkohle – auch der Ausstieg aus der Braunkohle beschlossene Sache. 2038 sollte Schluss sein mit den viel zu hohen CO2-Emissionen. Die Wende zu erneuerbaren Energien sollte endlich ernsthaft vorangehen.

Freilich wurde der Wirtschaft der Ausstieg mit weiteren Abbaurechten versüßt, und die gleiche Vorgehensweise verfing auch beim Vorziehen des Ausstiegs auf 2030. Bis dahin kann RWE aus dem Garzweiler Braunkohletagebau Unmengen herausholen, die Milliardengewinne sichern. Aus Klimaschutzsicht ist der Kompromiss, den ausgerechnet die zuständigen Grünen Minister Robert Habeck und Mona Neubauer mit RWE vereinbarten, reine Augenwischerei.

Politisch gerechtfertigt wurde die Einigung mit der Energieknappheit in Folge des Ukrainekriegs. Die unerwartete Renaissance der Braunkohleverstromung verspricht satte Profite. Lützerath ist zu einem Symbol für die Kollision von wirtschaftlichen Interessen und ökologischer Verantwortung geworden. Das ist keine neue Erscheinung. Die angespannte Lage ruft Erinnerungen an den Kampf um den Hambacher Forst wach.

Der uralte Wald im Süden von Garzweiler war 2018 von Klimaaktivisten besetzt worden, um die Rodung durch RWE zu verhindern. Mit einem massiven Polizeiaufgebot setzte das Land die Räumung durch, bis ein Gerichtsbeschluss die Rodung vorläufig untersagte.

Auf einen entsprechenden Gerichtsbeschluss in letzter Minute hatten die Lützerather Initiativen vergebens gehofft. RWE hat das Recht auf seiner Seite. Nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021, das den Klimaschutz praktisch zum Grundrecht erklärte und das 1,5-Grad-Ziel zur verbindlichen Maxime des Regierungshandelns erklärte, ist die Machtprobe um Lützerath eine bittere Enttäuschung.

Bildquelle: Tim Wagner www.ti-wag.de/, CC BY-NC 2.0

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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