Symbolbild Frieden

Die Friedensbewegung wacht auf

Während der Kampf um Charkow und Sumy, Kherson und Kiew tobt, während Menschen sterben und Menschen töten, während sie Lebensmittel bevorraten, in Kellern und U-Bahn-Schächten hocken und um ihr Leben fürchten, wacht die Friedensbewegung wieder auf. Aufrufe zu Solidaritätskundgebungen, Menschenketten und Friedensgebete, wie sie in den schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges in wohl jeder Stadt üblich waren, ergingen noch am Tag des völkerrechtswidrigen russischen Angriffs auf die Ukraine.

„Nie wieder Krieg“, lautet die Losung, die von der militärischen Übermacht mit Panzern und Bombardements in Schutt und Asche erstickt wird. Es herrscht Krieg in Europa und es herrscht Angst. Grenzen werden gewaltsam verschoben; die Souveränität eines Staates wird verletzt mit dem Ziel, seine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Männer werden zu den Waffen gerufen, die den Aggressor nicht aufhalten können. Mütter und Kinder weinen im Terror von Flammen und Explosionen. Wer kann, flieht.

Krieg bedeutet sinnloses Sterben und Leid und immer auch Vertreibung und Flucht. Ein Großteil bleibt im Landesinnern, viele schaffen es nach Polen und ins Baltikum. Auch in Deutschland bereiten sich die Städte auf die Aufnahme vor. Das sind Signale gelebter Solidarität, wie sie auch von den vielfältigen zivilgesellschaftlichen Bindungen aus der Tschernobyl-Hilfe und der Versöhnungsarbeit zum Ausdruck gebracht werden.

Im Angesicht der Tragödie wirken Demonstrationen und frommes Beten ohnmächtig. Doch ihr Ruf, dass die Waffen schweigen mögen und die Gewalt gestoppt wird, ist wichtig. Allemal hilfreicher auch, als jedes militaristische mediale Getöse und die rechthaberische Besserwisserei derer, die es immer schon kommen sahen und es bei Schuldzuweisungen bewenden lassen. Die Gefahr eines Rückfalls in den Kalten Krieg und eines Flächenbrandes auf dem Kontinent erfordert zu allererst die Perspektive eines Auswegs.

Das ist zuallererst die Besinnung auf den Grundsatz, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf. Seit Jahren belastet eine Militarisierung des Denkens die Welt. Zerstörerische Kriege, die nichts zum Besseren wenden, Schlachtfelder, die Stellvertreter-Interessen dienen, Bruch und Aufkündigung internationaler Verträge sind an der Tagesordnung. Nicht die Forderung nach weiterer Aufrüstung, sondern das Abwenden einer humanitären Katastrophe muss jetzt Vorrang haben. Dazu tragen nicht noch mehr Waffen bei; zur Deeskalation führt – auch jetzt – nur der Dialog.

Das ist die Botschaft des Protests, für die auch in Russland Menschen auf die Straße gehen und schweren Repressalien ausgesetzt sind. Das ist die Hoffnung der Familien, die durch den nationalistischen Propagandakrieg zerrissen und zu Feinden werden. Und es ist der einzige Weg für Freiheit, Recht und Demokratie.

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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