Begeben wir uns auf gar nicht so dünnes Eis und glauben, was die ZEIT über den Starregisseur Dieter Wedel enthüllt hat. Auch wenn bislang keine gerichtsfesten Beweise für die Ungeheuerlichkeiten vorliegen, – die Übereinstimmungen in den erschütternden Schilderungen der Wedel-Opfer sind erdrückend. Und die schriftlichen Belege sind es ebenfalls.
Der großartige Film- und Fernsehregisseur Wedel – ein Sexmonster, ein Menschenvernichter, ein Berserker, der die Grenzen menschlichen Anstands brutal und selbstherrlich niederriss – so wird er in bislang zwei umfangreichen Dokumentationen der ZEIT gezeichnet. Wenn das alles stimmt, ist es im Rückblick unfassbar, wie lange und ungestört er so wüten durfte und wie lange das Heer der Mitwisser schwieg. Und dieses Schweigen oder Ignorieren ist der große Skandal im monströsen Skandal. Und es wirft die Frage nach der Zivilcourage in gehobenen Kreisen unserer Gesellschaft auf.
„Tagesschau“ und „Tagesthemen“, den Flagschiffsendungen der ARD, ist es hoch anzurechnen, wie unerbittlich sie das Versagen im eigenen System ausleuchteten. Soviel selbstkritische Ehrlichkeit erlebt man gewiss nicht alle Tage im Ersten. In den Berichten beider Nachrichtensendungen und vor allem in einem Tagesthemen-Kommentar über die Causa Wedel wurde ungeschönt aufgeführt, dass der Saarländische Rundfunk seinerzeit wusste, welches Martyrium in einer Wedel-Produktion vor allem eine Hauptdarstellerin wohl durchmachen musste. Doch der Saarländische Rundfunk als Auftraggeber und die zuständige Produktionsfirma griffen nicht ein. Im Gegenteil: sie ließen den geilen Starregisseur gewähren und weitermachen – in jeder Hinsicht.
Dieter Wedel hat auch größere öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten – WDR und ZDF – mit seinen Meisterwerken geschmückt. Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass jetzt bei denen ebenfalls, wie beim Saarländischen Rundfunk, die Produktions-Akten geöffnet und neu ausgewertet werden. Was da wohl noch kommt …?
Erschütternd und beschämend aber auch, was in den ZEIT-Dossiers über die ungezählten Zeugen und Mitwisser auf Produktionsebene und an den Filmsets geschrieben wurde, Zeugen und Mitwisser jener Untaten, die Wedel jetzt angelastet werden.
Zitate aus der ZEIT: „Ehemalige Mitarbeiter einer Filmproduktion erinnerten sich …, wie Wedel eine weitere Schauspielerin bei Dreharbeiten sexuell unter Druck gesetzt habe.“
Der Verlauf der öffentlichen Diskussion „motivierte wiederum weitere Menschen aus der Filmbranche, ihr Schweigen zu brechen.“ Zudem gebe es „Zeugen am Filmset“.
Und weitere Zitate: „Das gesamte Team hat damals mitbekommen“, wie Wedel eins seiner Opfer „behandelt hat. Niemand hat sich getraut, etwas dagegen zu sagen. In den Blicken der anderen lag Angst.“ Am Set sei „erzählt worden, die Hauptdarstellerin sei verletzt, weil sie nicht mit Dieter Wedel schlafen wollte.“ Im Team sei „allen klar gewesen, dass Wedel versucht habe“, eine Schauspielerin „zu vergewaltigen und sie sich dabei verletzt hatte.“ Berichtet wurde „von Abenden, an denen sich die Schauspieler untereinander ihre‚ Wedel-Geschichten’ erzählt hätten.“
Gewiss, da muss es Machtstrukturen und Abhängigkeiten im Film- und Fernsehgeschäft gegeben haben und noch geben, deren Festigkeit und Undurchdringlichkeit sich Außenstehende vielleicht nicht vorstellen können. Gewiss, da hat es welche in der Szene gegeben, die den Opfern versteckt oder verschämt halfen. Dass es aber so viele direkte und indirekte Zeugen gab, so viele Mitwisser, und Dieter Wedel erst Jahrzehnte später an den Pranger gestellt wurde, wirft peinliche Fragen nach der Zivilcourage auf. Schämen müssen sich wohl viele.
Bildquelle: Foto: © JCS‘ /
Für den Mainstream sind solche Skandalberichte natürlich auch immer höchstwillkommen um von der eigenen Schlagseite abzulenken, deswegen bleibe ich stets skeptisch & zurückhaltend wenn mal wieder eine aufs dreifache aufpumpte Sau durchs deutsche Dorf getrieben wird.Das soll aber weder eine Verharmlosung des Wedelschen Treibens sein noch die Opfer dieses Treibens in irgendeiner Form herabwürdigen. Die Weinstein Initialzündung, Pizza Gate (organisierter Kindesmißbrauch)etc. hat so einiges an Dreck hochgespült und jetzt gibt sich jeder höchstbetroffen von Vorgängen die in bestimmten Kreisen schon seit Jahrzehnten Gang und Gäbe sind. Dazu braucht man z.B. nur „Hollywood Babylon “ von Kenneth Anger aus den Siebzigern zu lesen… ebenso kreisen seit Jahren Skandalgeschichten um X-men Regisseur Brian Singer gegen den es ebenfalls Mißbrauchsvorwürfe gibt usw. usf.
Ich befürchte es wird letztlich auf das „Dutroux-Syndrom“ hinauslaufen: Einer macht das Baueropfer (freiwillig o. unfreiwillig), dann hat man den Dummen für den Pranger (wenn auch verdient), der Rattenschwanz dahinterwird wieder locker untergeschlagen und stetig mit dem Sumpf darunterverührt um einmal mehr erleichtert und mit „Weißer Weste“ im Dunkeln zu munkeln…