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Ein Bundesrichter richtet- ein Rundumschlag

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
31. Oktober 2014

Norbert Blüms Buch „Einspruch“, eine bewusste „Polemik.. über die Verlotterung der dritten Gewalt“, sorgt seit seiner Veröffentlichung für Aufsehen. Briefe, Emails, Anrufe, Zustimmung und Ablehnung, Empörung auf Seiten von Juristen, Beifall durch den einfachen Bürger. Eine richtige Auseinandersetzung, auch emotional geführt zumal von Richtern und Anwälten, die sich ungern nachsagen oder vorhalten lassen, dass sie nicht sorgfältig entscheiden würden, Gutachten nicht beachteten, dass der so genannte kleine Mann vor Gericht oft keine Chance habe, zumal er sich die Kosten für einen guten Anwalt gar nicht leisten könne. Aber jetzt liegt ein Einwurf eines Bundesrichters namens Thomas Fischer vor, in der angesehenen Wochenzeitung „Die Zeit“ abgedruckt, der alles bisher Vorgebrachte übertrifft. Da paart sich Spott mit Arroganz, Überheblichkeit mit Biss. Gerade so, als wären die Männer in den schwarzen Roben unangreifbar und unfehlbar.

Wer ist schon Norbert Blüm? Scheint der hohe Würdenträger, gemeint Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, zu denken, dieser kleine Politiker, ehemalige Werkzeugmacher, der in den Diensten der Autofirma Opel in Rüsselsheim stand, ehe er es über das Abendgymnasium zum Abitur und später zum Dr. Norbert Blüm geschafft hat, ein Aufstieg von ganz unten nach halbwegs oben. Respektabel, meine ich. 16 Jahre war Blüm, der CDU-Mann und langjährige Chef der CDU-Sozialausschüsse, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, im Kabinett von Helmut Kohl der Mann, der für Kohl bei Arbeitnehmern manches Eisen aus dem Feuer holte. Der kleine Mann, der sich vor den schlimmen Diktator Chiles Pinochet stellte, anders als Strauß, der es lieber mit den Mächtigen hielt. Es ist wahr, dieser Norbert Blüm atmet immer noch die Herkunft aus der Arbeiterbewegung, der ist nicht glatt und nicht gebügelt, der eckt gern und stösst gern an. Ein Bier ist ihm lieber als ein Champagner.

Man frage einen alten Strategen von der anderen Volkspartei, Rudolf Dressler, der gelernte Setzer und langjährige Sozialpolitiker der SPD in den Blümschen Regierungsjahren. Als Dressler seinen 70.Geburtstag feierte in einem Lokal irgendwo in Bonn, sollte Blüm als langjähriger Freund, die Rede halten. Weil er im Stau steckengeblieben war, meldete er sich während der Fete per Handy und entschuldigte sich für sein Fernbleiben.

Wörtlich beschreibt Thomas Fischer Blüm wie folgt: „Der kleine, kurzatmige, halssteife Mann, der einfache Scherze und kurze Sätze liebt, von der Welt überrascht ist und aus der Fähigkeit, frühkindliche Ahnungslosigkeit zu simulieren, das Beste gemacht hat.“ Hier soll er wohl als Clown herhalten, an anderer Stelle als Politiker einer eher unsozialen Politik: „In gefühlten fünfhundert Talkshows verteidigte er der Oma ihr klein Häuschen, als habe er es mit eigenen Händen errichtet und nicht mitgeholfen, die Frau in die Armut zu regieren.“ Oder ein Satz weiter, formuliert aus der Höhe des oben sitzenden Richters: „Noch heute gelingt es ihm, wenn er sich zur Weltpolitik äußert, jenen entfernten Geruch von Altöl und Waschpasta aus den Werkhallen seiner Jugend zu verbreiten.“

Ob der hohe Richter Blüm nur fertigmachen oder bloßstellen will? Jedenfalls scheint der Ex-Politiker mit seinen Attacken wider die Willkür an deutschen Gerichten in ein Wespennest gestochen zu haben. Anders kann ich mir die Schärfe dieses Schwerts durch einen Juristen nicht erklären. Mal stellt er Blüm in die Reihe von Heinz Schenk, Karl Moik und Walter Scheel(fehlt der Hinweis auf den gelben Wagen), dann muss der Struwwelpeter herhalten. „Er erhebt sich, unter Berufung auf Goethe, als ein Dilettant in die Lüfte des Unverstandenen wie weiland der fliegende Robert im Struwwelpeter und will genau dies“.

Dabei gehe es Blüm aber nicht um Aufklärung wider besagte Willkür an deutschen Gerichten, „der Autor wolle uns Folgendes sagen: „Das Rechtssystem Deutschland ist in den Händen einer faulen, selbstgefälligen, menschenfeindlichen Bande von Ignoranten, die sich Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter nennen, diese Bezeichnung aber nicht verdienen.“

So geht es weiter. Thomas Richter bedient sich einiger Zitate Blüms aus besagtem Buch „Einspruch“, um anzuklagen, dass Blüms Buch eine „unstrukturierte Abfolge von Beschimpfungen und Behauptungen“ sei. Beispiel. „Hoeneß und Ecclestone: Mauschelei, Freikauf. Bundesrichter gewähren Beratungshilfe, wie man im Gericht am besten davonkommt, und zwar hochdotiert“.

Ihn scheint zu treffen, wie Blüm Banker und Millionäre attackiert, dass er behauptet hat, dass kleine Handwerker anders als Banker und Millionäre drangsaliert würden. Er spottet über dessen „dröger Ministerialprosa“, dann über den „Kommissar Blüm“. Anna, „die tapfere kleine Frau, ist Blüms Klientin, Männern gegenüber bleibt der Kavalier beim Familiennamen“.

Aber dann räumt der Mann mit der Robe tatsächlich Fehler ein, die die Empörung bestätigen mögen, meint, dass das Justizsystem sich mit der Korrektur oft schwer tue. „Das ist öffentlich zu kritisieren,“ gibt der Jurist dem Politiker ein bisschen Recht, „selbst wenn Fehler im Grundsatz in jedem System unvermeidlich sind.“ Um gleich wieder anzugreifen mit der Frage: „Aber rechtfertigt das ein solches Elaborat? Wo sind die Gegenbeispiele? Wo finden die hunderttausend Menschen, die sich nach besten Kräften, mit hohem Engagement und einem Gewissen, das ein bisschen weniger wert ist als das des clownesken Bundesministers a.D., jeden Tag um die Verwirklichung des Rechtsstaats bemühen?“

Was solle „die dumme Behauptung, dass sich Reiche von der Strafverfolgung freikaufen könnten? Fast alle solche Deals betreffen doch kleine Fische“, stellt Herr Fischer fest. Und was war mit Ecclestone?

Am Ende schließt er mit Attacken gegen den Politiker Blüm, der die „Entwurzelung… der Lebenswelten an führender Stelle betrieben hat“. Bleibt noch der Hinweis auf Blüms Pension. „Vom Wert des Blümschen Ruhegehalts könnten fünf Rechtspfleger oder drei Sozialarbeiter leben“. Aber hat Blüm nicht Anspruch- wie jeder Richter auch- auf eine Pension, die festgelegt ist durch Gesetz und auf seiner Lebensleistung beruht?

Damit endet, womit der Autor Thomas Fischer in der Unterzeile seiner Replik auf Blüm drohte: „Ein heftiger Widerspruch“. Und mehr. Die dritte Gewalt ist nicht sakrosankt.

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Tags: BlümBuch "Einspruch"Norbert BlümThomas Fischer
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Comments 2

  1. Infoliner says:
    11 Jahren ago

    Und so merkt der Normalleser nicht einmal, in welch dummes Spiel er von beiden Seiten gezogen wird. Einerseits endlich mal einer, der der gerechten Empörung Ausdruck verleiht und gehört wird, wie gut, also ist ja im Prinzip alles in Ordnung im Land. Und dann andererseits der, der die geistigen Höhenflüge und die tiefe Moralität der Richterschaft hervorhebt… alles in Ordnung im Land. Für wie blöde müssen uns Blüm und Juristen wohl halten, wenn wir ein solches Spiel mitspielen würden? Oder, anders gefragt, wie verzweifelt müssen die sein, einen so durchschaubaren Unsinn vom Stapel zu lassen?

    Antworten
  2. Arno says:
    11 Jahren ago

    „der Autor wolle uns Folgendes sagen: „Das Rechtssystem Deutschland ist in den Händen einer faulen, selbstgefälligen, menschenfeindlichen Bande von Ignoranten, die sich Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter nennen, diese Bezeichnung aber nicht verdienen.“

    Also wenn der Herr Richter das so sieht, dann will ich ihm in diesem Punkt nicht widersprechen. Er muss das ja schließlich besser wissen als wir Aussenstehende, die tatsächlich oft genug den Eindruck haben, es bei so manchen Richtern mit einer menschenfeindlichen Bande von Ignoranten zu tun zu haben. 😀

    Antworten

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