Die Geschichte ist alt, sehr alt, aber Geschichte kann man nicht ausradieren, sie vergeht nicht. Der Mann um den es sich handelt, heißt Adrian Dietrich Lothar von Trotha, er war Generalleutnant und Oberbefehlshaber der deutschen Schutztruppe in Deutsch-Südwest-Afrika. Und er ist verantwortlich für die Vernichtung der Hereros in der Kesselschlacht am Waterberg im August 1904. Ja, Sie haben richtig gelesen: 1904. Dass wir hier darüber schreiben, verdanken wir dem Bonner General-Anzeiger und dem Verein „Bonn postkolonial„. Es geht um das Grab des Generalleutnants auf dem Poppelsdorfer Friedhof, um eine riesige Grabplatte, auf der der Name Trothas steht und der Tag seines Todes im Jahre 1920, aber jeder Hinweis fehlt, dass dieser Mann ein brutales Verbrechen begangen hat.

Dass es Völkermord war, ein Genozid, von einem deutschen General des Kaiserreichs befohlen. Daran erinnert die Zeitung und der Verein „Bonn postkolonial“ fordert die Stadt Bonn auf, das Grab „in historischen Kontext zu setzen“. Die Verwaltung aber lehnt das ab, hat aber den Namen Trothas von den Hinweisschildern mit den Namen der Toten kratzen lassen. Man sieht auf der Liste in Kästen an den Eingängen zum Friedhof , die Nummer 56: Moritz Trautmann, die nächste Zeile ist verschmiert, da stand vorher der Name Trothas, dann folgt die Nummer 58: Joseph Vins, Stadtschulrat 1866-1924. Zwei Plätze tiefer folgt der bekannte Mathemaiker Felix Hausdorff, der sich 1942, bedrängt von den Nazis, das Leben nahm.

Als wenn man Geschiche ausradieren könnte. So heißt es im Kommentar des GA zu Recht: „Seinen Namen auf handwerklich stümperhafte Weise von den einschlägigen Hinweisschildern zu kratzen, um die Erinnerung an den General gewissermaßen auszuradieren, ist allerdings der denkbar blödeste Umgang mit der eigenen Geschichte.“ Ich habe mir das Grab angeschaut, die Namen und Daten auf der grauen Platte sind gut zu lesen, ein paar Meter weiter steht das Kriegerdenkmal mit den Zeilen darunter: Unseren Helden 1914-1918; 1939-1945. Na ja, das mit den Helden ist so eine Sache. Ein Hinweis auf die Untaten Trothas fehlt. Die Bonner Zeitung zitiert aus dem Brief Trothas an das Volk der Hereros: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero erschossen.. Ich, der große General der deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Hereros sind nicht mehr deutsche Untertanen.. Das Volk der Hereros muß jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen.“

Der große General des mächtigen deutschen Kaisers Wilhelm II, notiert am 2. Oktober 1904. Wie verblendet muss der gewesen sein, gnadenlos, rücksichtslos, von kolonialem Wahn angetrieben, ein Sendbote von Gewalt, Diskriminierung, Rassismus und Vernichtung, so urteilte im August 2004 die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul(SPD). Die überlebenden Hereros mussten bis 1908 Zwangsarbeit in Konzentrationslagern-sie hießen damals schon so- leisten, viele starben an Hunger und Krankheiten. Die Ministerin entschuldigte sich für diese Verbrechen.Deutsch-Südwest, das ist das heutige Namibia, ein Traumziel für manchen deutschen Urlauber.
Dass wir immer noch darüber reden müssen, hängt auch damit zusammen, dass wir diese schlimme Geschichte lange verdrängt haben, dass sie nicht vorkam in deutschen Schulen. Bundestagspräsident Norbert Lammert(CDU) nannte das Verbrechen 2015 endlich „Völkermord“. Ja, was denn sonst. Wer vom Genozid an den Armeniern 1915 im Osmanischen Reich rede, der müsse auch die Verbrechen deutscher Militärs gegen die Hereros und Namas im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika so bezeichnen. Der Krieg gegen die Hereros sei ein Rassekrieg gewesen, so Lammert. So seien durch Verdursten und Verhungernlassen Zehntausende zusätzlich gestorben.Was im übrigen noch fehlt ist irgendeine Form von Entschädigung der Einheimischen. Die Herero-Bevölkerung wurde vor dem Massaker auf 50000 bis 80000 geschätzt, es überlebten nur 15000 Menschen. Um die Gräuel zu schildern, ein Auszug aus dem offiziellen Generalstabswerk: ..“wie ein halb zu Tode gehetztes Wild…von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis es schließlich willenlos ein Opfer der Natur des eigenes Landes wurde. Die wasserlose Omaheke solllte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolkes.“ Zitiert aus „Geschichte des Westens“, von Heinrich August Winkler.
Bei Winkler lese ich dann noch zu Trotha: „Die Praktiken Trothas, der zuvor in Deutsch-Ostafrika und beim Boxeraufstand in China Erfahrungen bei der Bekämpfung von Erhebungen Einheimischer gesammelt hatte, waren kein Tabubruch. Sie unterschieden sich nur durch ihre kalte Systematik von den Methoden anderer Militärs in Argentinien und eines US-Oberbefehlshabers Mac Arthur auf den Philippinen. Trothas rücksichtloses Vorgehen war, daran erinnert der Historiker Winkler, auch in Deutschland umstritten, aber Kaiser Wilhelm II plädierte sogar für noch schärferes Vorgehen. Alle freiwillig sich stellenden Hereros bis auf die Anführer und Mörder sollten am Leben bleiben. Reichskanzler von Bülow habe den „Kettenbefehl Trothas“ aufgehoben, wonach sich ergebende Hereros Arbeitsdienst an der Kette zu leisten hätten, so Winkler.
Trotha war kein Bonner.Im Generalanzeiger lese ich, dass er aus Magdeburg stammte. 1912 habe das Ehepaar Trotha in der Bonner Schumannstrasse gewohnt, dann in Bad Godesberg, später wieder in Bonn, wo er beerdigt ist. Der Kommentator stellt die Frage, warum das Grab dieses ehemaligen furchtbaren Generalleutnants es auf die Liste sehenswerter Gräber geschafft habe. Gute Frage. Man müsste die Erinnerungskultur grundsätzlicher fassen, zitiert das Blatt seinen Archivar Schloßmacher. Und dazu gehört dann das dunkle Kapitel Trotha, aber auch die Frage, warum der Hindenburgplatz in Bonn-Dottendorf nach dem einstigen Generalfeldmarschall benannt worden ist, der Mann, der Adolf Hitler zum Reichskanzler gemacht hatte und der gewiss kein Vorbild für unsere parlamentarische Demokratie darstellt. Beispiele dafür gibt es Tausende in allen Städten der Republik, in Bonn wie in München, in Berlin, in Nürnberg, Potsdam, Wolfsburg. Man muss sich nur entsprechend erinnern.