Man muss Barack Obama gewiss nicht verklären, aber wer seine Auto-Biographie „Ein verheißenes Land“ liest, sehnt sich zurück nach diesem Präsidenten und dessen menschlicher Haltung in fast allen Dingen des Lebens und der Politik, er gerät nahezu ins Schwärmen über den früheren Präsidenten, weil dieser Amerikas Hoffnung auf eine bessere Welt verkörperte, auch wenn er gewiss nicht alles erreichte. Dagegen steht sein furchtbarer Nachfolger Donald Trump, der in wenigen Tagen das Weiße Haus verlassen muss. Dem man zu Recht vorwirft, seine Anhänger vor einigen Tagen zum Sturm auf das Kapitol angestachelt und einen Staatsstreich geplant zu haben. Obama ist der coole, verbindliche und integrative Staatsmann, den man mag. Ich habe die Mütze noch, die ich mir damals beim USA-Besuch für ein paar Dollar gekauft habe: Yes, we can.
„Als erster afroamerikanischer Präsident“ beschreibt er sich selbst, nicht weil es ihm an Selbstvertrauen fehlt, sondern weil er sein Leben lang den in Amerika latent vorhandenen Rassismus gespürt hat. Kind eines Kenianers und einer Weißen aus Kansas, aufgewachsen in Indonesien und auf Hawaii, Heirat mit Michelle, seine Arbeit in Chicago, Stationen seines Lebens. Und immer wieder spielt die Hautfarbe eine Rolle, weil ein Schwarzer kontrolliert wird von der Polizei und ein Weißer nicht, weil ein Schwarzer seinen Ausweis vorzeigen muss, ein Weißer nicht. Und so weiter, und so weiter. Einer wie Barack Obama geht durch diese kleinen und ewigen Diskriminierungen nicht in die Knie, er legt trotz allem einen rasanten Aufstieg hin, mit Studium in Harvard, dann die Arbeit in Chicago, der Wechsel in die Politik, Beginn als kleiner Parlamentarier in der Provinz, plötzlich ist er im Senat und zieht nach einem spannenden Wahlkampf ins Weiße Haus ein.
Lügen-Kampagne der Republikaner
Schon im Amt muss er sich der Lügen-Kampagne der Republikaner und eines gewissen Donald Trump erwehren, die verbreiten, er sei nicht in Amerika geboren, also dürfe er kein Präsident sein. Dabei haben Trump und die Republikaner keinen Beweis, sie behaupten einfach etwas, was eine Lüge ist, dagegen steht die Geburtsurkunde Barack Obamas, ausgestellt auf Hawaii. Beleidigend ist das, schlimm, Obama hält die Kampagne aus, wehrt sich, geht in den Angriff über gegen diese üblen Verleumdungen. Auch das ist Amerika in der heutigen Zeit. Seine Gegner, man kann sie seine Feinde nennen, wollen damit nichts anderes signalisieren: Ein Schwarzer habe im Weißen Haus nichts zu suchen. Obama selber drückt das so aus: „Als glaubten meine Gegner, die natürliche Ordnung der Dinge löste sich auf.“ Der Weiße und die natürliche Ordnung der Dinge.
Es ist ein umfängliches Buch(es behandelt nur die ersten zwei Jahre seiner Amtszeit) von über 1000 Seiten, flott erzählt, eine Mischung aus Politik und Privatleben der Obamas. Der Autor beschreibt die großen Kämpfe seiner ersten zwei Amtsjahre. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Finanzkrise 2008 erschüttert Amerika und fast die übrige Welt, ein riesiges Konjunkturprogramm soll die Probleme lösen, der Widerstand der Republikaner ist enorm, sie lehnen alles ab, was der Präsident vorhat, „ungeachtet der Folgen für das Land.“ Die Banken-Krise setzt Amerika zu, die Autobranche schreit um Hilfe, Millionen Amerikaner verlieren ihre Jobs. Er kämpft um die Gesundheitsreform und schafft es, dass immerhin 20 Millionen Amerikaner eine Krankenversicherung erhalten.
Auf dem Feld der Außenpolitik nimmt Barack Obama seine Leser mit auf seine Reisen in den Nahen Osten, nach Russland, Afrika, Asien Afghanistan. Der US-Präsident begründet auf vielen Seiten das Engagement der Amerikaner in vielen Teilen der Welt, militärisch und wirtschaftlich, nicht immer wirkt es überzeugend, was zugegebenermaßen auch nicht einfach ist, hat er doch das Erbe von Bush angetreten, der zum Beispiel den Irak-Krieg angezettelt hatte mit allen Folgen für die ganze Region. Manches liest sich wie ein Referat eines außenpolitischen Experten und eines Historikers, der zu seinen Beschreibungen über ein Land auch den Stoff liefert über dessen Historie und die Entwicklung.
Leben eines Präsidenten
Obama beschreibt, wie es sich anfühlt, Präsident des mächtigsten Landes der Erde zu sein. Er lebt mit seiner Frau und den Mädchen im Weißén Haus, man genießt den Garten und die parkähnliche Umgebung. Natürlich ist das Privatleben eines US-Präsidenten beschränkt, er kann nicht einfach das Gelände verlassen, um irgendwo spazieren zu gehen. Die Obamas sind nicht allein, wenn sie in Urlaub fahren, die Sicherheit ist immer im Gefolge. Aber das ist ja nicht anders bei der deutschen Bundeskanzlerin, die ja auch nicht ohne Beschützer durchs Land reisen kann oder nach Südtirol. So ist das halt in der ganzen Welt mit Regierungschefs und Präsidenten.
Das Buch, das vor einigen Wochen auf den Markt gekommen ist, ist keine Abrechnung mit Trump, dessen Name übrigens erst gegen Ende des Werks genannt wird, aber manches liest sich wie eine Anti-These zu Trump und dessen Politik-Stil. Obama hat eben eine andere Politik verfolgt. Ihm ging es nicht um America-first, er hatte immer auch die übrige Welt im Blick, wenngleich die Innenpolitik ihn am meisten beschäftigte. Er hat nie an der Nato gezweifelt oder in diese Richtung gedroht oder polemisiert und polarisiert, sondern er hat das Gespräch gesucht mit den Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt. Obama räumt ein,dass er den „Change“, den Wandel zu einem gerechteren Amerika nicht geschafft hat, dass es ihm nicht gelungen ist, die US-Gesellschaft zum Guten hin zu verändern. Er verkennt die Tendenzen der Spaltung des Landes nicht, gibt aber die Hoffnung nicht auf, dass es gelingen möge, den amerkanischen Traum wahr werden zu lassen. „Nicht nur, um künftigen Generationen von Amerikanern willen, sondern um der ganzen Menschheit willen.“
Eine Hoffnung, die der künftige Präsident Joe Biden, der lange Jahre sein Vizepräsident war, wieder aufnehmen müsste, mit Trump hat er diese Hoffnung nie verbunden, weil „der in allem exakt das Gegenteil von dem verkörperte, wofür wir standen.“ Wir, er meint sein Team, das Team Barack Obama, eine Formulierung, die sich durch das ganze Buch zieht, sein Nachfolger dagegen pflegte in der Ich-Form zu reden: Ich, Donald Trump, Ich und nochmals Ich. Dabei verbindet sich mit Trumps Präsidentschaftr die Krise der amerikanischen Demokratie.