Es ist geschafft, am Ende muss man sagen, wie erwartet, denn die entscheidenden Schlachten waren ja vorher geschlagen worden. Union und SPD hatten die Grünen ins Boot geholt, um die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit des Bundestages für diese Riesen-Verschuldung zu schaffen, immerhin handelt es sich alles zusammen genommen um eine Billion Euro. Dafür war ja eine Änderung des Grundgesetzes nötig. Alle Versuche von Seiten der FDP, der Linken und der AfD, das Bundesverfassungsgericht einzuschalten, damit von höchster Warte diese Sondersitzung des Parlaments verhindert werde, waren gescheitert. Wie erwartet, darf man hinzufügen, auch wenn man ein ungutes Gefühl hatte, dass der alte Bundestag etwas beschließt, was erst der neue Bundestag dann auf den Weg des Gesetzes bringen wird. Aber so ist es nun mal, rein rechtlich war das in Ordnung, der alte Bundestag ist schließlich noch im Amt wie auch der Kanzler noch im Amt ist und die Rest-Ampel-Regierung. Er darf entscheiden. Punkt. Die nächste Runde in diesem Streit folgt am Freitag im Bundesrat und auch da ist letzten Endes zu erwarten, dass das Finanzpaket grünes Licht erhält, auch Bayern wird keine Steine in den Weg legen, auch wenn Aiwangers Freie Wähler maulen mögen.
Es war ein großer Schritt für Friedrich Merz auf dem Weg zur Kanzlerschaft. Der Kanzlerkandidat der Union sollte sich noch ein wenig Demut auferlegen und die Diskussion in der Länderkammer abwarten. Das gehört sich so unter Demokraten, der Bundesrat hat ein Recht, seine Interessen mit derselben Leidenschaft zu diskutieren, wie es der Bundestag gestern getan hat. Es werden am Freitag noch einmal die Befürworter und Gegner der Schulden-Politik auf die Bühne treten, mit Ausnahme der rechtsextremistischen AfD, die in keiner Landesregierung vertreten ist, weil keine demokratische Partei mit den Verfassungsfeinden gemeinsame Sache machen und keine Regierung bilden will. Ein Verbotsverfahren ist leider bisher nicht angestrengt worden, obwohl die Beweise des Verfassungsschutzes gegen die AfD im Grunde in der Schublade liegen. Es ist ja nicht aus der Luft gegriffen, dass NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst(CSU) die AfD eine „Nazi-Partei“ genannt hat.
Man muss den Grünen zugute halten, dass sie es geschafft haben, das Sondervermögen für Infrastruktur von 500 Milliarden Euro in der Debatte mit Merz und Klingbeil entscheidend verändert, ja verbessert zu haben. Sie haben dafür gesorgt, dass diese Riesen-Schulden mit dem Wörtchen „zusätzlich“ versehen wurden. Damit dürfte sichergestellt sein, dass mit diesem Geld eben nicht Haushaltslöcher gestopft werden, sondern die marode Infrastruktur der Republik endlich in Angriff genommen wird. Es geht nicht darum, den Enkeln und Enkelinnen einen Schuldenberg zu hinterlassen, den niemand überblicken kann. Es sollen damit auch nicht unplanmäßige Rentenerhöhungen bezahlt und es soll damit auch nicht einfach weiter auf Deubel komm raus die Umwelt kaputt gemacht werden. Nein, es sollen Dinge geschaffen werden, gute Dinge, auf die die nächste Generation aufbauen, ja stolz sein kann, weil es die Eltern und Großeltern ihnen hinterlassen haben. Eben einen Staat, in dem zu leben und für den zu arbeiten, den im Notfall zu verteidigen, sich lohnt. Weil das Land es Wert ist. Hut ab vor diesen Grünen, die ja im neuen Bundestag in der Opposition sitzen und dennoch der neuen Regierung mit ihrer Zustimmung das Handeln erleichtert und dem Bald-Kanzler den Weg ins Kanzleramt freigelegt haben. Das ist staatspolitische Verantwortung in hoher Konsequenz.
Die Grünen schon wieder
Nehmen wir die Energiewende, um gleich mit dem Lieblingsthema der Grünen zu beginnen. Ihre Nachhaltigkeit, ihr Drängen, ihre dauernden Fragen, ihr Pochen auf Veränderungen, weil sonst der Planet explodieren könnte, nicht mehr lebensfähig wäre, haben das bewirkt. Es mag für den einen oder anderen ärgerlich gewesen sein, weil immer wieder diese Grünen sich nicht damit abgeben wollten, das alles so bliebe, wie gehabt, weil wissenschaftlich längst feststeht, dass Kohle und Erdöl die Klimakatastrophe herbeiführen werden. Die schon wieder, werden einige gestöhnt haben, aber die Energiewende, die am Ende stehen soll mit Windrädern und Solarparks, die kommt uns allen zugute. Und der Umwelt, in der wir und die Enkel und Urenkel leben. Es ist im übrigen unser Geld, das da investiert worden ist und weiter investiert wird, die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sind ja wir. Wenn man mal zusammen zählt, werden Milliarden dabei herauskommen, die geflossen sind. Es sagt sich so leicht: klimafreundlich. Aber eine Energie ohne Kohle und Öl, nur auf Wind, Sonne, Erdwärme, das ist es, was dabei rauskommt. Es macht uns unabhängig von russischem Öl und Gas, das früher so billig war und seit Putins Krieg gegen die Ukraine auf der Sanktionsliste steht. Und teuer geworden ist, weil wir es irgendwo sonst kaufen mussten, damit niemand im Lande frieren musste. Das hat die Ampel-Regierung gut hingekriegt, auch durch den Einsatz des von der CSU oft ungerecht kritisierten Wirtschaftsministers Habeck.
Man stelle sich vor, wir würden es schaffen, binnen der nächsten zehn Jahre die meisten Verbrenner-Autos durch E-Fahrzeuge zu ersetzen. Was wäre das für die Umwelt! Kein Dreck mehr aus dem Auspuff unserer geliebten Autos und ganz nebenbei viel weniger Lärm. Und natürlich würden Heizungen mit fossiler Energie auch bald der Vergangenheit angehören.
Alles bezahlt mit Schulden? Ja, und das ist gut so. Oder will jemand warten, bis wir das Geld zusammen gespart haben für eine andere Heizung, für saubere Autos? Das würde Jahrzehnte dauern und bis dahin wäre der Rest der Infrastruktur völlig demoliert, die Schienen der Bahn, die Straßen, die Schulen, die Universitäten. Ja, unser Land muss mehr in die Forschung investieren, wir leben davon, Deutschland ist ein rohstoffarmes Land.
Häuslebauer und Schulden
Fast alle Häuslebauer wissen doch noch, wie sie ihr Haus finanziert haben. Mit Krediten der Bank, die oft über 25 bis 30 Jahre liefen. So habe wir unser Haus bezahlt, mein Bruder ähnlich, die Freunde auch. Wir haben nie von schlechten Schulden gesprochen, sondern davon, dass wir mit den Schulden einen Wert schaffen, den wir später an die Kinder vererben. Dieses System gilt im übrigen für den Bau von Rathäusern wie von Theatern, Konzertsälen. Ohne Verschuldung gäbe es kein Hochhaus in der Republik, keine Fabrik, kein Bahnhof, keine Schule, keine Uni, keine Schiene, keine Straße. Unser Wirtschaftssystem ist darauf aufgebaut, unsere und die Zukunft der Kinder und Enkel wird so florieren, wenn es richtig, gut gemacht wird, wenn wir dabei am Boden bleiben, uns nicht überheben. Es muss vernünftig investiert werden, damit daraus ein Mehr an Nutzen kommt. Es soll besser werden für die Kinder. Und am Ende soll aus dem kranken Mann Deutschland die Lokomotive Europas werden.
Und es ist richtig, wenn die Grünen das mit dem Klimaschutz reinverhandelt haben in das Finanzpaket. Wir müssen dafür sorgen, dass sich eine Ahr-Katastrophe nicht wiederholt, es braucht Schutz-, Überschwemmgebiete, mehr und höhere Deiche, Schutzmauern gegen Hochwasser in Köln, Passau, in Deggendorf, in Dresden und wo auch immer. Und ganz nebenbei, außerhalb der Debatte über das Sondervermögen bleiben für mich die Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit, nach dem Abbau von Steuervorteilen für Besser- und Bestverdiener, die starken Schultern müssen mehr tragen, Erben stärker zur Kasse gebeten werden.
Die Debatte über das Sondervermögen sollte bei allen Beteiligten auch ein wenig Nachdenken verursachen. Nachdenken mit dem Ziel, dass längst nicht alles in Ordnung war, was sich die CDU-CSU-Opposition in den letzten Jahren gegenüber der Ampel-Regierung geleistet hat. Gemeint die abfälligen Bemerkungen des Herrn Söder über die Regierung Scholz, die angeblich die schlechteste nach dem Krieg gewesen sei. Sie haben die Regierung blockiert, ja boykottiert mit dem einen Ziel, dass sie scheiterte und sei es um den Schaden des Landes. Ja, auch der bald Neu-Kanzler Merz hat sich daran beteiligt. Die Hetze gegen die Grünen war zudem politisch dumm, weil man eigentlich wissen musste, dass man sie brauchen könnte. Wie jetzt, als man eine Mehrheit im Parlament nur mit diesen zuvor verteufelten Grünen zustande brachte. Kritik ja, aber ohne persönliche Niedermachung des politischen Gegners, der in der Zukunft plötzlich auf der Regierungsbank sitzen kann, neben einem Herrn Merz. Gemeint hier Klingbeil.
Die erbitterten Gegner von gestern haben sich für den Aufbruch ins Morgen verständigt. Gut so, Demokraten müssen das hinkriegen. Und dennoch wäre weniger mehr gewesen. Gerade weil den Demokraten neoliberale, rechtskonservative, ja nationalistische Kräfte gegenüberstehen, die eher an die Zerstörung des Gemeinwesens denken und alles dafür tun würden, wenn die Europäische Union auseinanderbräche. Vergessen wir das nicht! Der Feind steht rechts, ganz rechts. Der Satz aus den 20er Jahren gilt heute mehr denn je. Und wenn ich Alice Weidel höre oder Gauland oder Höcke oder andere Leute dieses Schlages, werde ich immer an diese Zeit erinnert, die zum Ende der Demokratie führte und in die braune Diktatur, in den Wegfall freier Wahlen, von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit. Man denke nur, wie schnell sich das alte Amerika unter Trump entfernt von den Idealen der Demokratie und der US-Präsident mit dem Kriegstreiber aus Moskau telefoniert, um ein paar Deals auszuhandeln, die vor allem den beiden Herrschern nutzen sollen. Die Ukraine und deren Menschen ist doch beiden ziemlich egal.
Kompromiss als Kompass
Mit einer knappen Billion Euro soll Deutschland nicht nur ökonomisch und strukturell wieder auf die Beine kommen, sondern auch militärisch gestärkt werden. Dass dies durch ein Bündnis der Mitte aus Union, der SPD und den Grünen gelang, ist ein Verdienst aller Beteiligten, insbesondere der Grünen. Aber alle mussten nachgeben, damit ein Kompromiss zustande kam, der nun einmal zur politischen Kultur der Bundesrepublik gehört, weil niemand allein das Sagen hat in dieser sozialen Demokratie, weil niemand allein bestimmen kann, wohin die Reise geht. Und das ist gut so.
Wenn nun die Verhandlungen über die Bildung einer Regierung aus Union und SPD so richtig losgehen, werden sie begleitet von Hoffnung, dass es gelingen möge. Weil dieses Land einen Investitionsstau hat, weil es überall zwickt und kneift und bröckelt. Weil nahezu überall defizitäre Haushaltslagen die Situation in Bund, Land und Kommunen kennzeichnen. Wir brauchen so etwas wie einen neuen Marshall-Plan, den wir natürlich selbst stemmen müssen, damit die außen- wie innenpolitische Krisensituation gelöst werden kann. Das Land muss wieder verteidigungsfähig werden, nicht um Kriege zu führen, sondern damit sich die Menschen im Lande wieder sicherer fühlen. Und damit niemand außerhalb unserer Grenzen, auch der Kremlchef nicht, auf die Idee käme, uns zu überfallen. Entspannung ist gefordert, dafür muss wieder Vertrauen geschaffen werden, was ein langer Weg sein kann. Aber er muss beschritten werden.
Wir müssen die seit Jahren beschriebenen Mängel in allen Bereichen anpacken, Schulen müssen saniert werden, Straßenlöcher der Vergangenheit angehören, Kliniken auf den neuesten Stand der Forschung gehoben werden. Auch das Gerede von der Bürokratie, die viele belastet und vieles nicht ins Laufen bringt, muss in Handeln gemünzt werden. Die Unternehmen brauchen die entsprechenden Zusagen, damit es schneller geht. Der Bundestag hat mit zwei Dritteln der Abgeordneten die dafür vorgesehenen Mittel frei gegeben. Und daraus müssen die Gesetzesinitiativen entstehen, Zug um Zug müssen die Dinge vorangetrieben werden. Die Menschen draußen müssen merken, dass etwas passiert zum Wohle des Landes und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger.
Lassen wir die alten Debatten hinter uns, auch die mit falschen Wahlversprechen. Ja Herr Merz, Herr Söder, das sollte allen zu denken geben. Die Union wollte partout keine Schulden machen, jetzt hat sie Schulden in einer Höhe mit beschlossen, dass es dem Beobachter fast schwindelig wurde. Schulden in diesem Ausmaß hat es nie gegeben in der Geschichte der Republik. Die Kröte mussten Merz und Söder ebenso schlucken, wie die SPD Änderungen in der Sozial- wie Migrationspolitik hinnehmen muss. Da sind alle gefragt, wenn es um die Umsetzung dieses Riesenpaktes geht. Die Richtung ist bestimmt, die Basis für den Aufbruch in die Zukunft geschaffen. Ob es ein historisches Signal wird, wie SPD-Chef Lars Klingbeil gesagt hat, wird sich in Jahren zeigen. Man kann nur hoffen, dass es gelingt. Mit einem neuen Kanzler Merz und einem (Vize-Kanzler?) Klingbeil. CDU, CSU und SPD, die Kontrahenten von gestern, sitzen nun nebeneinander auf der Regierungsbank. Sie müssen es gemeinsam packen.
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