„Es darf nie wieder geschehen“. Dieser Satz ist das Vermächtnis von Margot Friedländer, der Ehrenbürgerin von Berlin, Trägerin des Großen Verdienstkreuzes. Verliehen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ein Sozialdemokrat, dessen Mitgliedschaft wegen seines Amtes ruht. Margot Friedländer war eine große Frau, die am 9. Mai diesen Jahres verstorben ist im Alter von 102 Jahren. Sie hat das KZ Theresienstadt überlebt, ist ausgewandert aus dem Land der Täter in die USA und sie ist vor vielen Jahren zurückgekehrt in ein Land, von dem sie glaubte, das es aus der Geschichte die Lehre gezogen habe. Aber aus dem „Nie wieder“ ist längst die Sorge geworden, die sich in dem Wort „Schon wieder“ bündelt. Sie war ein Leuchtturm gegen das Vergessen und erinnerte gerade jetzt an die Gefahren, die uns allen drohen, wenn Hass und Hetze zum dominierenden Ton unserer Gesellschaft werden. Das Wiedererstarken rechtsextremistischer Kräfte wie bei uns die AfD machte ihr Angst. Sie war geschockt von der Verrohung der politischen Debatte in Deutschland, gerade sie, die den Deutschen wieder die Hand gereicht hatte zur Versöhnung, dabei hätte sie allen Grund gehabt, nicht zu vergeben. Sie tat es, ging in die Schulen, erzählte ihre Leidensgeschichte, um die Erinnerung an die Nazi-Diktatur wachzuhalten. Und erlebte den wieder aufgekeimten Hass auf die Juden, den Aufstieg der gesichert rechtsextremistischen AfD(so der Befund des Verfassungsschutzes auf 1108 Seiten). Alles das hatte sich Margot Friedländer nicht träumen lassen, als sie vor Jahren zurückkam. Kurz vor ihrem Tod beschwor sie die Demokratinnen und Demokraten in Deutschland, dem Hass entgegenzutreten, der sich breitgemacht hat im Lande. „Ich bitte Euch, seid Menschen“, mahnte sie und setzte hinzu: „So hat es damals auch angefangen“. 1933.
Und heute? Verkriechen sich die Merz, Dobrindts, Söders und vor allem die Spahns hinter irgendwelchen Erklärungen, um der Debatte über einen Verbotsantrag gegen die AfD auszuweichen. Politisch soll die AfD bekämpft werden, durch besseres Regieren, so die Großsprecher aus der Union, gerade so, als wären sie die Erfinder guter Politik. Dass sich Alexander Dobrindt nicht die Zunge abbeißt, wundert mich. Der gehörte doch zu den drei großen Bundesverkehrsministern aus der Partei CSU, die die Maut für Ausländer erfanden, die sich dann als rechtswidrig erwies, was jede Putzfrau wissen konnte, nur nicht die Herren Minister der CSU. Die Rechnung bezahlte der Staat, 245 Millionen Euro. Wunderbar. Oder Herr Dobrindt? Es ist ja auch so einfach, auf die Migranten dreinzuschlagen, die haben keine Lobby, sie sind im Weg, stören nur, dass sie in Not sind, ihre Sache, wären besser zu Hause geblieben. Dann hätten sie auch den Deutschen keine Termine beim Zahnarzt weggenommen. Nicht wahr, Herr Merz. Das Einwandern in unsere sozialen Sicherungssysteme muss eben unterbunden werden, kostet unser schönes Geld, brauchen wir für unsere Sachen, vor allem die Besserverdienenden, die Millionäre und Milliardäre müssen geschont und gefördert werden. Das ist dann besseres Regieren. Oder so ähnlich. Christdemokraten und Christsoziale wollen sie sein? Mit sozial hat das wenig zu tun.
Angst, den Prozess zu verlieren
Wie hat der Große Friedrich Merz seine Distanz zu einem AfD-Verbot begründet: Das rieche nach „politischer Konkurrentenbeseitigung“. Und sein neuer Bundesinnenminister Dobrindt hatte betont, das Gutachten des Verfassungsschutzes reiche nicht aus für ein Verbot in Karlsruhe. Woher will der Minister das wissen? Und dann der Söder, der ohnehin alles besser weiß. Kein Verbot, politisch bekämpfen durch besseres Regieren. Kann man sich sparen das Gelabere. Sie haben Angst, den Prozess zu verlieren. Kann passieren, weil das so ist auf hoher See und vor Gericht, da ist niemand sicher. Dabei geht es um etwas, um viel. Es geht darum, dass Verfassungsfeinde wie die AfD unseren Staat beseitigen wollen, unsere parlamentarische Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit. Diese Verfassungsfeinde wollen sich das Land zurückholen, es soll wieder deutsch werden, Deutsche mit Migrationshintergrund, die wir brauchen, weil sie hier arbeiten, etwas leisten als Stahlarbeiter und als Lehrer und Ärzte und Busfahrer, als Universitätsprofessoren genauso wie als Pfleger im Krankenhaus oder als Verkäuferin bei Aldi und Lidl, all diese Leute sollten rausgeschmissen werden. Es sollen auch keine Migranten mehr ins Land dürfen, dabei brauchen wir rund 400000 Facharbeiter aus dem Ausland pro Jahr, damit der Laden läuft. Ausländer raus, heißt ihre Parole. Wo bleibt die Würde des Menschen?
Der Verfassungsschutz hat vor Wochen ein seit langem erwartetes Gutachten vorgelegt. Eindeutiges Urteil: Aus dem Verdachtsfall AfD ist eine gesichert rechtsextremistische AfD geworden. Das Gutachten liegt unter Verschluss, die AfD hat dagegen geklagt, der Fall wird vor dem Verwaltungsgericht in Köln geprüft. Bis die Klage entschieden ist, ist das Gutachten des Verfassungsschutzes auf Eis gelegt. Das heißt nun überhaupt nicht, dass dieses Gutachten auf dem Müll landet. Darum geht es nicht. Ich hoffe, dass die Kölner bald grünes Licht geben, dass es weitergeht und dass dann das ganze Gutachten der Öffentlichkeit zugestellt wird, damit sich jeder ein Bild machen kann über die AfD. Die Weidels und Gaulands sollten sich nicht zu früh freuen und nicht auf dem falschen Bein tanzen: Ihre Partei bleibt verfassungsfeindlich oder wie es NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst vor Jahr und Tag gesagt hat: „Die AfD ist eine Nazi-Partei“.
Mit dem Gutachten wurde bestätigt, was ohnehin die, die es interessiert, wussten: Dass sich der Verdacht, dass die AfD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet, bestätigt hat. So ist, und das ist ein wesentlicher Punkt, das in der AfD vorherrschende ethnische abstammungsmäßige Volksverständnis eben nicht vereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit ihrem ethnischen Volksbegriff diskriminiert die AfD ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland und macht Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund zu Bürgern zweiter Klasse. Dieses Verhalten widerspricht der in Artikel 1 Grundgesetz festgelegten Würde des Menschen, die unantastbar ist. Ausdrücklich haben die Verfassungsmütter und -väter damals die Würde des Menschen hervorgehoben, nicht allein die Würde der Deutschen. Bundespräsident Johannes Rau hat in seiner Dankansprache nach seiner Wahl 1999 exakt darauf hingewiesen. Einige aus der Union haben das kritisiert, dabei hatte Rau etwas Selbstverständliches gesagt.
Unter Berufung auf Carlo Schmid
Das Parteien-Verbot hat einst der große Sozialdemokrat Carlo Schmid herausgehoben und betont, dass Verfassungsfeinde keine Toleranz beanspruchen könnten. Im Gegenteil: Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz. Die Demokratie muss wehrhaft sein. Sie ist es qua Grundgesetz, Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung können einen solchen Verbotsantrag stellen. Sie müssten es eigentlich tun, wenn Gefahr in Verzug ist. Und seit 1945 ist dieser Staat nie einer solchen Gefahr ausgesetzt gewesen wie jetzt durch die AfD, die zweitstärkste Partei im Deutschen Bundestag ist, nach der Union, aber klar vor der SPD, der ältesten deutschen Partei. Und diese SPD wäre aufgrund ihrer Geschichte verpflichtet, zu handeln. 1933 war es die SPD als einzige Partei der Weimarer Republik, die Hitlers Ermächtigungsgesetz abgelehnt hat. Berühmt sind die Worte des SPD-Vorsitzenden Otto Wels: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Die konservativen bürgerlichen Parteien wie das Zentrum hatten geglaubt, sie könnten Hitler zähmen, dabei wurden auch sie kurz nach dem Ermächtigungsgesetz von Hitler verboten, ihre Mitglieder wurden wie die der SPD verfolgt, in Konzentrationslager gesteckt, ermordet. Sie hatten es versäumt, gegen die NSDAP ein Verbot anzustrengen, als sie noch die Möglichkeit dazu hatten.
Natürlich gehört zum Kampf der Demokratinnen und Demokraten gegen die AfD auch die politische Anstrengung, die Argumente der AfD zu zerpflücken, die von den Sympathisanten der Partei genannten Probleme zu lösen, wozu sicher auch eine bessere Migrationspolitik gehört und hier vor allem eine Integrations-Politik, die den Namen verdient. Also ausreichend Kita- und Schulplätze, ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, Wohnungen und Arbeitsplätze, besonderer Wert muss darauf gelegt werden, dass Geflüchtete sofort die deutsche Sprache lernen müssen. Am Ort muss es Angebote geben, die müssen überprüft werden. Ausländer ohne Deutschkenntnisse und berufliche Ausbildung sind eher von Arbeitslosigkeit bedroht.
Unsere Demokratie lebt von gegenseitigem Respekt. Die AfD aber spaltet. Sie vergiftet systematisch das politische Klima. Man höre mal in Bundestags-Debatten rein. Sie verstehen sich aufs Pöbeln und Krachmachen. Die Zauderer und Abwiegler eines Verbotsverfahrens weisen auf die Opferrolle hin, die der AfD zugute komme. Das muss nicht so sein, wenn man entschlossen vorgeht, wenn sich die Demokratinnen und Demokraten im Bundestag, also CDU, CSU, die SPD, die Grünen und die Linke einig sind. Dass sie einen gut begründeten Verbotsantrag erarbeiten, darf man als selbstverständlich voraussetzen. Das Gutachten der Verfassungsschützer ist dafür nur die Basis.
Der Fall Jens Spahn
Wenn ein Spitzenpolitiker wie Jens Spahn, der ja aufgestiegen ist zum Fraktionschef der Union im Bundestag, dazu auffordert, die AfD wie eine normale Oppositionspartei zu behandeln, dann weckt das bei mir den Verdacht, dass der Spahn mittelfristig darauf setzt, mit dieser AfD koalieren zu wollen, dass Spahn die Brandmauer, die noch steht, abreißen will. Wie gesagt, es ist mein Verdacht. Ich weiß nicht, ob Friedrich Merz, der sich schon einmal eine Mehrheit mit AfD-Stimmen besorgen wollte, so denkt wie sein Fraktionschef. Verlassen würde ich mich nicht darauf, eben weil er im letzten Bundestag schon einmal betont hatte, es sei ihm egal, wer seinem Antrag zustimme. Ja, so ist das Herr Bundeskanzler, wenn man Versprechen nicht einhält, büßt man Vertrauen ein.
Ein „muslimischer Mensch mit Migrationsgeschichte“, so nannte er sich selbst, hat in einem Leserbrief seine Angst geschildert wegen der AfD und ihrer Vertreter(auch hochrangiger), die die Würde des Menschen mit Füßen treten. Angst, obwohl er, wie er schreibt, seit langem im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist. „Hoffentlich kommt diese ausländerfeindliche Partei niemals an die Macht.“ Eine Sorge, die gewiss bei vielen Migranten verbreitet ist. Früher, schreibt er weiter, „hatte ich das wunderbare Gefühl der Sicherheit, der Geborgenheit und des würdevollen Respekts hier in Deutschland“. Und jetzt? „Die Zeiten, in denen das Unsagbare dank der rechtsextremistischen AfD zum normalen Alltag gehört, haben vielen ausländischen Mitbürgern nicht nur ihre Würde weggenommen. Der Glaube, als vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden, ist abhanden gekommen. Die AfD veranstaltet mit ihren perfiden und bösartigen Äußerungen eine indirekte Jagd auf Ausländer, sie hetzt bewusst ihre Anhängerschaft auf und tut so, als sei ihr Vorgehen nicht schlimm. Was bitte muss noch alles geschehen, um die Partei zu verbieten?“
Der Mann hat Recht. Man muss diesen Demokratieverächtern die rote Karte zeigen. Das Argument, ein solches Verfahren dauere lange, zieht nicht. In dem Augenblick, da der Bundestag einen Verbotsantrag beschließt und diesen nach Karlsruhe schickt, haben wir eine andere Lage. Die AfD ist kein politischer Gegner, sie ist ein Feind der Verfassung, der diesen Staat zerstören will. Das müssen wir verhindern. Das ist die wehrhafte Demokratie. Herr Klingbeil, schauen Sie in die Geschichte Ihrer ehrwürdigen Partei, der SPD. Es ist Ihre Pflicht als SPD-Vorsitzender, als Demokrat aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Es nicht zu versuchen, das Verbot der AfD, wäre feige.
Bildquelle: Wikipedia, Von Tobias Helfrich – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,
Es ist Zeit jetzt endlich zu handeln!
AfD Verbot jetzt!