Um es gleich vorweg zu sagen: Das ist kein Interview zu seinem 100. Geburtstag und es ist auch kein Porträt über Georg Stefan Troller, den großen, alten Mann des deutschen Fernsehen, besser der deutschen Fernsehpublizistik, es sind sehr viel mehr Erinnerungen an viele Begegnungen, Spaziergänge, Eindrücke an ihn in seinem Paris – an einen Zeitzeugen, an einen Jahrhundertmann. An einen Romantiker, der einmal über sich selber gesagt hat: „Ich denke ja, daß ganz versteckt, verborgen, verheimlicht der Erfolg meiner journalistischen Sachen darauf beruht.“
Und natürlich auf Neugierde, auch wenn der Vollbart grau geworden ist, die Augen sind wach, registrieren jede Kleinigkeit und dann die Stimme… Unverkennbar nachdrücklich. Armin Müller-Stahl, Friedrich Nowottny, Gerd Ruge und Fritz Pleitgen, auch Jahrhundertmänner. haben auch so eine. Und wahrscheinlich hätten sie alle einmal gerne die Zeit angehalten. Troller jedenfalls gerne schon zu seinem 60. Geburtstag: „Ja, im Gegensatz zu dem, was ich immer erwartet hatte, nämlich, daß die Jugend das Beste ist und es nachher bergab geht. Ich finde, das Gegenteil ist der Fall“, sagte er vor einiger Zeit, schaute nachdenklich und fuhr fort: „Eigentlich ist jetzt eine der Zeiten, die ich gerne anhalten würde. Wie der alte Faust. Man hat nicht mehr die Probleme der Jugend, die Komplexe, den Karrieredruck. Ich sage Ihnen einen schönen Satz. Der Ausspruch geht so: „Wenn die Jugend bloß wüßte, wenn das Alter bloß könnte. Dazwischen liegt eine Strecke, auf der man sowohl kann als auch weiß. Das ist die schönste Zeit.“
Ganz sicher ist Georg Stefan Troller nicht ohne sein Frankreich, nicht ohne sein Paris zu verstehen, in dem er 1962 seine Fernsehserie „Das Pariser Journal“ für den WDR beginnt und ab 1972 für das ZDF in 70 „Personenbeschreibungen Prominente befragt. Das ist Zeitgeschichte, wie man sie immer wieder in Paris trifft. „Das ist für mich das Wunderbare, dass man auf Schritt und tritt spürt, wohin man auch kommt. Wie zum Beispiel das Denkmal für den Philosophen Voltaire gleich neben dem Fotoarchiv Roder Viollet. Wohin immer man schaut, ist etwas, das Jahrhunderte zurückgeht. Da fühle ich mich als Nachfolger einer alten Tradition. Also jemand, der sie fortsetzt.“ In seinem alten Herzen von Paris, dem Saint Germain des Pres. Das Viertel steckt voller Geschichte. Jede noch so kleine Straße, wie beispielsweise die Rue Jacob: „Dort wohnte Ernest Hemingway, als er Anfang der 20er Jahre als junger Sportreporter für eine kanadische Zeitung hierher kam. Das Hotel in der Rue Jacob war seine erste Adresse in Paris. Übrigens auch die seines amerikanischen Schriftstellerkollegen F. Scott Fitzgerald. Der wurde im Gegensatz zu Hemingway ganz schnell reich. Zum Beispiel mit einem großen Romanerfolg „Der große Gatsby“.“
Vergangene Zeiten – ferne Erinnerungen, die immer wieder zurückkehren, wie an Woody Allen: „Der hat mich nicht gemocht.“ Und Romy Schneider. Er macht mit ihr das letzte Fernsehinterview vor ihrem Tod: „Romy war ergreifend, in ihrer Offenheit, in ihrer Verletzlichkeit, in ihrer Hingabebereitschaft. In ihrer völlig verfehlten Hingabebereitschaft an die falschen Männer. In ihrem ungeheuer guten Willen, das Richtige zu tun., anzukommen, geliebt zu werden, und dieses deutsche Publikum hat sie ja, nachdem sie die Sissi – Filme aufgab, nach Frankreich kam, gehasst. Sie wurde ja von den Deutschen fertig gemacht, wie Marlene Dietrich. Als Verräterin, umso mehr, als sie dann noch einen französischen Liebhaber hatte, Alain Delon, was ja auch nicht ging. Wo bleibt der deutsche Mann? Romy war ein unglückliches Wesen, aber eine so große Liebende und immer bereit, sich neu zu verlieben. Das war dermaßend überwältigend bei ihr….. man mußte sie gern haben.“
Da sehen die grauen Augen hinter den Brillengläsern traurig aus.
Die schlanken Hände liegen parallel auf dem leer geräumten Tisch.
Troller sitzt aufrecht da, in seinem geliebten Café de Flore – im St. Germain. In seinem Herzen von Paris.