Vor wenigen Tagen ist der Publizist Hermann Schreiber verstorben. Er wurde vielfach geehrt. Zu recht. Über Willy Brandts Kniefall am 7. Dezember 1970 schrieb er im Spiegel: „…Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.“ Das geschah vor 50 Jahren.
Am 19. April 1943, also vor 77 Jahren, war dort, wo Brandt kniete, der erste Warschauer Aufstand ausgebrochen. Am 19. April 1943 hatten sich zwischen 1000 und 1300 polnische Juden gegen die nationalsozialistischen Unterdrücker erhoben. Mit einigen hundert Pistolen und Gewehren und etwas Dynamit gegen SS und SD und Wehrmacht unter dem Kommando des SS-Gruppenführers Jürgen Stroop, geboren in Detmold. Über Stroop hat Kazimierz Moczarski in dem Buch „Gespräche mit dem Henker. Das Leben des SS-Gruppenführers und Generalleutnants der Polizei Jürgen Stroop. Aufgezeichnet im Mokotow-Gefängnis zu Warschau“ berichtet. Der SS-Gruppenführer wurde später im Westen Deutschlands Kommandeur des XII. Wehrkreises. Er hat angeordnet, gefangenen genommene US- Piloten zu liquidieren. Der Militärgerichtshof der US-Streitkräfte in Dachau hat Stroop am 21. März 1947 daher zum Tod verurteilt. Stroop wurde aber vor Urteilsvollstreckung 1947 an Polen ausgeliefert, 1951 abermals zum Tod verurteilt und 1952 hingerichtet.
Der erste Aufstand in Warschau im April 1943 dauerte 28 Tage, dann konnte die SS „Vollzug“ melden. Ausgelöst hatte den Aufstand der unbeschreiblich Tapferen die Tatsache, dass die Nazis das Warschauer auflösen und die Juden restlos nach Treblinka abtransportieren wollten. Breits im Januar hatten die zum Kampf entschlossen Juden, in der Żydowska Organizacja Bojowa, abgekürzt ŻOB, zusammen geschlossen, ihre Waffen auf die SS- Einheiten gerichtet. Es war ein verzweifelter Kampf. Ihr Anführer im Ghetto hieß Mordechaj Anielewicz. Er kam wie seine Lebensgefährtin, die Widerstandskämpferin Mira Fuchrer im Kampf um. Einer der wenigen Überlebenden hieß Marek Edelmann. Es ist ihm gelungen, zu fliehen. 1944 war er wieder dabei, als Polen den Aufstand gegen die Nazis versuchten. Edelmann kam aus dem Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund.
Willy Brandt hat in seinen Erinnerungen über den Kniefall geschrieben: „Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.“ Und Thomas Kröter fügte in der Frankfurter Rundschau vor zehn Jahren hinzu: „Fast die Hälfte der Bundesbürger fand 1970 Brandts Kniefalls übertrieben. CDU und CSU lehnten seine Ostpolitik ab, für die er ein Jahr später den Friedensnobelpreis erhalten sollte. Die Presse der DDR erwähnte die Geste nicht.“
Für diejenigen in Polen, die Edelmann und den Aufstand vom 19. April nicht vergessen wollen, ist das der Tag der gelben Narzissen.
Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei, Bearbeitung: Mirek Pilch