Der Nationalsozialismus entstand nicht aus dem Nichts, und wem es ernst ist mit dem „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“, der beherzigt auch das „Wehret den Anfängen!“ Dem Journalisten und Buchautor Rainer Zunder war es zutiefst ernst damit. Das entschiedene Eintreten gegen den Rechtsextremismus prägte sein berufliches und zivilgesellschaftliches Wirken über Jahrzehnte – auch persönlichen Anfeindungen und Drohungen der Neonazis zum Trotz. Rainer Zunder ist nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren verstorben. Seine geradlinige Haltung, sein großes Wissen und sein beeindruckendes Engagement werden fehlen.
Ein Politikredakteur der „Westfälischen Rundschau“ war zu seiner Zeit unweigerlich ein Generalist, und Zunder war ein vielseitig interessierter, kenntnisreicher und urteilsstarker Journalist. Gut drei Jahrzehnte berichtete, analysierte, kommentierte und glossierte er für die in Dortmund erscheinende Regionalzeitung. Gewissenhaft und gründlich in der Recherche, pointiert und standhaft in der Meinungsgebung. Heute heißt das alte Schule, weil dereinst selbstverständliche Standards unter die Räder gekommen sind.
Geschichte und Recht, Parteien und Demokratie gehörten zu seinen thematischen Schwerpunkten. Als Verfassungspatriot, Sozialdemokrat und Protestant ließ Rainer Zunder sich von starken Werten und Überzeugungen leiten. Achtundsechziger verstand er nie als Schimpfwort, auch Gutmensch nicht. Sein ausgeprägter Sinn für Humor und die kleinen Skurrilitäten des Alltags wirkten ansteckend auf die Menschen in seiner Nähe. Den anglophilen Europafreund schmerzte der Brexit.
Nach dem Eintritt in den Ruhestand 2006 brachte er seine vielfältigen Kompetenzen umso stärker in verschiedene Ehrenämter ein und schrieb auch journalistische Beiträge für den Blog der Republik. Er arbeitete in der Evangelischen Kirche und im Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus mit. Er stand in der ersten Reihe bei Demonstrationen gegen die Naziszene und erinnerte an die Verbrechen der Nationalsozialisten in seiner Heimatstadt, zuletzt in einer Veranstaltung des Deutschen Evangelischen Kirchentages vor der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.
„Erschossen in Zicherie“ lautet der Titel eines Buches, das Rainer Zunder zu dem Fall des Rundschau-Reporters Kurt Lichtenstein geschrieben hat. Lichtenstein war nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 das erste Todesopfer an der deutsch-deutschen Grenze. Der Fall wurde erst nach der Wende juristisch aufgearbeitet. Bis dahin hatte Zunder schon alle Archive und sonstige Quellen erschlossen. Unrecht hat er nie auf sich beruhen lassen.

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