Donald Trumps Tage als Präsident der USA sind gezählt. Noch sind wir weit vom Wahltag im November 2020 entfernt, an dem die Bürgerinnen und Bürger der USA der Präsidentschaft Trumps ein Ende setzen können. Aber es gibt Grund, zuversichtlich zu sein. Das liegt vor allem an einer Gruppe, die mit 50,8 Prozent knapp die Mehrheit der amerikanischen Gesellschaft bildet, den Frauen. Ihre Macht bekommt Donald Trump seit dem 1. Januar 2019 zu spüren. Das gefällt ihm ganz und gar nicht, aber er muss sich damit abfinden. Nancy Pelosi heißt die Frau, der als Sprecherin des Repräsentantenhauses quasi von Amts und Verfassungs wegen die Aufgabe zukommt, ein Gegengewicht zum Präsidenten zu bilden. „Ehrgeiz muss dem Ehrgeiz entgegenwirken“, so begründete einst James Madison die Gewaltenteilung in den USA. Da sich der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat dieser Aufgabe entzieht, fällt diese nun einer Frau zu, was Trumps aufgeblähtem Ego gar nicht behagt. Hinzu kommt: Bei dieser Aufgabe wird Nancy Pelosi von vielen Frauen unterstützt – im Repräsentantenhaus und im Lande.
Das bekam der Präsident zu spüren, als er am 5. Februar auf Einladung von Nancy Pelosi zur „Rede der Nation“ in den Kongress kam. Seine Berater hatten ein Lob in seine Rede eingebaut, das die Abgeordneten mit stürmischem Applaus quittierten: Hundert Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts sitzen mehr Frauen im Kongress als je zuvor. Als Trump darauf zu sprechen kam, konnten die Abgeordneten, von denen etliche im November 2018 in den Kongress gewählt worden waren, gar nicht anders, als sich von den Plätzen zu erheben und zu jubeln. Auch wenn von den 131 Frauen, die in beiden Kammern des Kongresses dienen, 80 Prozent Demokraten sind – anders noch als in den 1980er Jahren, als beide Parteien, Demokraten und Republikaner, gleich viele (oder besser: wenige) Frauen ins Parlament in Washington schickten. Das hat auch mit dem unterschiedlichen Wahlverhalten von Frauen und Männern zu tun, der „Gender Gap“, die bei den Kongresswahlen im November 2018 so groß war wie nie zuvor: Knapp 60 Prozent der Frauen gaben ihre Stimme den Kandidatinnen und Kandidaten der Demokraten. Bei den Männern waren es nur 47 Prozent – eine Kluft im Wahlverhalten zwischen den beiden Geschlechtern, die Trumps Beratern nicht entgangen sein dürfte.
Der alte Mann und die Drogen
Da tut sich was im Land, und wer das auf unterhaltsame Weise erfahren möchte, dem sei ein Film empfohlen, der im Januar in die deutschen Kinos kam: „The Mule“ mit Clint Eastwood als Hauptdarsteller und Regisseur. Sie sind erstaunt? Ausgerechnet der Schauspieler, der sich 2012 von den Republikanern rekrutieren ließ, um bei Wahlparteitag der Partei einen misslungenen Monolog mit dem nicht anwesenden Präsidenten Barack Obama, vertreten durch einen leeren Stuhl, zu führen? Nun ja, dann lassen Sie mich erklären, warum der Film auf eindrucksvolle Weise vom Ende der Herrschaft der alten weißen Männer Amerikas handelt. Und warum er deshalb sehenswert ist.
Clint Eastwood, inzwischen 88 Jahre alt, spielt in dem Film einen Mann, der sich zeitlebens mehr um seine Blumen gekümmert hat als um seine Frau und seine Familie. Er züchtet Taglilien und reist dafür kreuz und quer durchs Land, weil seine Züchtungen gefragt sind. Vom Internet und von Handys hält er nicht viel, was seinem Geschäft zum Verhängnis wird. Denn die Nachfrage nach seinem Katalog und seinen Taglilien sinkt, seine Gärtnerei kommt schließlich unter den Hammer. Seine mexikanischen Arbeiter können ihm nur noch dabei helfen, seine letzte Habe auf seinen verrosteten Pickup-Truck zu laden, bevor er sich aufmacht zu seiner Enkelin, die trotz allen Familienzwists noch immer an ihrem Opa hängt. Der taucht unvermittelt bei ihrer Gartenparty auf, vergrätzt dabei seine Exfrau und auch seine Tochter, bekommt dann aber von einem der Gäste eine Karte zugesteckt mit einem Tipp, wo es für ihn Arbeit geben könnte.
Und so wird der alte Mann zum Drogenkurier – zunächst ohne es zu wissen und scheinbar widerstrebend. Doch dann, als Geld fließt, und das nicht zu knapp, findet er Gefallen daran, zumal er ja auch schon früher rastlos und kreuz und quer durchs Land gefahren ist, ohne jemals einen Strafzettel für zu schnelles Fahren zu bekommen.
Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit – den Drogenkurier im Greisenalter hat es wirklich gegeben, er hieß Leo Sharp, züchtete Taglilien und lieferte über viele Jahre für das Sinaloa-Kartel Drogen aus, bis er schließlich auf einer seiner Touren, inzwischen neunzigjährig, gefasst wurde. Dann wurde Hollywood auf den Artikel von Sam Dolnick im Magazin der New York Times aufmerksam und machte eine Geschichte daraus, die man nun wie eine Parabel auf Trumps Amerika lesen kann. Auf ein Amerika, das vor unseren Augen langsam verschwindet und bald der Vergangenheit angehören dürfte.
Das liegt an der Hauptfigur, im Film Earl Stone genannt, der als alter weißer Mann ein wichtiges Privileg genießt, das das Drogenkartell nur allzu gern für sich nutzt: für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Er muss, wann immer er auf Polizisten trifft und auffliegen könnte, nicht befürchten, dass die ihn über den Haufen schießen, wie das oft passiert, wenn weiße Polizisten auf schwarze Männer treffen. Dabei hält Earl Stone unbeirrt an seinem Lebensstil fest: Unterwegs hört er gern Country-Musik, und das müssen die Bewacher, die ihn im Auftrag des Kartells abhören, erdulden. Er weiß, wo es die besten Sandwiches gibt, und legt dort einen Stopp ein, obwohl seine mexikanischen Begleiter dort unerwünscht sind. Die herbeigerufenen Polizisten weiß Earl Stone zu beschwichtigen – er schenkt ihnen sogar noch zwei Dosen Popcorn. Und er ist hilfsbereit: Einer mit ihrem Prius in einer Einöde gestrandeten afroamerikanischen Familie hilft er gern beim Radwechsel und lässt sich im Gegenzug von ihnen belehren, dass man das Wort „Neger“ schon geraumer Zeit nicht mehr verwende. Earl Stone ist aus der Zeit gefallen, aber doch unangreifbar – ein Coup für das Drogenkartell. Einen besseren Boten hätten sie nicht finden können.
Sein Job als Drogenkurier macht Earl Stone auf einen Schlag reich. So kann er großzügig sein und das Lieblingslokal seiner Kriegsveteranen-Freunde mit einer Spende erhalten. Und er kann auf den langen Autofahrten über sein Leben nachdenken. Dabei wird ihm bewusst, dass seine Familie zu kurz gekommen ist. Seine Blumenzucht war ihm wichtiger als alles andere. Diese Erkenntnis teilt er auch dem Agenten der Drogenfahndung mit, mit dem er morgens per Zufall am Tresen eines Waffle Houses sitzt. Und das lässt ihn schließlich vom Weg abkommen, als er hört, dass seine Frau im Sterben liegt.
Das Kartell hat schon beschlossen, den eigenwilligen Greis zu liquidieren, da wird er dann zu guter Letzt doch festgenommen. Vor Gericht bekennt er sich zu seiner Schuld. Im Knast angekommen, darf er wieder Taglilien züchten.
Was der Film nicht zeigt? Die Leiden, die durch den Drogenkurier und seine teure Ware angerichtet werden. Nach Trumps Wahl wurde diesem Teil Amerikas größere Aufmerksamkeit zuteil, auch weil zahllose Reporter in entlegene Regionen der USA reisten, um die vergessenen Männer und Frauen aufzuspüren, von denen Trump im Wahlkampf gesprochen hatte. Doch auch wenn in Eastwoods Film vieles beschönigt wird: Der Film handelt eben auch vom Ende der weißen Vorherrschaft in den USA, ausgeübt vor allem von Männern, die bislang auf das Privileg der Unschuldsvermutung bauen konnten.
So ganz vorbei ist es noch nicht…
Doch Trump hat etwas, was Earl Stone zeitlebens gefehlt hat: Macht und Geld. Damit steht er nicht allein da – auch andere Oligarchen (in der Regel Männer) haben viel, viel Geld, das sie dank großzügiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts mit vollen Händen ausgeben können, um ihre Kandidaten zu platzieren oder gar selbst im Wahlkampf anzutreten. Das gilt für beide Seiten des politischen Spektrums – Gottseidank, ist man geneigt zu sagen. Einer, der oft mit dem Gedanken gespielt hat, Präsident zu werden, der Ex-Bürgermeister von New York und Unternehmer Michael Bloomberg, hat vor wenigen Tagen auf eine Kandidatur verzichtet, will aber sein Geld für Themen einsetzen, die ihm wichtig sind, wie den Klimawandel und die Kontrolle von Schusswaffen.
Bloomberg, der einst auf republikanischem Ticket Bürgermeister von New York wurde, hatte vor, bei den Demokraten den Hut in den Ring zu werfen. 195 Personen haben das laut Ballotpedia bis zum 4. März bereits getan, nur wenige davon hätte Bloomberg als ernsthafte Konkurrenten fürchten müssen. Doch unter den Kandidaten der Demokraten befinden sich einige Frauen, die nicht nur das Zeug haben, erste Präsidentin der USA zu werden, sondern auch gute Chancen, aus dem langen Rennen bis zum Nominierungsparteitag der Demokraten als Siegerin hervorzugehen. Wichtiger für Bloomberg mag aber gewesen sein, dass es junge, weibliche Abgeordnete der Demokraten im Repräsentantenhaus sind, die das neue Gesicht der Partei bilden und die Partei mit ihren Vorschlägen zur Umwelt- und Finanzpolitik nach links rücken.
Als erste warf Elisabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts ihren Hut in den Ring. Bekannt wurde sie durch einen wegweisen Artikel, veröffentlicht in der Zeitschrift „Democracy. A Journal of Ideas“ im Jahr 2007, in dem sie für die Einrichtung einer Verbraucherschutzorganisation für Finanzprodukte plädierte. „Unsafe at any Rate“ war der Artikel betitelt in Anlehnung an Ralph Naders Buch „Unsafe at Any Speed“, das 1965 zum Bestseller wurde und Nader zum unbestrittenen Vorkämpfer des Verbraucherschutzes in den USA machte. Warrens Vorschlag fand nach der Rezession im Jahr 2008 ebenfalls Eingang in die Politik, doch die Republikaner konnten verhindern, dass sie an die Spitze der neuen Behörde zum Finanzverbraucherschutz rückte. So wurde sie in den Senat gewählt, wo sie sich als Kritikerin von Banken und Wall Street profilierte. Weitere Senatorinnen, nicht minder qualifiziert, aber vielleicht weniger bekannt, haben inzwischen ihre Kandidatur erklärt: Kirsten Gillibrand, Senatorin aus dem Staat New York; Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien; Amy Klobuchar, Senatorin aus Minnesota, und Tulsi Gabbard, Abgeordnete aus Hawaii. In der New York Times schrieb Shane Goldmacher gar von einer „Schwemme“ weiblicher Kandidaten – a „glut of female candidates“, was bei den Lesern nicht unwidersprochen blieb. Douglas G. Morris aus New York merkte kritisch an, dass von den fünfzehn (aussichtsreichen) Kandidaten neun Männer seien: „There’s the glut.“ Allen Kandidatinnen fehlt es noch an landesweiter Bekanntheit, was von zwei alten weißen Männern, Joe Biden und Bernie Sanders, nicht gesagt werden kann. Joe Biden war acht Jahre lang Vizepräsident und davor Senator. Es wird damit gerechnet, dass er in Kürze seine Kandidatur bekannt geben wird. Bernie Sanders ist den Amerikanern spätestens seit 2016 vertraut, als er den Vorwahlkampf der Demokraten als selbst erklärter Sozialist kräftig aufmischte und damit vor allem junge Leute begeisterten konnte.
Inzwischen werden Sanders Ideen zwar nicht von allen Demokraten im Kongress geteilt, doch sie bekommen weit mehr Aufmerksamkeit und auch Unterstützung. Das liegt vor allem an einigen jungen weiblichen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, die die Wahrnehmung der Demokraten in den sozialen Netzwerken und in den Medien prägen. Mit ihnen ist die demokratische Partei deutlich nach links gerückt – das Label „progressiv“, das einst Hillary Clinton für sich reklamierte, wird mit neuen Inhalten gefüllt. Einer Agenda zur Bekämpfung des Klimawandels zum Beispiel, die von der New Yorker Abgeordneten Alexandria Octavia Cortez vorgelegt wurde und sozial- und umweltpolitische Anliegen miteinander verbindet. Cortez machte auch Schlagzeilen, als sie einen Steuersatz von siebzig Prozent für Einkommen über zehn Millionen Dollar forderte, was Ökonomen wie der New York Times- Kolumnist Paul Krugman gar nicht so abwegig fanden. Eine andere Abgeordnete, Rashida Tlaib aus Michigan, wie Cortez Mitglied der „Democratic Socialists of America“, hat palästinensische Wurzeln und ist neben der 2018 in Minnesota gewählten Ilhan Omar die zweite muslimische Abgeordnete im Repräsentantenhaus. Beide rühren an ein anderes Tabu unter den Demokraten: die selten hinterfragte Unterstützung der USA für Israel. Omar hat mit provokativen Bemerkungen den Zorn der Parteiführung auf sich gezogen, weil sie damit ein hoch sensibles Thema angepackt hat, nicht immer mit ausreichend Fingerspitzengefühl, aber für ihre Israelkritik auch viel Zustimmung bekommen.
Ganz unbestreitbar ist: Die Demokraten spiegeln die gesellschaftliche Vielfalt der USA besser wieder. Doch das Spiel mit Identitäten und linker Politikprogrammatik bringt auch die Gefahr der Zersplitterung mit sich. Das könnte verhindern, worauf es im Jahr 2020 in erster Linie ankommt: die Abwahl des amtierenden Präsidenten Donald Trump, dessen autokratische Neigungen nicht mehr zu leugnen sind.
Bei der Wahl im Jahr 2020 geht es um eins: die Identität Amerikas
Im Jahr 2020 wird es um Identität gehen, das ist absehbar. Aber eine Identität sollte dann im Mittelpunkt stehen: „Who are we?“ – „Wer sind wir?“. Oder in einer Formulierung, die Barack Obama gern verwendete: „That’s not who we are“ – „So sind wir nicht“. Auch wenn es Menschen in den USA gibt, die unverbrüchlich zu Trump stehen: Die Mehrheit der Amerikaner kann sich in diesem Präsidenten nicht wiedererkennen. Trump ist nicht Amerika. Er war das schon im Jahr 2016 nicht, als er landesweit weniger Stimmen bekam als Hillary Clinton. Und Clinton war keine unumstrittene Kandidatin. Selbst wohlmeinende Kommentatoren, die ihr letztlich wohl ihre Stimme gaben, hielten sie für eine schwierige Person. Aber sie war doch eine Wegbereiterin für die zahlreichen Kandidatinnen, die sich nun um die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten bemühen. Eine Frau, so darf man aus heutiger Sicht vermuten, könnte dieses gewandelte Amerika am besten verkörpern: Eine Nation, die sich ihrer Buntheit als Stärke bewusst wird, die sich an die Werte der Verfassung gebunden fühlt, Einwanderer weiterhin willkommen heißt und ihrer Verantwortung für die globale Entwicklung bewusst ist. Eine Nation, in der Frauen nicht so verächtlich behandelt werden wie vom amtierenden Präsidenten Trump.
Eine Kandidatin auf Seiten der Demokraten könnte an die Widerstandsbewegung gegen Trump anknüpfen, die auch in diesem Jahr wieder mehr als eine halbe Millionen Menschen auf die Straße brachte, wie sich aus den Schätzungen von Protestforschern ergibt. Und sie könnte auf die vielen Frauen bauen, die neu in den Kongress gewählt wurden, und zwar in Bezirken, die von Republikanern gehalten wurden. Wie Lucy McBath aus Georgia, deren siebzehnjähriger Sohn im Jahr 2012 bei einem nichtigen Streit über die Laustärke seines Autoradios erschossenen wurde – seine Mutter setzte sich daraufhin für schärfere Waffengesetze ein und kandidierte für den Kongress. Oder wie Mikie Sherill, die den Republikanern einen Wahlkreis in New Jersey abnahm. Beide Frauen, wie andere auch andere Kandidaten, die Wahlkreise für die Demokraten hinzugewannen, stehen weniger im Licht der Öffentlichkeit – ihre „Social-Media“-Präsenz ist deutlich geringer. Trotzdem wird es darauf ankommen, dass die Demokraten eine Strategie finden, die auch sie einbindet. Ebenso wie die beiden alten Männer, Joe Biden und Bernie Sanders. Jeder der beiden kann Dinge in den Wahlkampf einbringen, die den Erfolg einer demokratischen Präsidentschaftskandidatin wahrscheinlicher machen.
Mit einem Wahlkampf, der auf die Widerstandskräfte gegen Trump setzt, müsste das gelingen. Natürlich braucht auch eine Präsidentschaftskandidatin der Demokraten eine Agenda, und wir dürfen jetzt schon davon ausgehen, dass die deutlich progressiver aussehen wird als das Programm von Hillary Clinton. Aber nur ein inklusiver Wahlkampf, der Trump streitig macht, für Amerika zu sprechen, wird letztlich Erfolg haben. Die Zeit der alten weißen Männer ist abgelaufen. Das gilt es nun unter Beweis zu stellen.
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