Das Grundgesetz ist das Kostbarste, was wir haben. Es ist das Fundament unseres demokratischen Verfassungsstaats, von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung geachtet und geschätzt. Es ist das Band, das die Gesellschaft zusammenhält – auch und gerade in Zeiten der Krise. Im Mai 2019 wird es 70 Jahre alt werden. Keine vorherige deutsche Verfassung hat so lange gehalten, keine andere sich so verlässlich bewährt.
Die Menschen honorieren das mit Vertrauen, und sie müssen auch auf die Behörde vertrauen können, deren zentrale Aufgabe der Schutz der Verfassung ist. Hans-Georg Maaßen hat dieses Vertrauen verspielt. Mit seinen verharmlosenden Aussagen zu Chemnitz, mit seiner unbefriedigenden Erläuterung, mit seiner geradezu unverschämten Einlassung, er würde seine Äußerungen unverändert wiederholen, hat er sich selbst endgültig ins Abseits gestellt.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss über jeden Zweifel erhaben sein. Maaßen ist das nicht. Seine Nähe zur AfD, die ihn offenbar nicht einmal vor der Weitergabe von geheimen Informationen zurückschrecken ließ, erscheint heute wie eine regelrechte Vorzugsbehandlung dieser Rechtsaußenpartei, deren Verhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelinde gesagt fragwürdig ist.
Die Tendenz in Mitgliedschaft, Auftreten und Aktionen der AfD weist eindeutig weiter Richtung extrem rechts. Da gibt es gute Argumente für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz, jedenfalls keine für eine besondere Fürsorge. Es bleibt vorerst im Dunkeln, was oder wer Maaßen dazu motiviert hat. Sein Dienstherr, Verfassungsminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich auch nach den Anhörungen noch hinter den Behördenchef, während sich dort bei der SPD der Eindruck verfestigte, dass Maaßen nicht mehr zu halten sei.
Letztlich gar nicht so erheblich ist die Frage, ob Maaßen seine ungeheuerlichen Äußerungen nun mit dem Einverständnis des Ministers oder gar auf dessen Weisung oder Anstiftung hin gemacht hat. Seehofer hätte dem jämmerlichen Schauspiel, das auch ein Frontalangriff gegen die Bundeskanzlerin war, längst Einhalt gebieten müssen. Er tat es nicht, und das fügt sich ja in die Attacken, die der CSU-Vorsitzende selbst gegen Angela Merkel fährt. Die Migration als „Mutter aller Probleme“ zu bezeichnen, war nicht nur in der Sache völlig verfehlt, sondern zielte auch direkt gegen die Bundeskanzlerin und lag somit schon bedenklich nah an der „Merkel-muss-weg“-Parole der Rechtsaußen.
Die ergebnislose Krisensitzung der Großen Koalition ist in dieser Situation an sich ein Unding. Die Lage ist brisant, und die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen verbieten es der Union geradezu, ihr inneres Zerwürfnis offenzulegen. Doch die Zuspitzung, die allen voran Horst Seehofer mit seinem Liebäugeln nach rechts betrieben hat, einfach aussitzen zu wollen, verbietet sich, und falsche Rücksichten sind nicht angebracht.
Zwei bemerkenswert klare Beiträge haben in dieser Woche im Bundestag deutlich gemacht, was auf dem Spiel steht. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich entschieden gegen jede „verständnisvolle Verharmlosung“ rechter Hetze gewandt, und der Sozialdemokrat Martin Schulz hat die Demokraten zur Wehrhaftigkeit aufgerufen. Wer beides ernst nimmt, darf Maaßen und auch Seehofer die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas nicht durchgehen lassen. Der SPD scheint es ernst zu sein. In letzter Konsequenz stellt sich die Existenzfrage für die Große Koalition.
Quelle: Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme via Wikipedia, CC BY-SA 3.0 DE