Wie schwer ist es eigentlich, in manche Politikerköpfe hineinzubekommen, dass bei der Durchsetzung von politischen Maßnahmen die anfängliche öffentliche Präsentation und Begründung darüber entscheiden, welchen Ausgang ein Vorhaben nimmt. Schon die ersten Reaktionen des politischen Gegners und der Presse lassen oft erkennen, ob das Ganze zu einem guten – zumindest kommunikativen – Ende kommt oder eben nicht. Die geplante Erhöhung der Parteienfinanzierung durch CDU und SPD und vor allem die plötzliche Eile bei der parlamentarischen Behandlung des Vorhabens sind wieder mal ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Schon der bloße Verdacht, etwas in großer Eile durchsetzen und dabei auch noch auf die mangelnde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit – wegen der Fußballweltmeisterschaft – setzen zu wollen, hat in diesem Fall eine negative Reaktion hervorgerufen, die zu erwarten war, wenn man vorher darüber nachgedacht hätte.
Dabei ist es doch eigentlich gar nicht so schwer, sich auch hier an einigen Verhaltensregeln zu orientieren, die zum politischen Grundwissen gehören sollten. Zwar lassen sich für jedes seriöse politische Vorhaben (hoffentlich) gute Gründe finden, aber natürlich gibt es immer auch Gegenargumente, deren Schwere vorher abgewogen werden muss. Die Öffentlichkeit hat zu Recht hohe Erwartungen an die Begründetheit und die Gemeinwohlorientiertheit von Gesetzesvorhaben, aber diese Erwartungen werden sehr schnell enttäuscht, wenn die Begründung nicht stimmt oder die Kommunikation dazu die falsche Richtung nimmt. Aus meiner Sicht sind es neun einfache Gebote für jeden Politiker, die zu beachten sind, wenn eine politische Initiative auch kommunikativ erfolgreich sein soll – und ein zehntes, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist:
- Fange ein Vorhaben nur an, wenn Du die Notwendigkeit des Vorhabens geprüft und die positiven Argumente ein solches Gewicht haben, dass sie jetzt und später in der öffentlichen Debatte auch gegen die negativen Argumente bestehen können: Andernfalls besteht die Gefahr, sehr schnell in die Defensive zu geraten und, wenn nicht in der Sache, so zumindest kommunikativ zu scheitern.
- Prüfe vorher, ob alle Argumente, die für das Vorhaben sprechen, auch öffentlich begründet werden können: Nur dann kann das Vorhaben offensiv und ohne Widersprüche betrieben werden. Bekanntlich werden nicht kommunizierte, aber offen erkennbare, unterschwellige oder heimliche Motive schnell gefunden und dann auch öffentlich aufgegriffen.
- Vermittle nicht den Eindruck, Deine Motive seien selbstlos und edel, wenn es in Wirklichkeit um die Durchsetzung von Eigeninteressen geht: Das ist sehr leicht durchschaubar und zerstört die eigene Glaubwürdigkeit.
- Mach Dir von Anfang an Gedanken, wie Du auf die immer vorhandenen Gegenargumente reagierst: Nur wenn es zu einem nachvollziehbaren Abwägen von pro und contra kommt, lassen sich auch Mehrheitsentscheidungen treffen, bei denen kein schaler Nachgeschmack bleibt.
- Versichere Dich im Vorhinein, dass alle Beteiligten bereit sind, mit allen Argumenten und allen Gegenargumenten offen umzugehen: Nichts ist schlimmer, wenn bei Gegenwind ursprüngliche Befürworter kalte Füße bekommen und von der Fahne gehen.
- Erwecke nicht den Eindruck, dass es zu dem Vorhaben keine Alternative gebe: Nur wer anerkennt, dass auch andere Lösungen oder Wege denkbar sind, behält die Freiheit, auch Umwege gehen oder Kompromisse schließen zu können.
- Versuche nicht, mit dem Faktor Zeit zu agieren: Unter zeitlichen Druck wächst der Widerstand, und bei unangemessener Eile gedeiht das Mißtrauen.
- Sei jederzeit ansprechbar und diskussionsbereit: Offenheit und Transparenz sind bessere Mittel der Kommunikation als Schweigen und Abtauchen.
- Schiebe keine Argumente oder Hilfsangebote nach, die offensichtlich mit der Sache nichts zu tun haben und von dem eigentlichen Vorhaben ablenken: Nichts macht deutlicher, dass Dir die Argumente ausgehen und Du in der Defensive bist.
- Schiebe im Fall der Fälle das Scheitern des Vorhabens nicht auf Andere: Denn erstens weiß bis dahin ohnehin jeder, wer der Initiator war, und zweitens wird es beim nächsten Anlauf um so schwieriger. Vielleicht bietet sich ja eine neue Chance, wenn sich die Grundlagen verändert haben oder neue Argumente aufgetaucht sind.
Der Kritik am Vorhaben der Koalitionsparteien zur Erhöhung der Parteienfinanzierung war erwartbar. Sie hätte nicht eine solche Lautstärke angenommen, wenn nicht die unbotmäßige Eile, die keine inhaltliche Begründung hat, ähnliche Erfahrungen aus der Vergangenheit mit der Auswahl eines geeigneten Zeitpunkts, der nur eine eingeschränkte öffentliche Aufmerksamkeit garantieren sollte, und die mangelnde Transparenz, die bei den anderen Parteien zu Protesten führen musste, genau das bewirkt hätten, was vermieden werden sollte: Eine breite Diskussion über die Angemessenheit des Vorhabens. Nur gut, dass dies nicht geklappt hat. Man muss sich fragen, warum das politische Gespür der Verantwortlichen so offensichtlich versagt hat oder ob sie billigend in Kauf genomnen haben, dass die Politikverdrossenheit weiter wächst. Das wäre der eigentliche Skandal.
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