Daniel Ortega

Eine wunderschöne Revolution - von ihren Siegern verraten: Nicaragua – aus einen Traum wurden Albträume

Nächstes Jahr ist die Vertreibung des Diktators Somozoa durch die Sandinisten 40 Jahre her. Die Menschen feierten in jenen Julitagen 1979 die Revolutionäre in Granada, Masaya und der Hauptstadt Nicaragua. Wohl kaum jemand hat diese Frage kennzeichnender beantwortet als der große nicaraguanische Lyriker und Theologe Ernesto Cardenal: „Wir unterstützten diese Revolution mit ihrer kollektiven Führung, und es war eine wunderschöne Revolution. Ich bereue nicht, diese so wunderbare Revolution unterstützt zu haben, sondern bedauere, dass sie von der jetzigen Regierung verraten worden ist.“ Es ist die vierte Präsidentschaft von Daniel Ortega und für mehr und mehr Menschen, auch für Ernesto Cardenal, seine Schriftstellerkollegin Gioconda Belli und den früheren Vizepräsidenten Sergio Ramirez ist ist der ehemalige Freund und Mitkämpfer gegen die von den USA bis zum Schluß unterstützte Somozadiktatur der Scharfrichter der Sandinistischen Revolution.

Die weit über die Grenzen Nicaraguas und Lateinamerikas hinaus bekannte Belli sieht ihr Land unter der umfassenden Kontrolle der Ortega-Familie:“Daniel Ortega und seine Familie kontrollieren das ganze Land, von den Medien über die Polizei bis hin zur Justiz.“ Nach mehr als drei Monaten massiver Proteste mit etwa 400 Toten vergleicht die ehemalige Sandinistin die Propaganda von Ortegas Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo „eher mit Goebbels als mit Orwell“. Und wie viele in Nicaragua hatte sie in den Jahren 1978 / 1979 ursprünglich gehofft, dass General Somoza der letzte Diktator sein würde, den die Menschen in diesem kleinen mittelamerikanischen Land würden erleiden müssen.
Die Lage in diesen Monaten wie in den zurückliegenden Jahren erinnert eher an eine Formulierung von Oscar Wilde, der in der Revolution die erfolgreiche Anstrengung sah, eine schlechte Regierung zu beseitigen oder loszuwerden, jedoch nur um eine noch schlechtere zu errichten. Ernesto Cardenal übrigens stimmte dem in einem bereits 2016 geführten Interview für das im Steidl Verlag erschienene Buch „ERNESTO CARDENAL MEIN LEBEN FÜR DIE LIEBE – Gespräche und SUSAN MEISELAS NICARAGUITA -Fotografien“ mit den Worten zu: „Es ist nichts geblieben von der Revolution, nichts ist mehr links, nichts ist mehr sandinistisch. Von der Revolution bleibt immense Frustration und der Schmerz. Es war ein Traum, aus dem wir nicht erwachen wollten. Jetzt sind da nur noch Albträume.“
Amnesty beklagt „shoot and kill“ Politik Ortegas 
Die seit Mitte April immer furchtbarer, bedrückender geworden ist, seit es zu den ersten heftigen Protesten gegen die Pläne der Regierung kam, die Sozialversicherung zu Lasten der ohnehin Einkommensschwachen zu „reformieren“. Und Menschen mit geringem Einkommen gibts in Nicaragua fast 40 Jahre nach dem Sieg der Sandinisten bedrückend viele. Sie und viele Studenten – in denen Ortega und seine Sandinisten ursprünglich und schließlich irrtümlicherweise ihre Unterstützer gesehen hatten – gingen auf die Straße, protestierten, vor allem anhaltend in Masaya.
Die Regierung ließ gewalttätig gegen sie vorgehen, sabotierte Vermittlungsversuche der katholischen Kirche. Der Versuch eines nationalen Dialogs scheiterte. Ortega bezeichnete die Bischöfe als Teil des Putsches gegen ihn: „Die Gotteshäuser wurden als Kartelle missbraucht, als Waffenlager mit Bomben und als Stützpunkt, um Menschen anzugreifen und zu töten.“ Kardinal Leopoldo Benes, der ranghöchste Katholik in Nicaragua und Nachfolger des Sandinistengegners Kardinal Obando y Bravo, ließ diese Vorwürfe entschieden zurückweisen.
Nicaragua Anfang August 2018. Amnesty International beklagt, die Regierung in Managua betreibe eine „shoot and kill“ Politik. Daniel Ortega zeigt sich unbeeindruckt von den Protesten Hunderttausender, schließt seinen Rücktritt kategorisch aus. Längst ist aus den Demonstrationen gegen die Verteuerung der Sozialversicherung eine massive Manifestation gegen Daniel Ortega und dessen Klan geworden. Mit hunderten Verschwundenen, Verletzten und Toten. Gioconda BellI: „Dieses leicht psychopathische Präsidentenpaar hat eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte Nicaraguas geschrieben und im Land eine Klientelwirtschaft entwickelt.“
Bildquelle: Wikipedia, Fundscion Ong DE Nicaragua, CC BY-SA 3.0
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Der Fernseh- und Radiojournalist arbeitete als Kulturredakteur und später als ARD Korrespondent in Washington und Mexiko. Seit 2002 ist Hafkemeyer Professor an der Berliner Universität der Künste.


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