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Peer Gynt

Gerald Uhlig-Romero Von Gerald Uhlig-Romero
18. Mai 2016
Höhlenmalerei Lascaux

Man glaubt ja nicht, wie stark die Scham in uns wirkt, wie schüchtern wir eigentlich alle sind. Ganz egal wie stark unser Auftritt daherkommt, der größte Horror für unsere Gefühle ist „das abgelehnt werden“. Unsere größte Angst ist es, aus dem Trampelpfad der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Wir fürchten uns davor, wie andere uns sehen.Warum schämen wir uns so und trauen uns nicht, mit unserem Wesen offener umzugehen?

Anna an einen Fliederbusch gelehnt spricht zu den Blüten :„Ich habe gelernt, wie man von sich selbst ablenkt, wegrennt, aber nicht, wie man lebt. Manchmal mache ich mich so klein vor mir selbst, dass ich nicht hinausgehen mag in die Welt. Ich stelle dann meinen Computer an. Ich denke oft, die anderen sind mutiger als ich, haben mehr Glück, haben ein viel besseres Leben als ich, mehr Männer, mehr Frauen, mehr Orgasmen, mehr Drehtage. Das Belohnungssystem der anderen klingelt dauernd und ich werfe mir stattdessen eine Psychopharmaka nach der anderen ein. Dann hat mir Philip von Österreich gesagt, quatsch Mädel, alle haben, wie du, die gleichen Gewichte am Hals, am Herzen, im Kopf. Das Unglück beginnt mit dem Vergleichen und dem Behaupten. Ohne Vergleichen, Kopieren und Nachspielen aber funktioniert das mit der Menschwerdung nicht. Und der Typ, der dort behauptet, er sei ein Boss, ein Endscheider, ein Lenker, einer der weiß wo es für die anderen langgeht….. Fehlanzeige. Er weiß nichts, denn kein Mensch auf der Welt weiß, wo es langgeht. Alle müssen wir vom Baum der Erkenntnis essen, und wer davon isst, muss scheitern. Die Strafe für das Scheitern ist die Selbsterkenntnis und mit ihr kommt die Scham.“

Das Unbekannte, Komische und Tragische lauert immer in unserem Leben. Wir sind nicht vom Schicksal zum Unglück verurteilt. Krankheit, Verlust, Tod- das sind Realitäten des Lebens, unser unvermeidliches Los.

Wir sollten wissen, dass die wirklichen Übel,ob in der Liebe, dem Beruf, der Politik, oft im Schutz unserer hohen Ideale und Erwartungen gedeihen. Es hageln die Enttäuschungen und plötzlich sehen wir alle so unterkühlt aus, als ob es unter unserer Haut geschneit hat.

Zwischen Euphorie und Trauer

Heute bin ich mein Freund und morgen bin ich mir ein Fremder. Zwischen Euphorie und Trauer, zwischen Öffentlichkeit und Einsamkeit, zwischen Lidl Biofarm.…ein Leben lang plagen uns Zeitgeist-Dämonen. Unsere Natur überfordert uns und sterben werden wir unvollendet. Und wenn wir nichts zu tun haben, dann machen wir uns gegenseitig nach. Unsere Organtektonik verschiebt sich solange, bis sie verfault. Das ist das Leben! Nichts hilft uns frei zu sein. Wir sind die Gefangenen unserer Art.

Wir alle sind eingesperrt in die menschliche Sicht der Dinge, die sich über Jahrmillionen aus den Gegebenheiten der Naturgesetze entwickelt hat. Warum vergessen wir immer wieder, dass wir irrationale Wesen sind? Dass nichts auf der Welt und im Kosmos ohne sein Gegenteil wahr ist? Dass wir mit unserem Leben und uns selbst eigentlich nichts anfangen können? Keiner von uns hat je diese Veranstaltung hier verstanden und keiner wird sie je verstehen! Letztlich steuert jeder am eigenen Leben vorbei, weil keiner eigentlich weiß, was sein eigenes Leben ist.

Wenn es dem Ende zugeht, sind wir immer voller Zorn, weil wir immer und immer wieder vor dem Wesentlichen hysterisch davon gerannt sind. Wir bemerken, dass wir unsere Existenz versäumt haben. Und wir merken, dass wir uns selbst unbekannt geblieben sind und unerkannt sterben müssen.

Die Naturgesetze haben in dieser Welt an Gott keine Rolle zu vergeben.

Selbst belügen und betrügen

Also noch mal: Ohne Widersprüche sind originelle Gedanken und Erlebnisse einfach nicht zu haben. Wen häufig die Langeweile plagt, der hat natürlich das Gefühl der Bedeutungslosigkeit. Stärke dein psychisches Immunsystem und schieße dir wie ein Süchtiger die Placebos in alle Venen, die du hast. Selbstachtung zum Beispiel erhöht dein Wohlbefinden. Ein gutes Placebo!
Schwindel dich an und tauche dein Leben in ein gnädiges Licht. Wir denken uns ständig Geschichten aus, um die Wahrheit, die wir nicht ertragen können, auszuhalten.Kaum jemand will die Wahrheit hören. Aber alle wollen sie aussprechen!
Der Mensch kann mit zu viel Wahrheit nicht leben. Wir müssen uns ständig selbst betrügen und belügen, um unsere Existenz ertragen zu können.

Es gibt Momente, da werde ich sentimental und da habe ich auch Mitleid mit dem homo sapiens, weil wir alle so zwangsläufig und ungewollt in diese Welt geraten sind. Niemand hat sich dieses Leben freiwillig gewünscht. Wir können nichts für die Dinge hier. Nichts für Krankheit, für Gesundheit, für unsere zerbrechlichen Körper, nichts für dieses komische und lächerliche Liebesspiel zum Zwecke der Arterhaltung, nichts für unseren Glauben, nichts für die romantische Liebe, für das blödsinnige Gefühlsalphabet, nichts für den Kapitalismus, die Konsumgesellschaft oder für Diktaturen. Nichts für Stürme, Erdbeben, Pandemien, Tod. All das hat niemand gewollt. Das ist eben alles passiert. Auch die Gedanken sind immer schon vor einem da, genauso wie der Lärm, der Schnupfen und die Mathematik.

Eigentlich werden wir nie wissen

Aber wir gewöhnen uns alle schnell an jedem neuen Zustand, sind erneut unzufrieden und verlangen alsbald nach mehr.
So ist das nun mal auf dieser Welt: Eine Wechselwirkung von enorm vielen Systemen bringt einen zufällig hier her und sorgt dafür, was man wird. Starke Systeme lenken uns immer dahin, wo sie es wollen! Wir werden vielleicht das eine oder andere wissen, aber eigentlich werden wir nie wissen.

„Also lachen. Ich sage nur: lachen Anna! Das Lachen stellt das Vertrauen in uns selbst wieder her, es erhebt uns über die Situation. Wie könnten wir leben, ohne über unser Leben zu lachen!

Epilog

Niemand wird ihm je ein Denkmal setzen, das ist die Kränkung des Peer Gynt in Ibsens Stück. Das ist ein Mann auf der Bühne, der sich selbst sucht, der alles ausprobiert und beinahe untergeht im Meer der Möglichkeiten.

Dieser Peer Gynt, das bin ich! Ein Getriebener, der die Zwiebel schält und schält und sich darin wieder erkennt. Ich sage Euch, Schale um Schale um Schale- nichts, aber auch gar nichts bleibt zurück! Und letztlich sind mein Ich, mein Selbst, mein Bewusstsein, nur die Ideen meiner Gedanken, die entstanden sind an dem Tag, als ich den Apfel vom Baum der Erkenntnis aß.
Deshalb habe ich mir angewöhnt, die Dinge in ihrer bunten Gleichgültigkeit hinzunehmen, deshalb kann ich so gut mit ihnen tanzen. Ich bin der Ikarus, der immer wieder aus der Asche kommt und direkt in die Sonne fliegt.

Bildquelle: Wikipedia, Prof saxx – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

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Tags: KulturLeben. GefühleNaturSelbstfindungWahrnehmnungZwiespalt
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