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Reinhold Beckmann, der Fall Relotius und die große Verwunderung

Christoph Lütgert Von Christoph Lütgert
9. Januar 2019
Reinhold Beckmann

Die Machenschaften des Claas Relotius waren und sind schlimm. Für sie gibt es keinerlei Rechtfertigung. Was aber ein Heer neunmalkluger Journalisten daraus ableitete, räsonierte, resümierte, bilanzierte und beckmesserte, war und ist teilweise lächerlich oder verlogen oder besserwisserisch, in jedem Fall peinlich.

Ein sehr prominenter Kollege, Fernseh-Talker und Reporter, Reinhold Beckmann tat sich da besonders hervor. Auf dem Neujahrsempfang des „Hamburger Abendblatts“ – jedes Jahr ein Mega-Event im gesellschaftlichen Leben der Hansestadt – dozierte Beckmann laut Abendblatt-Bericht: „Ich möchte dem Spiegel eigentlich keine Empfehlungen aussprechen“. So weit, so gut. Ach, hätte er es bloß dabei belassen. Aber dann konnte er nicht an sich halten und gab, wie das Abendblatt weiter berichtete, eben doch eine Empfehlung: „Es wäre eine souveräne und richtige Entscheidung, künftig wie früher auch auf Autorenzeilen zu verzichten.“ Die Verfasser großartiger, guter, solide recherchierter und glänzend geschriebener Reportagen sollten gefälligst ungenannt bleiben, auf dass sie bloß nicht in Versuchung gerieten, um des persönlichen Ruhmes Willen es dem Claas Relotius gleich zu tun.

Merke: Im Spiegel sitzen laut Beckmann offenkundig diverse charakterschwache Kriminelle, die durch die Aussicht auf Namensnennung verführt werden, Fake-Stories zu produzieren. Eine schier ungeheuerliche Verdächtigung.

Besonders bigott aber, dass ausgerechnet einer wie der extrovertierte TV-Star Beckmann von den Kollegen eines Printmediums das journalistisch zölibatäre Gelübde der Anonymität verlangt. Ich selbst war jahrzehntelang TV-Reporter. Ich weiß – und schließe mich ausdrücklich ein -, dass wir Fernsehleute zum großen Teil ein recht eitles Völkchen sind. Reinhold Beckmann kann keinem erzählen, dass er seine weithin sichtbare Bildschirm-Präsenz nicht genossen hat. Als er als Fernseh-Talker ausgedient hatte, feierte er sich auf seiner eigenen Website www.reinholdbeckmann.de. Mit diversen Fotos von sich und prominenten Gästen behauptete er, „ein Stück Talk-Geschichte im deutschen Fernsehen“ sei zuende gegangen. Und zum Trost für die von ihm vermutete Fangemeinde kündigte Reinhold Beckmann an: „Nächstes Jahr kehrt Reinhold Beckmann mit einer neuen regelmäßigen Reportage-Sendung … ins Erste zurück.“ Die gibt es inzwischen nicht mehr, war keinesfalls überragend und wohl auch nicht übermäßig erfolgreich. Aber sie hieß, auf dass man den Namen bloß nicht vergesse, „#Beckmann“. Und was in der Erinnerung hängen blieb: Kaum eine Sequenz dieser Filme ohne den Reporter Beckmann im Bild.

Einer, der mit Namen und Gesicht immer ganz nach vorne an die Rampe und ins Scheinwerferlicht drängte, will verdienten Kollegen abverlangen, sie mögen bitteschön mit der undankbaren Anonymität vorlieb nehmen, wie soll man den nennen ? Vermessen, unverschämt oder beides ?

 

Bildquelle: © Superbass / CC-BY-SA-4.0 (über Wikimedia Commons)

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Tags: Fake-JournalismusMedienkritikQualitätsjournalismusReinhold BeckmannRelotiusSpiegel-Skandal
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