Manche Fußballfans haben natürlich fest damit gerechnet, dass Bayern München erneut Deutscher Meister in der Bundesliga wird. Borussia Dortmund hatte zwar einen Super-Blitzstart, lag bereits mit 9 Punkten Vorsprung an der Spitze. Doch die Schwarz-Gelben vom Borsigplatz machten in der zweiten Saisonhälfte schlapp, vergeigten Spiele in Nürnberg, Augsburg, Düsseldorf und verloren gar gegen die abstiegsgefährdeten Knappen aus Schalke.
Sonst lief in der 1. Liga alles mehr oder weniger nach Plan, also ohne echte Überraschungen.
Das Wunder an der Pader
Anders war es in der 2. Liga. Dass der 1. FC Köln trotz einiger negativer Ausreißer souverän den Wiederaufstieg schaffte, war von den meisten Ball-Experten frühzeitig einkalkuliert. Dass der Hamburger Sportverein die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus kläglich vergeigte, machte nicht nur eingefleischte Hanseaten fassungslos. Am Geld hat es hier gewiss nicht gelegen, doch die exotische Söldnertruppe von der Elbe trieb selbst Uwe Seeler und anderen Kickerphilosophen manche Tränen in die Augen. Freudentränen gab es indessen bei den ansonsten eher nüchternen und ruhigen Ostwestfalen aus dem Paderborner Land. Denn der SC Paderborn schaffte den direkten Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga. Selbst der Trainer Steffen Baumgart konnte es kaum fassen, dass sein Team in der abgelaufenen Saison Platz 2 erreichte und so in die höchste Spielklasse des bundesdeutschen Fußballs gelangte. Mit Bangen und Zittern vollzog sich der Endspurt der Ostwestfalen – und mit einer 3:1-Niederlage im letzten Spiel gegen Dynamo Dresden. Punktgleich mit Union Berlin, doch mit dem besseren Torverhältnis schlossen die Paderborner ab und erreichten somit den Einlass in die oberste Liga.
Die beste Fahrstuhl-Mannschaft
Es ist eine wunderbare Rückkehr für den SCP – nach gerade einmal vier Jahren. Denn 2014 war der Club an der Pader, der früher als TUS Schloss Neuhaus nur eingeweihten Fußballexperten bekannt war und in den unteren Ligen kickte, überraschend in die 1. Bundesliga gelangt. Hier übernahm der Verein gar für wenige Spieltage die Tabellenführung, um danach in einen geradezu abenteuerlichen Absturz zu geraten – zunächst in die 2. und später in die 3. Liga.
Es wäre sogar noch eine Etage tiefer in die 4. Spielklasse gegangen, doch der Konkurrent 1860 München erhielt vom DFB keine Lizenz, sodass SCP in der 3. Liga bleiben konnte. Der Trainer Steffen Baumgart formierte 2018 die Truppe auf dem grünen Rasen völlig um, schaffte 2018 den Aufstieg in Liga 2 und nun 2019 den in die oberste Fußballklasse. Nicht nur an der Pader spricht man von einem Wunder, obwohl viele Menschen dort im katholischen Hochstift mit ihrem fußballbegeisterten Erzbischof Becker durchaus an Wunder anderer Art glauben.
Riesenerfolg mit Mini-Etat
Der Verein, der über viele Jahre von dem inzwischen verstorbenen fußballverrückten Möbelhändler Wilfried Finke als Sponsor mühsam finanziell über Wasser gehalten wurde, musste in der Saison 2018/19 mit einem bescheidenen Spieler-Etat von etwa 6,2 Mio. € auskommen. Das Team wird von „no name-Kickern“ gebildet, also von Spielern, deren Namen bestenfalls die eingefleischten Paderborn-Fans kennen. Sie kamen aus Vereinen wie Rot-Weiß Essen oder Ahlen oder wurden bei anderen Clubs ausgeliehen, doch schossen sie in der Liga 2 die zweitmeisten Tore, nämlich 76; nur der 1. FC Köln übertraf den SCP mit 84 Torerfolgen während etwa der HSV nur 45 mal beim Gegner einnetzte.
Neben dem Trainer Baumgart gebührt dem Manager Markus Krösche die größte Anerkennung für diesen Erfolg des Paderborner Fußball-Clubs, der in den letzten Jahren eine einzigartige Fahrstuhl-Tour absolvierte.
Ziel Nr. 1: Klassenerhalt
In der nächsten Saison 2019/ 20 werden nicht mehr Regensburg, Aue oder Fürth die Gegner sein, sondern Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die Freude über den 2. Aufstieg in die 1. Bundesliga ist groß, doch bleiben die Ostwestfalen auf dem Teppich der Realitäten. Ihr Stadion ist mit 15.000 Zuschauerplätzen im Vergleich zu den Arenen der Konkurrenten recht begrenzt. Mit Anwohnern, die vor Jahren gar gegen den Fußballbetrieb am späteren Abend klagten, hat der Verein eine Regelung gefunden, die Champions League-Spiele jedoch kaum möglich machen würde. Zunächst wird es von Anfang der neuen Saison an um’s Bestehen gehen, denn trotz besserer Einnahmen vor allem aus TV-Geldern werden die Ostwestfalen nicht mit Millionen-Transfers für Spieler aufwarten. Die Mittelständler der Pader – angeführt von Carsten Linnemann, dem Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, von Unternehmern wie Benteler und Bremer, geben sich weiterhin solide und bescheiden. So wird es vorrangig darum gehen, den Millionarios anderer Bundesligisten spannende Fights zu liefern, auf dem Rasen zu bestehen und den Klassenerhalt möglichst zu schaffen. Wenn das alles nicht so klappt, Erfahrungen mit dem Fahrstuhl auf dem Weg eine Etage tiefer hat der SCP wie kaum ein anderer Verein.
Bildquelle: Wikipedia, Nawi112, CC BY-SA 3.0
Anmerkung der Redaktion: Der Autor war von 1990 bis 2002 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Paderborn