Wolfgang Clement 1986 mit Johannes Rau

Sozialdemokrat ist Wolfgang Clement geblieben – Gastbeitrag von Norbert Römer, MdL

Auf meinem Schreibtisch liegt ein Füllfederhalter mit dem Namenszug von Wolfgang Clement. Er hat ihn mir bei einer gemeinsamen Grubenfahrt auf dem Bergwerk Heinrich-Robert in Hamm zum Geburtstag geschenkt. Damals war ich Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) in Hamm. Ich schreibe heute noch damit.

Wolfgang Clement hatte einen ausgezeichneten Ruf in der nordrhein-westfälischen Wirtschaft, zumal in der Industrie. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schätzten ihn, vor allem die Stahlarbeiter und die Bergleute wussten, dass auf ihn Verlass ist. Und für die Gewerkschaften, besonders die Industriegewerkschaften war er ein geachteter Ansprechpartner und starker politischer Wegbegleiter. Sein erfolgreicher Einsatz im schwierigen Fusionsprozess der einstigen Stahlkonzerne Thyssen und Krupp mit der Gründung des neuen Konzerns ThyssenKrupp bleibt unvergessen. Damals hatte er sich auf das Thyssen-Schloss Landsberg in Essen-Kettwig zurückgezogen und Tage und Nächte mit Aufsichtsräten, Vorständen und Arbeitnehmervertretern beraten und verhandelt, bis der Weg zur Fusion Konsens unter den Beteiligten war. Eine industriepolitische Meisterleistung.

Ebenso unvergessen bleibt sein Einsatz für Bergbau und Bergleute, in der Steinkohle genauso wie in der Braunkohle. Und dabei hatte er immer die Zukunft im Blick. Es ging ihm im Kern um die sozialverträgliche Rückführung des Bergbaus. „Kein Bergmann fällt ins Bergfreie“. Diese Faustformel der Bergbaugewerkschaft IGBE, mit der sie den kontinuierlichen Anpassungsprozess im Steinkohlenbergbau ohne soziale Brüche und ohne politischen Aufruhr organisiert und begleitet hat, war in Wolfgang Clements politischem Handeln tief verinnerlicht. Der gebürtige Bochumer Maurersohn wusste aus eigenem Erleben, wie lebenswichtig soziale Sicherheit für die Menschen im rasanten Strukturwandel ist. Und für den Wandel setzte er sich mit Haut und Haaren ein, er ging immer volles Risiko. Auch deshalb schätzten ihn die Bergleute mit ihren Familien an Rhein, Ruhr und Emscher.

Wolfgang Clement war in seiner politischen Arbeit für wirtschaftliche Entwicklung und soziale Sicherheit unermüdlich. Legendär ist sein Einsatz für Ausbildungsplätze. Keine staatlich organisierte Ausbildungsplatzabgabe, stattdessen setzte er auf mehr Ausbildungsplätze in den Unternehmen und Betrieben. Dafür fuhr er mit dem Ausbildungsbus quer durchs Land und warb und warb und warb. Erfolgreich. Ihm war die Zukunft der jungen Menschen mindestens so wichtig wie die Zukunft der Wirtschaft. Er wollte fördern, ganz praktisch, aber dann forderte er auch die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen: Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung – auch im weiteren beruflichen Leben. Bildung stand für ihn obenan, das hatte er von zu Hause mit auf den Weg bekommen. Sein Vater hatte sich vom Maurer zum Baumeister fortgebildet. Fördern und fordern gehörte für Wolfgang Clement untrennbar zusammen. Ja, er forderte konsequent, er konnte auch unbequem sein, ungeduldig sowieso.

Was immer seine Kritiker gegen Wolfgang Clement ins Feld führen mögen – auch und besonders die in seiner ehemaligen Partei – er stand wie eine Eins für die industriepolitische Kompetenz der SPD und damit für eine wesentliche Grundlage ihrer Mehrheitsfähigkeit im Ruhrgebiet und weit darüber hinaus. Kantige Typen wie er, wie Hermann Heinemann, Heinz Schleußer, Klaus Matthiesen eckten zwar hier und da an, aber die Menschen wussten bei ihnen immer, woran sie waren, dass auf sie Verlass war, vor allem in schwierigen Zeiten. Auch das hat die SPD mit Johannes Rau an der Spitze für die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ihren Familien politisch attraktiv und anziehend gemacht.

Wolfgang Clement war ungeduldig, vorwärtstreibend, nicht immer ausgleichend. Er war im privaten Gespräch meist freundlicher als in der politischen Diskussion. Er war hart im Geben, aber er konnte auch einstecken. Und er hatte keine Scheu vor Auseinandersetzungen, auch nicht vor lautstark protestierenden Bergleuten und Kraftwerkern aus dem Rheinischen Revier, als die ihm die Hölle heiß machen wollten, weil er auch für die erste rot-grüne Regierungskoalition unter Johannes Rau eingetreten ist, obwohl die Grünen ihm politisch fremd waren und blieben. Wolfgang Clement stand für klare Kante – nach innen und nach außen.

Johannes Rau hat ihn als Modernisierer in die Landespolitik geholt und entscheidend mit dafür gesorgt, dass er als Ministerpräsident sein Nachfolger werden konnte. Gerhard Schröder hat ihn in seiner zweiten Kanzlerschaft nach Berlin abgeworben, um politisch Wirtschaft und Arbeit in einem Ministerium zu verbinden und damit eine Grundlage für den schwierigen Weg aus der Massenarbeitslosigkeit zu schaffen. Dieser Weg war steinig, war mit Zumutungen verbunden, die bis heute in der SPD nachwirken und schmerzen. Dennoch gilt: Wolfgang Clement hat ganz vorn mit dafür gesorgt, dass Deutschland sich vom „kranken Mann Europas“ wieder zur wirtschaftlichen Lokomotive in Europa entwickeln konnte. Das bleibt. So, wie Wolfgang Clement sein Leben lang im Wortsinne Sozialdemokrat geblieben ist.

Bildquelle: Wikipedia, Bundesarchiv, B 145 Bild-F073459-0016 / CC-BY-SA 3.0

Teilen Sie diesen Artikel:
Keine wichtigen Nachrichten mehr verpassen!


Über  


'Sozialdemokrat ist Wolfgang Clement geblieben – Gastbeitrag von Norbert Römer, MdL' hat keine Kommentare

Als erste/r kommentieren

Möchten Sie Ihre Gedanken teilen?

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht