Die taz schreibt: „Der spanische Ministerpräsident hat sich mal wieder durchgesetzt.“ Gemeint ist, dass Sánchez sich bereits während der durch den Ukraine-Krieg verursachten Energiekrise eine Ausnahmeregelung erwirkte. US-Präsident Donald Trump droht Spanien indes mit Strafmaßnahmen und kündigt an, dass Spanien doppelt so hohe Zölle zahlen müsse. Sánchez reagierte darauf nicht weiter. Dem spanischen Volk erklärte er sein Handeln damit, dass die Erhöhung der Militärausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts – wie es die NATO fordere – für Spanien „unvernünftig“ und „kontraproduktiv“ sei. Er betont, dass ein solches Ausgabenniveau mit dem spanischen Sozialstaat und den gesellschaftlichen Prioritäten unvereinbar sei, da es zu Kürzungen bei öffentlichen Diensten und Sozialleistungen führen und Steuererhöhungen für die Mittelschicht notwendig machen würde.
Die deutsche Presse unter anderem die SZ kritisiert ihn dafür und bringt in die Argumentation den „Koldo-Skandal“. Der Spiegel spricht vom: „Das Ende des Saubermanns“. Dabei handelt es sich um ein komplexes Korruptionsnetzwerk rund um die Vergabe öffentlicher Aufträge. Im Zentrum stehen Koldo García (ehemaliger Berater), José Luis Ábalos (ehemaliger Minister) und Santos Cerdán (ehemaliger Organisationssekretär der PSOE). Und tatsächlich schadet dies dem Ansehen von Sánchez. Was die deutsche Presse jedoch kaum berücksichtigt: Keine spanische Partei – auch nicht die Konservativen – sieht derzeit einen Bedarf an höheren Militärausgaben. Das 5%-Ziel ist ein Donald-Trump-Diktat. Spanien unterwirft sich diesem Diktat nicht.
Jochen Luhmann hat bereits am 20. Mai im Blog der Republik ausführlich über die Hintergründe der Trumpschen Forderungen geschrieben – und darüber, wie Lars Klingbeil die SPD in deren Logik einbinden möchte. Der SPD-Bundesparteitag wird am Wochenende darüber diskutieren. Ginge es nach dem Willen der Jusos, würde sogar über das 5%-Ziel abgestimmt. Ministerpräsident Pedro Sánchez betont, dass Spanien seine NATO-Verpflichtungen auch mit geringeren Ausgaben erfüllen könne. In Spanien ist man ohnehin der Meinung, dass man sich eher fragen sollte, wie es Russland gelingt, mit deutlich weniger Mitteln als die NATO als Bedrohung wahrgenommen zu werden – und weshalb das ein Argument für Aufrüstung sein soll.
Es mag sein, dass sich der spanische Wähler weniger von Russland bedroht fühlt und auch nicht glaubt, dass die NATO in drei Jahren von Putin angegriffen wird. Glaubt man jedoch den YouGov-Umfragen, gibt es selbst in der Bundesrepublik eine Mehrheit für die Forderung des Manifests der SPD-Friedensgruppen, wonach als effektives Verteidigungsmittel mehr Diplomatie eingesetzt werden soll. Kann es sein, dass genau diese Wähler der SPD bei der letzten Bundestagswahl den Rücken gekehrt haben?
Zum Autor: Axel Fersen ist Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt auf digitaler Transformation und künstlicher Intelligenz. Nach dem Studium der Politikwissenschaften an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz wechselte er in die Technologiebranche. Er lebt und arbeitet in Barcelona. Seit den 1980er Jahren ist er Mitglied der SPD und u.a. auch Kooperationspartner der Friedrich-Ebert-Stiftung in Spanien, Koordinator und Mitglied des Leitungskreises des Erhard-Eppler-Kreises, Mitglied im Vorstand des Europa-Instituts für Sozial- und Gesundheitsforschung e.V., einem An-Institut der Alice Salomon Hochschule Berlin, und Mitglied der Studiengruppe Technikfolgenabschätzung der Digitalisierung in der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).