Die krassen Varianten nenne ich nicht mehr Faschismus. Am 29. 1. 2025 im Bundestag gab es ein zwei Tage verspätetes „Gedenken“ an Auschwitz, an den industrie-technisch perfektionierten Massenmord: In Viehwaggons der Reichsbahn hatten bis 1945 die Nazis ihre Opfer eng eingepfercht zum Tod gebracht. Die Fahrt konnte mehrere Tage dauern, es gab nichts zum Trinken oder Essen, es gab keine Toilette, sondern nur einen – anfangs leeren – Eimer. Noch verschissener geht es nicht.
Genau deshalb brauchen wir die Inhalte, die Ziele der Brandmauer nach wie vor. Sie wurde verbal erschüttert, man kann auch sagen überschritten, aber real-pragmatisch müssen ihre Inhalte weiter beachtet werden. Ihre Erosion konnte man am 29. 1 schon früh im Gedenken spüren. Das war wie gewohnt erst erstarrt pietätvoll, dann ohne erkennbare Konsequenzen für die Politik! In der anschließenden Debatte fragte ich mich: „Gibt es überhaupt noch Parlamentarier, die real-pragmatisch (nicht nur verbal) Mord und Massenmord unterscheiden können?“
Selbstverständlich ist jede einzelne, unnötige (also jede, die nicht unmittelbare Notwehr ist) mörderische Gewalttat schrecklich, sei es nun in Aschaffenburg, in Nahost, oder global bei Hinrichtungen. Sowieso immer sind Kinder als Opfer unschuldig.
Jetzt aktuell: Bereut die Ampel, erwiesene Kriminelle nicht entschieden genug „re-migriert“ zu haben, Rechtsextreme nicht konsequent genug bekämpft zu haben? Wird Merz nach der Wahl bereuen, die demokratischen Parteien vergrault, entsetzt zu haben? Wie kann Vertrauen von den sich demokratisch nennenden Politikern zueinander überhaupt wieder möglich werden?
Wird sich Christian Lindner an den Liberalen Theodor Heuss erinnern, der lebenslang über sich selbst erschüttert war, dass er 1933 im Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte? Wird Lindner mit seiner FDP vielleicht doch nach der Wahl bei Entscheidungen, bei und für Regierungsbildung die Brandmauer beachten?
Und jetzt, bei heftig schwankender Brandmauer: Rechtspopulisten sind im Gespräch, wie im Parlament, so in den Medien. Da reicht es nicht mehr, sie im Rahmen von Demokratie „unmöglich“ zu finden und sie „einfach“ zu ignorieren. Wie können Demokraten, zum Beispiel wir Überlebende des Holocaust, damit umgehen? Nach Jahrzehnten verbaler Brandmauer kommt es nun darauf an, diese nun pragmatisch für Regierungsarbeit, für Gesetzgebung weiter aufrecht zu erhalten. Nachdem letzte Woche Alice Weidel im Parlament und Tino Chrupalla im Radio betonten, dass sie die wirtschaftlich erprobt brauchbaren Migranten zulassen wollen, aber Kriminelle schon an der Grenze abweisen wollen – da sollte man sie festnageln, mit der Frage: welche Rechtsbrüche wollen sie begehen?
Vor allem, welche Gewalt will die AfD zulassen? Was könnte anders geworden sein, seit 1933? Etwa: Ich erinnere, ein Nazi sagte, er sei nicht gewalttätig, er würde nicht „einfach so“ ohne Grund zuschlagen. Aber er sei gewaltbereit: Wenn „einer quatscht“, sprich gegen Nazis argumentiert, das lässt er nicht zu. Immerhin, obwohl „halbdemokratisch“ hilft uns nicht weiter. Meine Vermutung ist, wie schon bei Hitler sind die meisten Parteimitglieder nur Mitläufer, Sympathisanten. Anders als früher muss man alle Arten von Rechtspopulisten auf ihre Absichten befragen, sie auf Aktionen festlegen, die sie machen – oder eben nicht machen würden. Von welcher Gewalt, von welchem Faschismus kann sich die AfD erklärtermaßen distanzieren?
Was den Verschissmus betrifft, solche Politik werde ich nach wie vor erbittert bekämpfen. 1945 war ich 6 Jahre alt und die Erbitterung saß zunächst nur tief innen, Aber Verlust von Familienangehörigen durch Gewalt kann und darf niemand vergessen. Seit damals gilt für mich nach wie vor unbegrenzte Alarmbereitschaft.
Vom „Frieden auf Erden“ sind wir weit entfernt. Wenn er tatsächlich dereinst kommt, kann es keine Gewalttätigen mehr geben: Vielleicht noch eine ganz neue Art von echt-demokratischen „Zukunfts-Nazis“. Die mögen die Kultur der Germanen lieben und verehren – und sich vermutlich ganz neu bezeichnen, um Drohungen im Ansatz – wie im Wahlkampf – deutlich zu vermeiden. So gebe ich auch mein zentrales Anliegen von VBM (Vertrauensbildenden Maßnahmen, in der Politik) niemals auf, vergessen dürfen wir jegliche Bedrohungen niemals – aber was machen wir jetzt? Mit Theodor Heuss soll gelten, diplomatisch und effektiv:
„Vergessen ist Gnade und Gefahr zugleich“.
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