Alice Weidel, rechtsextremer Kanzlerkandidat der AfD, konnte die Enttäuschung kaum zurückhalten, als sie Freitagnachmittag vor die Presse trat. Es war gerade nicht gelungen, der Merz‘schen Initiative eine Mehrheit zu verschaffen. Entsprechend hasserfüllt war dann auch die Analyse des Geschehenen. Merz ist ein Loser, der nicht mal seine Fraktion hinter sich hat usw. Dass es im Kern FDP-Abgeordnete waren, die Lindner nicht gefolgt sind, interessierte die Wahlschweizerin nicht. Dafür wurde in ihrem Statement die ganze Verachtung deutlich, die sie dem Parlamentarismus in Deutschland entgegenbringt. Dass die Demokraten mit sich und den anderen Parteien ringen und genügend Mandatsträger den Tabubruch nicht wiederholen, schiebt die Blaubraunen zurück in die Schmuddelecke, aus der sie Friedrich Merz gerade erst herausgeholt hatte. Die Linie der Rechtsextremen für die letzten Wahlkampf Wochen wurde deutlich. Man wolle die stärkste Fraktion im Bundestag werden, und Alice Weidel soll Bundeskanzler werden. Aus deren Logik hat ihnen das Merz‘sche Manöver einen echten Wahlkampftrumpf geliefert. Sie können jetzt behaupten, dass rechtswidrige Migrationspolitik nur mit ihnen realisiert werden kann.
Merz hat allerdings noch einen anderen Effekt ausgelöst. Denn er hat klargemacht, dass die CDU nicht die Partei der Brandmauer ist. Was Merz im Winter 2023 noch behauptet hat, ist heute schon obsolet. Und genau das spüren die Demokratinnen und Demokraten in diesem Land. Aus dem Nichts heraus versammelten sich noch Mittwochabend in vielen Städten hunderttausende Menschen und machten klar, dass sie die Brandmauer sind. Freitag, Samstag, Sonntag finden Großdemonstrationen statt, die eindrucksvoll zeigen, dass vielen Menschen klar geworden ist, dass die CDU nicht verlässlich antifaschistisch ist.In Hamburg allein sind gleich zweimal zehntausende auf den Beinen um klar zu machen, was sie von CDU und AfD halten. In den sozialen Medien mehren sich Austrittserklärungen, beeindruckend das Statement des Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg, der aus Protest gegen Merz das Bundesverdienstkreuz zurückgibt.
Solche Aktionen machen deutlich, dass die Brandmauer verlässlicher hält, wenn sie von Demokratinnen und Demokraten gestützt wird und nicht die taktierende CDU/CSU als Wächter bestellt wird. Merz und Söder haben mit ihrer Aktion eines klargemacht: Wer nicht will, dass die AfD auch nur irgendwie Einfluss auf die bundesrepublikanische Politik bekommt, darf die Union nicht wählen. Und eine FDP unter Lindner wohl auch nicht. Und ein zweites wird klar: Wir, die Menschen in diesem Land, haben eine Aufgabe, die wir nicht den Parteien überlassen können. Wir sind die Brandmauer, wir sind der Widerstand gegen Rechtsextreme. Wir haben die Aufgabe – auch bei Wahlen – genau darauf zu achten, wer sich auf den Pfad der Geschichtsvergessenheit und des Rechtspopulismus begibt. Wir sind mehr, wir sind stark, und „Nie wieder“ ist wahrlich „Jetzt“.