Im alpinen Raum entwickelte sich der Wintertourismus nach dem 2. Weltkrieg als Massensport und beschränkte sich im Wesentlichen auf die 3 Monate Dezember, Januar und Februar des Jahres, in denen es verlässlich Schneeniederschlag verbunden mit mächtigen Schneedecken gab (de Jong 2012). Parallel zu dieser touristischen Entwicklung ist jedoch aus meteorologischer Sicht eine Abnahme der festen Niederschläge seit 1800 (dem Beginn der kontinuierlichen meteorologischen Aufzeichnungen) und insbesondere seit Mitte der 1980er Jahre in allen Höhenlagen von 200 bis 2700 m ü.NN zu beobachten (de Jong 2011/12, Marty & Mester 2012). Die meisten der niedrig gelegenen Skistationen der Alpen befinden sich nach Marty (2011) seit der Jahrhundertwende sogar im Winter im Bereich regendominanter Niederschlagsregime.
Hinzu kommt eine zunehmende zeitliche Verschiebung des natürlichen Schneeaufkommens im Alpenraum von Weihnachten bis Ostern.
Ausdehnung der Skipisten-Beschneiung
Folge dieser meteorologischen Entwicklung ist, dass – um Skifahren zu sichern – die künstliche Skipisten-Beschneiung systematisch immer ausgedehnter angewandt wird. So sind nach Warscheneck (2015) in Österreich mehr als 70 % der Pisten mit technischen Beschneiungsanlagen ausgerüstet; dafür wurden dort mehr als 1,3 Mrd. € für Schneekanonen, Pump- und Kompressorstationen, Wasseraufbereitungsanlagen, Rohrleitungen etc.) investiert. Neben den Baukosten entstehen dabei laufende Unterhaltungskosten.
Insgesamt summieren sich daraus Kosten für die künstliche Pistenbeschneiung von 2 – 5 €/m². Nach Aussagen des Deutschen Alpenvereins (DAV) ist eine solche Anlage ökonomisch rentabel, wenn sie mindestens an 100 Tagen pro Jahr im Einsatz ist.
Trotz dieser relativ hohen Kosten haben sich im Alpenraum zwischen 2005 und 2011 die mit technischem Schnee bedeckten Pisten verdoppelt (de Jong 2011/12). Selbst im in den Mittelgebirgen wie Schwarzwald, Sauerland, Fichtelgebirge/Oberpfalz, Thüringer Wald und Erzgebirge wird die künstliche Beschneiung immer häufiger eingesetzt. Das folgende Foto gibt einen ersten Eindruck von der heute im alpinen Raum weit verbreiteten künstlichen Pisten-Beschneiung.
Wasserverbrauch für künstliche Skipisten-Beschneiung
Die Produktion von technischem Schnee verbraucht immense Energie- und Wassermengen. So werden für 1 ha Grundbeschneiung (= 30 cm Schneehöhe) etwa 20.000 kWh Energie verbraucht (zum Vergleich: ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt verbraucht ca. 4.000 kWh/a). Daraus resultiert ein Gesamtenergieverbrauch pro Wintersaison für den alpinen Raum von etwa 2.100 GWh (Hamberger & Döring 2015). Schauen wir uns im Folgenden jedoch den Wassersektor genauer an:
Im alpinen Raum werden nach CIPRA (2004) durchschnittlich
– 1.000 l Wasser für die Erzeugung von 2 bis 2,5 m³ Schnee oder 4.000 m³
Wasser für die Beschneiung von 1 ha Skipiste sowie
– 1 Mio. l Wasser für die Grundbeschneiung einer Skipiste
benötigt.
Nach Schätzungen von Carmen de Jong von der Université de Savoie/Frankreich, die sich seit Jahren mit diesem Thema intensiv befasst, wurden 2011 im gesamten Alpenraum rd. 50.000 ha Skipisten technisch beschneit; daraus resultiert ein Wasserverbrauch von insgesamt 190 Mio. m³/a. Damit übertreffen die künstlich beschneiten Skipisten im alpinen Raum die bewässerten landwirtschaftlichen Flächen von Österreich und Frankreich.
Wasserverfügbarkeit
Diese hohen Wasserverbrauchswerte treffen in den Alpen unglücklicherweise auf ein Wasserregime mit einem natürlichen Minimum an verfügbarem Wasser im Winter. Hinzu kommt, dass in großen alpinen Höhen dies generell noch verschärft wird. Werden nun für die technische Pistenbeschneiung immer mehr Grund- und Oberflächenwasser entnommen und/oder in künstliche Speicherbecken umgeleitet, versiegen Quellen und Bäche und es entstehen durch diesem Eingriff in den Wasserkreislauf zunehmend Engpässe bei der lokalen Trinkwasserversorgung (de Jong 2011/2012).
Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels, der nach heutigen Erkenntnissen durch
– die vorhergesagte höhere Lufttemperatur,
– die weitere Abnahme des Schneeniederschlags sowie
– die weitere Verschiebung der „Schneesaison“ in Richtung Ostern
diesen Prozess beschleunigt.
Daraus könnte eine weitergehende Übernutzung der lokalen Wasserreserven resultieren.
Als während der markanten Frühlingsdürre 2011, bei der viele Flüsse in den französischen und italienischen Alpen die niedrigsten Wasserstände seit 50 Jahren aufwiesen und viele Quellen trockenfielen (de Jong & Biedler 2012), wurde die Idee großräumiger Überleitungen von Wasser intensiv diskutiert. Dies würde allerdings der Wasserkraft, die in diesen Tälern über Laufkraftwerke den natürlichen oberirdischen Durchfluss der Flüsse zur Energieerzeugung traditionell nutzt (z.B. Crans-Montana im Wallis/Schweiz) „das Wasser abgraben“; es entstünde ein neuer Wettbewerb um das kostbare Nass!
Die Wasserverfügbarkeit wird durch einen weiteren meist nicht bedachten Nebeneffekt der Skipisten-Beschneiung verringert:
Um den Schneeeinsatz zu optimieren wird das Piste-Gelände mit schweren Raupenfahrzeugen nivelliert. Hierdurch und durch das die Bodenoberfläche nässende Schneewasser werden die Pistenflächen signifikant „versiegelt“, sodass bei Überschusssituationen wie Hochwasser deutlich weniger Niederschlagswasser infiltrieren kann. Daraus resultieren lokale Hochwasser und/oder zunehmend linienhafte Erosion auf diesen Flächen.
Zusätzlich wird die Verfügbarkeit von Wasser zur künstlichen Skipisten-Beschneiung durch Auswirkungen des Skitourismus auf die Wasserqualität beschränkt. Es geht dabei um Probleme
– der Kontamination des Wassers durch lange Standzeiten in den
Speicherbecken und Wasserzuleitungssystemen,
– der langen Transportwege und der Mischung von Überleitungswasser aus
verschiedenen Einzugsgebieten mit unterschiedlicher bakteriell-
mineralogischer Zusammensetzung (Lagriffoul et al. 2010),
– die ungefilterte Nutzung von Wasser zur Schneeerzeugung und dessen
Verteilung über das Beschneiungssystem. Dadurch kann es zu
unkontrollierter weitflächiger Verbreitung von Verunreinigungen kommen;
als Beispiel wird Bourg St. Maurice in Savoyen zitiert, wo die lokale
Bevölkerung und die Skifahrer mit Magen-Darm-Erkrankungen geplagt
wurden (de Jong 2011).
Schlussfolgerungen und Aussichten
Die Winter werden heute schon immer kürzer, dennoch investieren die alpinen Skiorte weiter in die Ausdehnung des winterlichen Skitourismus und die damit einhergehende zunehmend intensivere Skipisten-Beschneiung mit all den aufgezeigten negativen Auswirkungen insbesondere auf die lokale Wasserversorgung von Bevölkerung und Touristen.
Nach Ansicht von Carmen de Jong, der Experten auf diesem Gebiet, wird sich der alpine Skitourismus in absehbarer Zeit wie folgt gestalten:
1.) In naher Zukunft wird schneegebundener Wintersport im Alpenraum in
Lagen bis 1.500 m ü.NN unmöglich gemacht und
2.) langfristig ist schneegebundener Wintersport in tiefen und mittleren Lagen
im alpinen Raum ein Auslaufmodell. Künstliche Skipisten-Beschneiung ist
danach nur eine Übergangsform.
Als Alternative zum Einsatz der Skipisten-Beschneiung wird von Experten und Umweltschützern Schneeschuhwandern gefordert (Doering 2017), weil dabei deutlich weniger Schnee benötigt wird und die Eingriffe in den Naturhaushalt wesentlich geringer sind.
Für eine zukünftige Ausrichtung des alpinen Wintersports wird heute schon an der Entwicklung eines „sanften“ Wintertourismus gearbeitet, der sich zusammensetzt aus Bewegung im alpinen Raum und Entspannung z.B. durch
– meditatives Wandern,
– Gipfel-Meditation,
– Berg-Joggen,
– Schneeschuhwandern (de Jong 2017).
Danach hat Skifahren im alpinen Raum nur Zukunftschancen, wenn der Sport sich an die aktuell herrschenden Umweltbedingungen anpasst und nicht umgekehrt.
Über die aufgezeigten Probleme soll im Einzelnen gemeinsam mit A. Schlenkhoff vom Lehr- und Forschungsgebiet „Wasserwirtschaft und Wasserbau“ der Bergischen Universität Wuppertal in eigenen Artikeln detailliert berichtet werden.
Quellen:
CIPRA = Commission Internationale pour la Protection des Alpes (Int. Alpenschutzkommission) 2004.
De Jong, C.: Zum Management der Biodiversität von Tourismus- und Wintersportgebieten in einer Ära des globalen Wandels. Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt, München, 76./77. Jahrgang 2011/12, S. 131-168.
De Jong, C.: Künstliche Beschneiung in den französischen Alpen – Gastblog am 29.8.2017.
De Jong, C.: & M. Biedler: Shadow of a drought. European Science and Technology, 14, 2012, pp. 208-209.
Doering, A.: Pisten-Beschneiung fördert Katastrophen im Sommer.
Lagriffoul, A., Boudenne, J.L., Absi, R., Ballet, J.J., Berjeaud, J.M., Chevalier, S., Creppy, E.E., Gilli, E., Gadonna, J.P., Gadonna-Widehem, P., Morris, C.E & S. Zini: Bacterial based additives for the production of artificial snow: What are the risks to human health? Science of the Total Environment 408, 2010, pp. 1659-1666.
Marty, Ch.: Snow cover changes in the Alps. Enzyclopaedia of Snow, Ice and Glaciers. Ed.by Singh, V.P., Singh, P. & Haritashya/UK). Springer 2011, pp. 1036-1038.
Marty, Ch. & R. Meister: Long-term snow and weather observations at Weißfluhjoch and its relation to other high-altitude observatories in the Alp. Theoretical and Applied Climatology, 2012, DOI 10.1007/s00704-012-0584-3.
Warscheneck, A.: Die Nachteile von Pistenbau und künstlicher Beschneiung