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Home Politik

 Spanisches Fieber – Die Abwahl Rajoys produziert neue Unsicherheit 

Volker Mauersberger Von Volker Mauersberger
1. Juni 2018
Mariano Rajoy

Nach der schweren Regierungskrise in Italien droht einem weiteren südeuropäischen Land eine Phase neuer Unsicherheit. Mit dem Satz, es sei für ihn eine Ehre gewesen, Spanien zu dienen, verabschiedete sich Mariano Rajoy von einem Amt, das künftig vom Sozialisten Pedro Sanchez eingenommen wird. Noch bei seinem letzten Auftritt vor dem Parlament war dem Premier die Verblüffung über eine Entwicklung anzumerken, die wie ein Sommergewitter über seine Exekutive herein gebrochen war. Im Verlauf einer Woche hatten sich ehemalige Verbündete in unversöhnliche Gegner verwandelt, waren Bundesgenossen fast zu Feinden geworden, die plötzlich nur danach trachteten, den unpopulären Regierungschef mit einem Misstrauensvotum zu Fall zu bringen. Wo sich Rajoy vor einer Woche noch als Sieger fühlte, weil er nach langem Tauziehen den Staatshaushalt mit Hilfe von Sozialisten, der oppositionellen Liberalen und der Basken verabschiedet hatte, stand er plötzlich einer breiten Front von Gegnern gegenüber, die nur Ablehnung vereinte.

Seine einstige Mehrheit war über Nacht geschmolzen, weil der Sozialisten-Chef Pedro Sanchez das Kunststück vollbrachte, eine  Mehrheit von 176 Stimmen für einen Misstrauensantrag hinter sich zu bringen- selbst die Basken, die sich ihre Zustimmung zum Haushalt noch mit der unverschämten Summe von einer halben Milliarde Euro hatten vergelten lassen, kündigten an, für Sanchez zu stimmen. Jeder war sich plötzlich selbst der Nächste.  Im Höhenrausch im Kampf um die Macht galten alte Versprechen nicht mehr viel. Bereits zu Beginn der zweitägigen Parlamentsdebatte musste Rajoy feststellen, dass er nur noch wenige Chancen hatte, die Abstimmung über seine Zukunft zu gewinnen. Plötzlich holte ihn eine Vergangenheit ein, mit der er nichts mehr zu tun haben wollte.

351 Jahre Haft für 29 Angeklagte

In einer ungewöhnlichen Koinzidenz der Ereignisse hatte die Strafkammer des Nationalen Gerichtshof ein hartes Urteil verkündet. Genau 29 Angeklagte, allesamt Freunde und Mitglieder der Regierungspartei, waren zu 351 Jahren Haft verurteilt worden. Darunter befand sich der ehemalige Schatzmeister der PP, Luis Barcenas, der dreiunddreißig Jahre Gefängnis erhielt. Der eifrige Parteinetzwerker hatte sich mit dem Unternehmer Francisco Correa ein System von Bestechungszahlungen gegen Auftragsvergabe erdacht- das System“ institutioneller Korruption“, wie die Ermittlungsrichter formulierten, habe vorbildlich funktioniert. Weil der Nachnahme des Geschäftsmanns auf deutsch„ Gürtel“ heißt, wurde das Strafverfahren in Spanien unter dem Stichwort „ Gürtel“ bekannt.

Dessen Verstrickungen waren nicht nur in Madrid, sondern auch in Provinzstädten wie Valencia und Murcia zu spüren. Als Verantwortlicher für zwei zurückliegende Parlamentswahlen in den Jahren 2000 und 2004 und als langjähriger Parteichef der PP konnte sich Rajoy schwer mit dem Hinweis heraus reden, er habe von den millionenschweren Subventionen und gezielten Betrügereien nichts gewusst. Trotz einer gerichtlichen Zeugenaussage, bei der ihm nichts Belastendes vorgeworfen wurde, blieb der Eindruck, dass Korruption, Bestechung und Betrügerei besonders in der Regierungspartei PP zu Hause waren- weil demnächst weitere Urteile gegen über dreißig Angeklagte ergehen, zog sich der Gürtel um Rajoy immer enger: Seine Umfragewerte fielen deswegen, aber auch wegen seiner unversöhnlichen Haltung im Streit mit separatistischen Katalanen unaufhörlich. Niemand wollte dem arg Bedrängten am Ende noch glauben, dass er mit den schwarzen Kassen nichts zu tun gehabt hatte.

Merkel verliert mir Rajoy einen Mitstreiter

Die deutsche Bundeskanzlerin verliert mit Mariano Rajoy einen Mistreiter, auf den sie sich im Verlauf der letzten Jahre stets verlassen konnte. Am Europabekenntnis des Spaniers gab es keine Zweifel. Mit Pedro Sanchez , einem Bundesgenossen von Andrea Nahles und prominenten Mitglieder der SPD,  kommt nach Felipe Gonzalez und Luis Zapatero zum dritten Mal in Spanien ein sozialistischer Politiker an die Macht. Sanches hat vor und nach seiner Wahl zwar vollmundig versprochen, dass jetzt eine neue  „ Phase der Demokratie“ beginnt. Man darf aber  zweifeln, daß dem als wendig, pragmatisch und als ausgesprochen Karriere bewusst beschriebenen Sozialisten-Chef  diese versprochene Wende tatsächlich gelingt.

Was ist der stille Preis, den Sanchez für seinen waghalsigen Parforceritt an die Macht jetzt zu zahlen hat? Das ist die Frage, die über dieser eilig zusammen-geschusterten spanischen Regierungsbildung steht.  Immerhin wurde der Sozialisten-Chef bei der Abstimmung  von Partnern unterstützt, mit denen er bis vor wenigen Tagen gar nichts zu tun haben wollte:  Es war Pedro Sanchez,  der die katalanischen Separatisten bis vor Kurzem noch  „ völkische Rassisten“ und sogar „ Putschisten“ nannte.  Die Anwendung des Artikel 155, die Verhaftung  katalanischer Regionalpolitiker und ihre Verurteilung als Illegale Gesetzesbrecher hat Sanchez an der Seite Rajoys stets unterstützt.

Plötzlich wollte er von dieser Solidarität nichts mehr wissen. „ Mit diesen Leuten verhandelt man nicht, man bekämpft sie“, rief man ihm deshalb aus den Regierungsbänken zornig zu. Dennoch muss Spaniens neuer Regierungschef ab sofort mit dem schweren Vorwurf leben, antieuropäisch gestimmte Repräsentanten einer systemfeindlichen Unabhängigkeitsbewegung aufgewertet zu haben. Nicht nur der ehemalige Faschismus- Bewunderer und katalanische Ministerpräsident Francisco Torra, auch dessen Bundesgenosse Puigdemont werden ab heute im Madrider Regierungspalast mit dem Premierminister darüber streiten, wie sich der Separatismus lösen lässt. Eine schwierige Frage, über die bald auch der spanische Wähler entscheidet. Neuwahlen wurden von allen Beteiligten versprochen.

Bildquelle: Wikipedia, European People’s Party (European People’s Party) CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons

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Tags: konstruktives MistrauensvotumPedro SanchezRajoyRegierungskrise SpanienSpanien
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