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Wenn der Karikaturist jemanden auf die Hörner nimmt – Zu Heiko Sakurais Cartoons des Jahres-Ein Leckerbissen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
14. Dezember 2018
Wenn der Karikaturist jemanden auf die Hörner nimmt – Zu Heiko Sakurais Cartoons des Jahres-Ein Leckerbissen

Er sieht so leicht aus, der Strich, der den Gesichtern von Angela Merkel und Horst Seehofer die Konturen gibt, umgeben von den Kampfmitteln, die die beiden in ihrem Ringen um die richtige Politik eingesetzt haben, das Schwert, das Beil, ein Speer, der in der Rüstung steckt. In der Tat, die beiden haben sich nichts geschenkt, vor allem der CSU-Chef hat der Kanzlerin schwer zugesetzt, er hat sie getroffen, verletzt, sie hat ihn abblitzen, ins Leere laufen lassen. „Kein Problem“, lässt Heiko Sakurai, der Karikaturist die Kanzlerin Angela Merkel sagen, „Herr Seehofer und ich raufen uns wieder zusammen!“ Grandios, wie der Zeichner diesen Streit, der mir wie eine Ewigkeit dauert, zu Papier bringt. Es sieht aus wie nach einer Schlacht im Mittelalter, zugespitzt, wie es sein muss, aber treffsicher und künstlerisch gekonnt. Es fehlt an nichts. Diese Zeichnung sagt mehr als Hunderte von Leitartikeln.

Heiko Sakurai bringt Jahr für Jahr sein Buch mit den Cartoons des Jahres heraus, ein Jahresrückblick der besonderen Art, zum Schmunzeln und zum Nachdenken. Der Karikaturist muss überspitzen, sein Strich sitzen, den Politiker treffen, ohne ihn zu beleidigen. Karikaturen sind das Salz in der Suppe. Was wären Zeitungen ohne sie!

Merkels Kunststück oder Zufall

Die GroKo ist das beherrschende politische Thema des Jahres gewesen, natürlich auch für den Zeichner Heiko Sakurai. Da darf FDP-Chef Lindner nicht fehlen, der den Stecker zog bei den ewigen Jamaika-Verhandlungen mit den vielen Balkon-Fotos und der dann plötzlich in der Opposition landete, aber natürlich auch der GroKo den Weg freimachte. Ja, die GroKo, die dritte in Merkels Amtszeit als Kanzlerin, und sie hat ihre Gegner alle verschlissen. Merkels Kunststück? Zufall? Der Zeichner bringt es mehrfach auf den Punkt. Die SPD hatte damals der Kanzlerin wichtige Ministerien abgetrotzt, ungeachtet ihres miserablen Wahlergebnisses, die CDU-Chefin überließ den „Sozen“ das Finanzressort, das Außenamt, das Arbeitsministerium, das Ministerium für Justiz, für Umwelt. Aber all das hat der SPD nichts genutzt, sie ist abgestürzt auf einen Wert, der sie in eine Existenzkrise gebracht hat, die anhält. Aber auch der CDU hat das geschadet, sie ist weit entfernt von jenen 40 Prozent, von denen Herr Merz und andere auf dem letzten CDU-Parteitag in Hamburg träumten. Aber Angela Merkel ist Kanzlerin geblieben, sie ist Regierungschefin in Berlin seit 2005.

Dass sie jetzt einen Teil der Macht abgegeben hat, nämlich den Vorsitz der CDU, hat natürlich auch den Zeichner beschäftigt, wie überhaupt er damit umgehen musste wie alle Leitartikler, dass sich die Ära Merkel irgendwann zum Ende neigt. Dazu passend eine Zeichnung, die mir Heiko Sakurai mal geschenkt hat. Da lässt er den Ex-Kanzler Gerhard Schröder von einem Sockel der vorbeigehenden Angela Merkel hinterherrufen. „Noch sind Sie Kanzlerin, aber irgendwann is immer Ende!“ Besser kann man es nicht sagen und zeichnen.

Trump ist ein Thema für den Karikaturisten gewesen, er ist es natürlich immer noch, Nordkoreas Diktator Kim Jong Un spielt eine Rolle, wie auch die EU und Theresa May in ihrem schwierigen Bemühen, den Brexit so hinzukriegen, dass er Großbritannien nicht allzusehr schadet.

Natürlich kommt der Zeichner auch an der AfD nicht vorbei. Sie sitzt inzwischen in allen Landtagen und im Bundestag in Berlin. Wie überhaupt die Rechten in Europa auf dem Vormarsch sind. Der Leser des feinen Cartoon-Buchs begegnet Wladimir Putin, der mit der Kanzlerin verhandelt, sein Hund darf nicht fehlen. Man weiß, dass die Kanzlerin es nicht so schätzt, wenn der Kreml-Chef seinen Hund die Kanzlerin beschnuppern lässt. Oder blicken wir auf die Causa Maaßen, oder auf Erdogan- die Themen scheinen für den Karikaturisten nicht auszugehen.

Die Kanzler sind ihm die Liebsten

Für den Zeichner sind immer die jeweiligen Kanzler die liebsten Figuren, die er auf die Hörner nimmt. Das war für die Vorgänger von Sakurai Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, der Dicke mit der Zigarre, das war Kurt-Georg Kiesinger, Willy Brandt mit seinem markanten Gesicht und den Falten, Helmut Schmidt, dann Helmut Kohl, der Mann aus der Pfalz, der schwarze Riese aus Oggersheim, der die Welt mit dem Saumagen bekannt machte. Ihm folge Gerhard Schröder, der SPD-Mann mit dem kantigen Kopf und dem Talent zum Testosteron-Ausbruch, wie es WAZ-Korrespondent Tobias Blasius in einem Vorwort zum Jahrbuch beschreibt. Und natürlich hat die amtierende Kanzlerin Angela Merkel es dem Zeichner Heiko Sakurai angetan. Er hat ihr einen herrlichen Schlafzimmerblick verpasst, der auch die kühle Abgebrühtheit Merkels ausdrücken soll, das Talent, den Gegenüber ins Leere laufen zu lassen, am liebsten gegen die Wand, und sie wartet alles in Ruhe ab.

Ich kenne Heiko Sakurai seit vielen Jahren, seit der Zeit, als er im Grunde frisch vom Studium kam und  WAZ-Karikaturist wurde. Aus jenen Jahren weiß ich, dass das Zeichnen Schwerstarbeit ist, die nicht vom Himmel fällt. Da muss zunächst eine Idee her, das Thema des Tages, es muss nicht immer aus der Politik sein, es kann aus der Wirtschaft kommen oder dem Sport und der Kultur. Was auch bedeutet: Der Karikaturist muss gut, sehr informiert sein, er muss die Nachrichten und Hintergründe kennen, wenn er sie richtig ins Bild bringen will. Ein solches Ringen dauert manchmal Stunden. Man frage Heiko Sakurai. Der 48jährige Mann, in Recklinghausen geboren und seit Jahren in Köln lebend, der in Münster Germanistik und Geschichte studiert hat und in Münster einen Lehrauftrag für politische Kultur innehatte, zeichnet wie gesagt für die WAZ, aber auch die Berliner Zeitung, die Rhein-Neckar-Zeitung, den Kölner Stadtanzeiger und  die Schwäbischer Zeitung. Auch im Bonner Generalanzeiger erfreut sich der Leser hin und wieder an den Zeichnungen von Sakurai.

Und um das nicht zu vergessen, der Mann ist preisgekrönt. Seit 1996 gewann er immer wieder Karikaturen-Preise. Und in der jährlichen Rückblende, das ist eine Sammlung aller Karikaturen, belegte er den zweiten, den dritten und auch mal den ersten Platz.

Heiko Sakurai: Cartoons des Jahres. Schaltzeit Verlag. Berlin. 2018. ISBN 978-3-946972-29-7

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